Viel investiert, aber noch kein Ertrag
Mainz. Kurz nach dem Abpfiff stand Jan-Moritz Lichte vor der Gegengeraden und applaudierte den Fans. Die wiederum beklatschten ihn und die Mannschaft, skandierten „FSV, FSV“ und waren ganz offensichtlich mit der Leistung des FSV Mainz 05 nicht unzufrieden. Trotz der 0:1 (0:1)-Niederlage gegen Bayer Leverkusen.
Wenig später sah man den Cheftrainer ganz nahe vor der Bande stehen und mit zwei einzelnen Fans diskutieren, von denen einer ein Shirt der „Meenzer Metzger“ trug. Lichte wirkte aufgebracht, erregt, zeigte immer wieder mit ausgestrecktem Arm aufs Spielfeld. „Es gab keine Beschimpfungen oder Beleidigungen“, wies er später, bei der digitalen Presskonferenz, entsprechende Spekulationen zurück. „Es war ein Meinungsaustausch.“ Und seine Gesprächspartner hätten kritisiert, dass sich die 05er nur wenige Chancen erarbeitet hatten.
Damit lagen sie nicht falsch. Im Gegensatz den beiden Fans befand Lichte die Offensivleistung seiner Mannschaft für ordentlich. „Es hört sich vielleicht komisch an, aber unser Offensivplan ist halbwegs aufgegangen“, sagte er und verwies, wie schon vor dem Spiel, auf die bestens organisierte Leverkusener Defensive. „Wir wussten, dass wir keine zehn, fünfzehn Chancen bekommen würden, wir wussten, dass es über den Flügel gehen muss, und wir haben die Räume teilweise gefunden.“ Warum es dann nicht gelang, Jean-Philippe Mateta häufiger in Szene zu setzen, ob es an den Hereingaben lag oder an der Bayer-Abwehr, müsse er sich noch mal anschauen. „Ich glaube aber, das war offensiv nicht schlecht.“
Mateta springt am Ball vorbei
Defensiv auch nicht, bis auf eine Szene. Jene nach einer halben Stunde, als Lucas Alario das 0:1 köpfte. „Gegen eine solche Mannschaft darf man kein Eckballtor kassieren“, sagte der Mainzer Innenverteidiger Luca Kilian kurz nach dem Abpfiff. „Der größte Leverkusener ist 1,92 Meter, alle anderen sind unter 1,90.“
Alario misst 1,85 Meter, und dass der Argentinier überhaupt an den Ball kam, lag vor allem daran, dass der vor ihm hochgestiegene Mateta die Kugel verfehlte. Als der abgetauchte Robin Zentner die Hand hinter den Ball bekam, hatte der bereits die Torlinie überschritten.
Bis dahin war es im Prinzip eine ausgeglichene Begegnung. Die Gäste hatten zwar deutlich mehr Ballbesitz, aber deutlich mehr Offensivszenen resultierten daraus nicht, weil die Mainzer so stabil standen wie in keiner der vorangegangenen Begegnungen. Neuzugang Kilian fügte sich bei seinem Startelfdebüt gut in der Innenverteidigung ein und bildete mit dem nach einer Gelb-Rot-Sperre zurückgekehrten Moussa Niakhaté einen kaum zu überwindenden Block. Der auf die rechte Seite der Abwehrkette hinausgerückte Jeremiah St. Juste spielte defensiv ebenfalls einen starken Part und hatte gute Ansätze nach vorne.
Burkardt mit den besten Chancen
Gefährlich war vor dem 0:1 nur ein Leverkusener Abschluss gewesen: Einen von Zentner aus dem Strafraum gefausteten Ball schoss Leon Bailey aus 22 Metern nur knapp am Tor vorbei (7.). Auf der anderen Seite tat sich freilich auch nicht viel mehr. Die 05er wollten weder vor noch nach dem Gegentor ins offene Messer rennen, setzten daher zunächst auf ihre kompakte Offensive, und mit ihren wenigen Angriffen drangen sie kaum einmal durch.
In der 24. Minute jedoch fehlte nicht viel zum Ausgleich: Nach einem Doppelpass mit Levin Öztunali auf der rechten Seite schlug Jean-Paul Boëtius eine Flanke auf den zweiten Pfosten, der heranstürmende Jonathan Burkardt nahm den Ball direkt, vermochte ihn aber nicht genau zu platzieren.
Zwei Minuten nach dem Seitenwechsel erarbeitete erneut Burkardt sich die Gelegenheit zum 1:1, indem er Sven Bender im Dribbling versetzte, der allerdings den folgenden Schuss zur Ecke blockte. In den letzten 20 Minuten verlagerte sich das Spiel zusehends in die Hälfte der Gäste, vor allem die Einwechslungen von Karim Onisiwo und Paul Nebel sorgten für eine Belebung des Mainzer Offensivspiels.
Rote Karte wieder gestrichen
Onisiwo war es denn auch, der die meiste Begeisterung unter den 250 Fans entfachte – nach langem Ball von Boëtius ging er ins Laufduell mit Edmond Tapsoba, kurz vor dem Sechzehnmeterraum rempelte der Leverkusener Verteidiger ihn um, und Schiedsrichter Bastian Dankert zog sofort die Rote Karte. Pech für die Rheinhessen: Der Videobeweis zeigte, dass Onisiwo beim vorangegangenen Pass knapp im Abseits gestanden hatte, damit war der Platzverweis hinfällig (78).
Bei den Trainern sorgte die Situation für wenig Aufregung. „Ich hatte gesehen, dass es Abseits war, deswegen war das, was danach kam, nicht mehr wichtig“, sagte Bayer-Trainer Peter Bosz. Und zu mehr Chancen kamen die Mainzer nicht mehr. Kollege Lichte hatte es zwar nicht genau gesehen, aber eine entsprechende Ahnung. Zu diskutieren gab es über die korrigierte Entscheidung nichts.
„Wir haben sehr viel investiert, und Leverkusen musste ebenfalls sehr viel investieren“, resümierte Jan-Moritz Lichte. „Ein Punkt wäre nicht unverdient gewesen. Aber momentan ist es so.“
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