05er unterliegen El Ghazi
Mainz. Der FSV Mainz 05 hat den Rechtsstreit mit Anwar El Ghazi vor dem Mainzer Arbeitsgericht verloren. Die fristlose Kündigung, die der Bundesligaverein gegenüber dem Fußballprofi am 3. November vorigen Jahres ausgesprochen hat, ist unwirksam. Der Klub muss dem Spieler für die Zeit bis Ende Juni 1.485.000 Euro plus Zinsen nachzahlen; diese Summe setzt sich aus dem monatlichen Gehalt plus einer im Februar fällig gewordenen „Sonderzahlung für Vereinstreue“ (was es nach einem halben Jahr alles gibt…) zusammen.
Gleichzeitig wies die Kammer unter Leitung der Vorsitzenden Richterin Bettina Chaudry die Gegenklage der 05er nach mehr als zweistündiger Beratung zurück. Sie hatten den Stürmer wegen Rufschädigung und auf Rückzahlung des bei seiner Vertragsunterzeichnung geflossenen Handgelds verklagt, dabei ging es um 523.464 Euro.
Entzündet hatte sich die Auseinandersetzung an einem Social-Media-Post des Niederländers mit marokkanischen Wurzeln zum Massaker der palästinensischen Terrororganisation Hamas unter der israelischen Zivilbevölkerung am 7. Oktober. El Ghazi teilte auf Instagram anderem den Slogan „From the river tot he sea, Palestine will be free“ – der letztlich das Existenzrecht Israels negiert und die Vernichtung des jüdischen Staates propagiert.
Zwei-Wochen-Frist nicht beachtet
Der Verein suspendierte den bei drei Einsätzen auf 50 Minuten gekommenen Spieler daraufhin, gestand ihm aber am 30. Oktober eine Rückkehr in den Trainings- und Spielbetrieb zu, da El Ghazi sich in internen Gesprächen von seinen Aussagen distanziert habe. Nur einen Tag später distanzierte sich der Spieler tatsächlich – jedoch von den Sätzen, die der Klub ihm in einer Pressemitteilung zugeschrieben hatte. Diese Worte seien ihm in den Mund gelegt worden, er habe sie nie gesagt und von seinen ursprünglichen Äußerungen nichts zurückzunehmen, betonte der 29-Jährige.
Am 3. November kündigte Mainz 05 ihm außerordentlich.
Dieser Rauswurf hat nach dem Urteil des Gerichts keinen Bestand. El Ghazis am 1. November veröffentlichter Post sei „in seiner Gesamtheit aus Sicht eines unvoreingenommenen Publikums zu würdigen“ und „noch von der Meinungsfreiheit gedeckt“. Anders hätte es womöglich ausgesehen, wäre der Rauswurf drei Tage früher erfolgt. Denn: „Maßgeblich sind nur solche Tatsachen, die bei Zugang der Kündigung nicht bereits länger als zwei Wochen bekannt waren.“
Fußballschuhe packen
Alexander Z. Bergweiler zeigte sich nach der Verhandlung „sehr erleichtert. In dem Moment, in dem das Arbeitsgericht zu der Auffassung gekommen ist, dass die fristlose Kündigung unwirksam war, sind auch die anderen Bausteine gefallen“, sagte El Ghazis Anwalt. „Über uns hing ja auch noch das Damoklesschwert der Vertragsstrafe, aber auch hier ist das Gericht zu der Auffassung gekommen, dass die vertragliche Klausel das nicht hergibt.“
Sein Mandant und er warteten jetzt zum einen ab, wie der Verein mit dem Urteil umgehe. Zum anderen wollten sie mit der 05-Führung in Kontakt treten, „um den Umgang mit dem Urteil zu klären“. Und um sich zu einigen, wann der Spieler, dessen Vertrag am Bruchweg noch ein Jahr läuft, wieder trainieren könne.
El Ghazis erste Worte nach dem Spruch der Kammer sei gewesen, er packe seine Fußballschuhe und freue sich, wieder Fußball zu spielen, berichtete Bergweiler. Bei Mainz 05? „Wir hoffen es.“
05er können in Berufung gehen
Der Arbeits- und Sportrechtler aus Trier betonte auch, was das Urteil n i c h t bedeute: „Es heißt nicht, dass jeder „from the river to the sea“ rumschreien kann. Aber wir reden über den Post vom 1. November, und den sieht das Gericht in diesem Kontext von der Meinungsfreiheit gedeckt.“ Das entspreche auch der Entwicklung in der deutschen Rechtsprechung.
Nach Auffassung des Vereins seien El Ghazis Aussagen menschenverachtend, sagte der Hamburger Arbeitsrechtler Johann-Michel Menke. „Möglicherweise bewertet die nächste Instanz das anders als die Kammer heute“ – ob die 05er Berufung einlegen, müsse er mit dem Vorstand besprechen. Ob der Spieler tatsächlich wieder am Bruchweg trainieren werde (was er nach dem Urteil eindeutig darf), „ist nicht unsere Entscheidung und sicherlich nicht das Ziel. Vielleicht findet der Spieler ja einen anderen Verein“.
Das wäre wohl in der Tat für alle Beteiligten das Beste.