St. Juste krönt sein Comeback
Mainz. Ein doppeltes Comeback in der Dreierkette, ein gehaltener Elfmeter, ein Rückkehrer als Torschütze, die vierte Gelbe Karte gegen den Trainer: Die Partie zwischen dem FSV Mainz 05 und dem VfL Bochum am Samstagnachmittag hatte einiges zu bieten. „Es war nicht unser bestes, aber ein sehr intensives Spiel“, sagte Mittelfeldmann Anton Stach hinterher. Und, der wohl wichtigste Aspekt: Die Mainzer entschieden diese enge Angelegenheit gegen den bisherigen Tabellennachbarn mit 1:0 (0:0) für sich.
Für gleich zwei Überraschungen sorgte Bo Svensson mit seiner Anfangsformation: Sowohl der seit Anfang Oktober wegen einer Schulterverletzung samt Operation ausgefallene Jeremiah St. Juste als auch Kapitän Moussa Niakhaté, am vorvergangenen Dienstag in die Coronaquarantäne geschickt, gehörten dazu. Entweder der Trainer hatte diese Personalentscheidungen frühestens am Freitag getroffen – oder er hatte in der Pressekonferenz am Donnerstag so gut geblufft, dass er auch am Pokertisch reüssieren könnte.
Niakhaté nämlich war dem Vernehmen nach zwei Tage vor dem Spiel noch nicht wieder freigetestet und hatte nur eine Trainingseinheit mit der Mannschaft absolviert. Und St. Justes Einsatz nach drei Monaten Zwangspause und zwei Wochen Mannschaftstraining sei noch zu riskant, hatte Svensson ausgeführt. Doch statt einer Notdreierkette oder dem Wechsel auf eine defensive Viererformation bildeten die beiden über die gesamte Distanz mit Stefan Bell die Innenverteidigung.
Unglaubliches Gefühl
Und mehr noch: Zwar war insbesondere St. Juste in einigen Situationen die fehlende Spielpraxis anzumerken, doch dafür spielte der Niederländer in einer der beiden Schlüsselszenen die Hauptrolle. Drei Minuten nach dem Seitenwechsel erzielte er den einzigen Treffer des Nachmittags. Über dessen Entstehung ärgerte sich VfL-Trainer Thomas Reis, weil die Gefahr nach einer Mainzer Ecke eigentlich gebannt schien.
Doch Leandro Barreiro holte sich den Ball 30 Meter vor dem Bochumer Tor auf der rechten Seite zurück, über Anton Stach gelangte die Kugel zu Jonathan Burkardt, und dessen flache Hereingabe landete halblinks bei St. Juste, der aus rund elf Metern flach abzog und den kurzen Innenpfosten traf, von wo der Ball ins Netz prallte. Hinter ihm lägen harte Monate, sagte der Niederländer, „aber heute ist ein unglaubliches Gefühl“.
Zentner kennt Polters Ecke
Ähnliches hatte Robin Zentner in der 32. Minute sich und den 1000 Zuschauern beschert, die überwiegend auf der Gegengeraden versammelt waren: In der zweiten Schlüsselszene hielt er einen Foulelfmeter von Sebastian Polter. Reiner Zufall war das nicht. „Er hatte seine letzten Elfmeter in die linke Torwartecke geschossen“, erzählte der Torwart in der Mixed Zone. Daran habe er sich orientiert, als er entsprechend abtauchte und mit seiner Spekulation richtig lag.
Den Strafstoß herausgeholt hatte Polter selbst. Nachdem er einen Ball mit rechts in seinen Rücken weitergeleitet hatte, ließ der ehemalige Mainzer Stürmer sein Bein vielleicht ein bisschen länger ausgestreckt als nötig, Stefan Bell traf es in seiner Laufbewegung, Polter fiel und Schiedsrichter Frank Willenborg pfiff Foul. „Ich glaube nicht, dass man das pfeifen muss“, kommentierte Bell die Entscheidung. Vorausgegangen war dem Bochumer Angriff ein unsinniger Ballverlust von St. Juste, der bei einem Solo aus der Abwehr heraus den Moment für ein Abspiel verpasst und den Ball verloren hatte.
Pressing ohne Präzision
Eine Bochumer Führung zur Pause, das räumte auch Svensson ein, wäre verdient gewesen. Zwar waren seine Leute besser ins Spiel bekommen, hatten druckvoll agiert und mit ihrem hohen Pressing die Gäste vor Probleme gestellt. Allerdings fehlte fast allen Angriffen, auch den Aktionen nach den zahlreichen gewonnenen zweiten Bällen, beim letzten Pass die Präzision.
Über gefährliche Ansätze kamen die 05er daher nicht hinaus, den zunächst gefährlichsten Angriff trugen sie in der 14. Minute vor: Leandro Barreiro spielte nach gewonnenem Zweikampf auf Silvan Widmer, der setzte den rechts vorbeisprintenden St. Juste ein, doch dessen flache Hereingabe von der Grundlinie schnappte sich VfL-Torwart Manuel Riemann.
Auf der anderen Seite wurde es fünf Minuten später erstmals brenzlig; Widmer köpfte eine Flanke von Milos Pantovic zur Ecke. Diese Szene stellte eine Art Wendepunkt in der ersten Halbzeit dar. Fortan hatten die Mainzer Probleme im Spielaufbau, „aber es lag nicht nur an uns, dass wir nach der guten Anfangsphase schlechter gespielt haben, sondern wir hatten auch einen guten Gegner“, betonte Svensson.
Siebtes Zu-null-Spiel
Sein VfL-Kollege trauerte später den ungenutzten Umschaltsituationen, teils in Überzahl, hinterher. „Es war mehr drin“, resümierte Reis den ersten Durchgang. „Mehr“ verhinderten aber auch unter anderem St. Juste, der sich in einen gefährlichen 15-Meter-Schuss von Christopher Antwi-Adjei warf (39.) und der starke Robin Zentner, der in der 43. Minute eine scharfe Hereingabe Antwi-Adjeis so ablenkte, dass weder der einschussbereite Takumo Asano noch Polter herankommen konnte.
Der Lohn für Zentners tadellose Performance war außer den drei Punkten das siebte Mainzer Saisonspiel ohne Gegentor.
Nach der Pause bot sich ein anderes Bild: Die Gastgeber waren wieder dominant, wirkten aber entschlossener als zu Beginn der Partie – jedenfalls in einer Reihe von Szenen. Daneben gab es eine Reihe von Momenten, in denen ein Plus an Zielstrebigkeit, Genauigkeit und Anschlussgier dazu beigetragen hätte, den Spielausgang nicht bis zum Schluss offenzulassen.
Barreiro verfehlt knapp
Da war zum Beispiel Burkardts gute Bewegung, mit der er sich seines Gegenspielers entledigte und im Strafraum freie Schussbahn verschaffte, aber am Riemann scheiterte; Widmer wurde beim Nachschuss von Konstantinos Stafylidis geblockt (55.). Ein nicht harter, aber verdeckter St-Juste-Abschluss von halbrechts strich knapp am Pfosten vorbei (62.).
Drei Minuten später konterten die Mainzer beinahe perfekt über Widmer, Burkardt und Barreiro; zur Perfektion fehlte, dass Lee als letzte Station aus halblinker Position nicht ins, sondern übers Tor schoss. Aarón legte mit der Hacke auf Lee, an dessen Linksflanke kam Barreiro zwar mit langem Bein heran, verfehlte das Tor aber knapp (74.).
Chancenlos waren freilich auch die Gäste nicht: Polter spitzelte den Ball nach einem Zuspiel in die Spitze an Zentner und dem Tor vorbei (67.), Antwi-Adjei setzt nach einem Einwurf einen Schuss aus zehn Metern zu hoch an (72.). Und als in der fünften Minute der Nachspielzeit Jürgen Locadia aus 18 Metern abzieht, vollbringt Zentner seine letzte Parade an diesem Tag.
Svensson wird gesperrt
„Wir haben nach der Pause leider den Faden verloren und aufgrund der zweite Halbzeit verdient verloren“, sagte Thomas Reis. Bo Svensson hingegen war froh, „ein sehr enges, ausgeglichenes Spiel gewonnen zu haben“. Diese Freude werde auch in keinster Weise durch die Gelbe Karte getrübt, die er in der 88. Minute sah und die ihm, weil die vierte in dieser Saison, ein Spiel Sperre einbringt.
Auslöser sei ein Missverständnis gewesen, sagte der Däne. Nach einem Foul von Polter an St. Juste habe aus der Bochumer Ecke jemand „Schauspieler“ gerufen, darauf habe er reagiert, und der vierte Offizielle, Florian Heft, habe das offenbar auf die Unparteiischen bezogen und Willenborg informiert, der sofort zur Seitenlinie kam und dem offensichtlich verdutzten Svensson die Karte zeigte. „Ich glaube, das war ein Missverständnis, aber den Vorwurf muss ich mir selbst machen“, sagte Svensson. „Das liegt in meiner Verantwortung.“
Die Sperre absitzen muss er am nächsten Samstag im Meisterschaftsspiel bei der SpVgg Greuther Fürth. Am Dienstag hingegen darf er seinen Job ganz normal ausüben – im Achtelfinale des DFB-Pokals. Beim VfL Bochum.