Kalenderblätter | Christian Karn | 23.08.2020

Auf Umwegen in den Profifußball

Das 05-Kalenderblatt* für den 23. und 24. August.

Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es vor allem um einen offensiven Gaukler und einen defensiven Stabilisator.

 

23. August

Am Mittwoch vor 89 Jahren spielte Karl Scherm, der „Gaukler“, erstmals in Mainz. Das erste Heimspiel gegen Viktoria Urberach hatte der Neuzugang noch verpasst, im ersten Auswärtsspiel, dem 2:3 bei Alemannia-Olympia Worms, hatte er seine ersten beiden Tore geschossen. Beim Heimdebüt gegen Rot-Weiß Walldorf zeigte Scherm dem Mainzer Publikum, was in den folgenden Jahren zu erwarten war: Der Nürnberger erzielte das 1:1, das 2:1, das 3:1, das 6:1 und das 8:1 beim 8:2-Sieg gegen den Aufsteiger; außerdem trafen Karl Posselmann (2) und Jakob Schneider.

Mit 23 Toren in 15 Spielen wurde Scherm schließlich Torschützenkönig; auch wegen seiner Verletzung waren die 05er in der anschließenden süddeutschen Endrunde chancenlos. Nach seiner Genesung blieb Scherm ein extrem gefährlicher Torjäger, das Spiel gegen Walldorf blieb jedoch der einzige Fünferpack des „Gauklers“.

 

24. August

Am Montag hat ein Verteidiger Geburtstag, der vor ein einigen Jahren fast unbemerkt vom Talent zum Leistungsträger reifte, auf einmal Stammspieler war gerade seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert hat: Stefan Bell, der Innenverteidiger aus Andernach, wird 29 Jahre alt.

Bells erster Auftritt in Mainz endete noch im Fiasko: Mit dem TuS Mayen kassierte der Rheinländer 2006/07 in der U-17-Regionalliga ein 0:13. Und dennoch brachte es weitere als alle anderen Beteiligten an dieser Partie auf dem Bruchweg-Kunstrasen – mit einer Ausnahme: André Schürrle, der Schütze des 8:0, ist Weltmeister. Von den restlichen 05ern spielte kein einziger auch nur einmal in der Ersten oder Zweiten Bundesliga, während Bell ist Stammspieler und Abwehrchef eines etablierten Erstligisten wurde.

Der Weg dorthin war allerdings weit. Im zweiten B-Junioren-Jahr war Bell bereits Stammspieler bei der Mainzer U17, meist in der Innenverteidigung, aber oft auch noch als Sechser. In der U19 blieb er ein Leistungsträger und wurde Junioren-Nationalspieler. Die Partien um die Deutsche Meisterschaft 2009 unter Thomas Tuchel verpasste Bell jedoch wegen einer Verletzung.

Schmerzhafte Zäsur

In den Profifußball kam Bell über Umwege und zwei Ausleihen. Bei der ersten Station war er als 19-Jähriger Stammkraft des Zweitligisten TSV München 1860. Eine Saison später konnte Eintracht Frankfurt, damals ebenfalls gerade Zweitligist, mit ihm nichts anfangen, sodass die Klubs die Leihe Ende 2011 schon nach einem halben Jahr beendeten. In Mainz spielte Bell in der Rückrunde allerdings auch keine Rolle, ab Sommer 2012 setzte er sich immerhin im Regionalligateam durch. Und nach zwei Bundesligaeinwechslungen vor Weihnachten wurde er im März 2013 plötzlich bei den Profis gebraucht – als Rechtsverteidiger. Bell machte seine Sache gut, in seinen ersten drei 90-Minuten-Partien kassierten die 05er nur ein Tor.

Seit sich Niko Bungert im September 2013 verletzte, war Bell Stammspieler, und das blieb er bis vor einem Jahr, mittlerweile stehen 177 Bundesligaspiele in seiner Vita, zehnmal trat er als Torschütze in Erscheinung. Auf das erste (im Heimspiel gegen Gladbach in der Saison 2014/15) musste er sehr lange warten, das zweite und dritte folgten knapp zwei Monate später gegen Schalke binnen vier Minuten. Damit ist er bis heute der einzige Mainzer Verteidiger, der zweimal in derselben Partie ins gegnerische Tor getroffen hat.

Eine schmerzhafte Zäsur erlebte er im August vorigen Jahres. Im Pokalspiel beim 1.FC Kaiserslautern traf ihn Timmy Thiele in einem Laufduell von hinten am Fuß, fügte Bell damit eine schwere Sprunggelenkverletzung zu, die den Mainzer eine komplette Saison außer Gefecht setzte und erhielt dafür absurderweise noch einen Elfmeter zugesprochen, der die Grundlage des Lauterer 2:0-Siegs bildete.

 

Außerdem haben vier ehemalige 05-Nachwuchsspieler Geburtstag:

Sandro Loechelt, im Sommer 2017 von Wormatia Worms zur U23 gekommener, erfrischend aggressiver und schnörkelloser Defensivmann und inzwischen wieder in Worms, wird 25 Jahre alt.

Heinz Mörschel, in der B-Jugend an den Bruchweg gekommen, später auch Stamm-Zehner der U23 und über Holstein Kiel und Preußen Münster gerade beim KFC Uerdingen gelandet, wird 23 Jahre alt.

Christian Kinsombi, ehemaliger Linksaußen der U19 und vor einem Jahr nach Uerdingen gewechselt, wird 21 Jahre und damit genauso alt wie…

Kennet Hanner López, Mittelstürmer, den es nach der Jugend und einem Jahr in der U23 zu deren Regionalligarivalen TSG Hoffenheim II zog und der sich vor Kurzem dem TSV Schott Mainz angeschlossen hat.

*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).

 

Mehr Sport aus Mainz lesen Sie hier.

Alle Artikel von Fußball (Bundesliga)