Bundesliga | Guido Steinacker | 27.11.2020

Kein Hinweis auf Übermut

Eine Woche nach dem ersten Saisonsieg muss Bundesligist FSV Mainz 05 beweisen, dass er sich schnell wieder der harten Arbeit zugewandt hat. Trainer Jan-Moritz Lichte zweifelt nicht an der Einstellung seiner Spieler. Am Sonntag überprüft dies die TSG Hoffenheim, die zuletzt ausschließlich in der Europa League erfolgreich war.
Levin Öztunali spielt auch wegen seiner herausragenden Laufleistungen unter Jan-Moritz Lichte eine größere Rolle als in den letzten Partien unter Achim Beierlorzer.
Levin Öztunali spielt auch wegen seiner herausragenden Laufleistungen unter Jan-Moritz Lichte eine größere Rolle als in den letzten Partien unter Achim Beierlorzer. | Jörg Halisch / rscp-photos

Mainz. Ein Sieg macht noch keinen Sommer, im Spätherbst ist das zum Glück nicht so schwer zu vermitteln. „Es war nichts anders als sonst, wir haben hart gearbeitet – so wie zuvor auch“, vermeldet Jan-Moritz Lichte daher von der Trainingswoche des FSV Mainz 05 nach dem erlösenden ersten Dreier in der Bundesliga.

Der Chefcoach hatte seine Mannschaft schon am Tag nach dem 3:1 in Freiburg darauf eingeschworen, jetzt keinen Deut nachzulassen. Und seine in den vergangenen Tagen gewonnenen Eindrücke waren, dass die Botschaft angekommen ist. „Keiner hat auch nur ein, zwei Prozent weniger gegeben.“ Im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim wird am Sonntagabend (18 Uhr) genau diese Einstellung gefordert sein.

Vieles fokussierte sich nach dem Sieg im Breisgau auf den Dreifachtorschützen Jean-Philippe Mateta, der sich unter der Woche aber selbst nicht mehr zu seinem Galaauftritt äußern wollte. Recht so, findet Lichte, der vor allem einen Aspekt der Geschichte des 23-Jährigen unterstreicht: dass es von Mateta eine „hervorragende Reaktion“ gewesen sei, nach den gescheiterten Bemühungen um einen Vereinswechsel die Gründe für die nicht wunschgemäß verlaufene Entwicklung alleine bei sich zu suchen. „Er ist jetzt ein verantwortungsvoller, erwachsener Mensch.“

Anzeige

Nicht nur Mateta blüht derzeit auf

Es sei für jeden Spieler ein extrem wichtiger Punkt, „zu begreifen, dass er letztlich für sich verantwortlich ist“. Wie weit seine Herangehensweise die Formkurve einzelner Spieler verändert, kann Lichte im Gemenge aller Faktoren, die Leistungsbilder beeinflussen, nur schlecht einschätzen. Dass nach einem Trainerwechsel manche Spieler besser zur Geltung kommen als unter dem Vorgänger, ist nicht ungewöhnlich und gilt bei den 05ern nicht nur für Mateta.

Levin Öztunali etwa bestritt in Freiburg seinen ersten 90-Minuten-Einsatz seit dem 21. Spieltag der vorigen Saison (im Februar gegen Hertha BSC), stand aber in vier der fünf jüngsten Begegnungen in der Anfangself. Es mag kein Zufall sein, dass Öztunali unter ihm wieder eine größere Rolle spiele als zuletzt unter Achim Beierlorzer, das sei aber vor allem dem Arbeitswillen des 24-Jährgen zuzuschreiben, der bereits seine fünfte Saison in Mainz absolviert. „Levin ist ein Spieler, der zu 90 Prozent im Training die höchste Laufdistanz aufweist“, verrät Lichte. „Er ist in jeder Einheit voll dabei und läuft und läuft und läuft...“

Auch Fernandes Gewinner der jüngsten Spiele 

Er halte es für wichtig, Spielern auch direkt zu sagen, wenn sie auffallend gute Arbeit leisteten, sagt Lichte. Öztunali ließ der Trainer frühzeitig wissen, dass ihm die hohe Laufbereitschaft nicht verborgen geblieben sei. Ein weiteres Beispiel ist Edimilson Fernandes, der im September durch einen Coronanachweis mehrere Wochen ausgebremst wurde. Nach seiner Rückkehr musste der Mittelfeldspieler bis zum Spiel gegen Schalke 04 auf einen Einsatz in der Anfangself warten, bei dem er überzeugte und prompt auch in Freiburg mit der ersten Elf auflief.

Der Schweizer sei „einer, der mit dem Ball viel kann, sich aber noch mehr ins Spiel einschalten könnte“, führt Lichte aus. Fernandes vereine eine gewisse Größe, Kopfballstärke und gute Grundgeschwindigkeit. „Und seine Entwicklung geht dahin, alles in den Dienst der Mannschaft zu stellen“, unabhängig von der Position, die er bekleiden müsse. Aber nicht nur Spieler in der Anfangself prägten das Team, sondern jeder habe seine Rolle im Gefüge, „egal ob er reinkommt oder gar nur auf der Bank sitzt“. Das mag dann keine direkte Befriedigung für die Betroffenen bieten, „aber sie haben dennoch direkten Einfluss“.

TSG nur drei Plätze entfernt

Die TSG Hoffenheim erwischen die Mainzer in einer ausgedehnten Flaute. Seit dem Megaerfolg gegen den FC Bayern München am zweiten Spieltag (4:1), der den Sechsten der Vorsaison an die Tabellenspitze brachte, gelang den Kraichgauern kein Sieg mehr. Statt 16 Plätze wie noch Ende September trennen die 05er als Tabellenfünfzehnten von der TSG nur noch drei Positionen.

Lichte lässt sich allerdings in seiner Gegneranalyse von dessen Negativlauf in der Liga ebenso wenig beeinflussen wie von den zwei 1:2-Testspielniederlagen beim Doppelvergleich in der Vorbereitung oder vom großen Kontrastprogramm zu den jüngsten Bundesligaauftritten, den Erfolgserlebnissen der Hoffenheimer in der Europa League. Dort hat die TSG nach dem 2:0-Sieg bei Slovan Liberec am Donnerstag vorzeitig die nächste Runde erreicht.

„Es sind alles gute Fußballer mit einem Gesamtplan und individuellen Fähigkeiten auf hohem Niveau“, betont der Mainzer Trainer. Auch die TSG hat dabei eine bisher herausstechende Offensivkraft gefunden. Für Lichte stellt sich daher nicht zuletzt die Frage, wie seine Mannschaft am Sonntag Andrej Kramaric unter Kontrolle halten kann, der ebenso wie Mateta bisher sieben Saisontreffer verzeichnet – drei davon zwar per Elfmeter, dafür aber in nur vier Einsätzen.

Achtsam sein und Zweikämpfe führen

„Meine Spieler bekommen Profile ihrer Gegenspieler mit Informationen über die Räume, in denen sie sich hauptsächlich aufhalten“, erläutert Lichte. Aber eine Fokussierung auf einen einzelnen Akteur, gar über eine Manndeckung „ist nicht unser Spiel“. Wenn Kramaric in der gefährlichen Zone auftauchen, „dann müssen alle achtsam sein, Zweikämpfe führen und die Bälle gewinnen“.

Die am vorigen Sonntag verletzten beziehungsweise gesperrten Jonathan Burkardt und Danny Latza stehen wieder in der Konkurrenz um einen Platz in der Anfangself, ausfallen werden, Stand Freitagmittag, lediglich Ádám Szalai und Phillipp Mwene.

Verbessert haben sich die Mainzer übrigens nicht nur vom letzten auf den 15. Tabellenplatz, sondern auch in der Statistik, die herausgespielte Großchancen erfasst; dort nehmen sie inzwischen den fünften Rang ein. Besonders effektiv sind sie freilich noch nicht, mit zehn erzielten Toren sind die lediglich das elftbeste Team der Liga.

Selbst beim Dreierpack in Freiburg war noch mehr möglich; Mateta scheiterte einmal im Eins-gegen-eins an Florian Müller und einmal am Aluminium, hinzu kam ein ungenauer Querpass vor dem Fünfmeterraum, der Jean-Paul Boëtius um eine Hundertprozentige brachte. Über die nötige Energie und Dynamik im Spiel nach vorne verfüge seine Mannschaft, sagt Jan-Moritz Licht, „die Qualität im Abschluss müssen wir aber weiter trainieren“.

 

Mehr Sport aus Mainz lesen Sie hier.

Alle Artikel von Fußball (Bundesliga)