Formvollendete Formen
Die traditionelle Sportlerehrung der Stadt Mainz musste in diesem Frühjahr coronabedingt entfallen – SPORTAUSMAINZ.de stellt stattdessen in loser Folge einige der Athletinnen und Athleten vor.
Mainz. Jeder muss seine Technik und die Bewegungen beherrschen, aber dann soll das Ganze auch noch bei zwei Mitstreitern möglichst exakt genauso gut klappen. Das ist das komplexe Anforderungsprofil, dem sich Taekwondosportler Quoc-Binh Duong in seiner Disziplin so erfolgreich stellte, dass er im vergangenen Jahr mit einer Silbermedaille aus Antalya zurückkehrte. Dank eines zweiten Platzes bei den Ü-30-Europameisterschaften in der Türkei mit dem deutschen Team im Poomsae-Dreierwettbewerb.
Der Weg des Trios zur EM verlief etwas ungewöhnlich. Bei den offiziellen Qualifikationsturnieren der Deutschen Taekwondo-Union hatte sich ein anderes Team den deutschen Startplatz gesichert. Erstmals jedoch rief der europäische Verband im Februar 2019 einen eigenen Qualifikationswettkampf aus, und über den dritten Rang bei diesem „President’s Cup“ erlangte Duongs Team eine Wildcard für Antalya. Eine etwas heikle Angelegenheit, wie Duong einräumt. „Die europäische Vereinigung hatte das Qualiturnier veranstaltet, ohne sich mit den nationalen Verbänden abzusprechen. Das hatte daher einen Beigeschmack.“
Nur knapp an Gold vorbei
Und dann verwies Duong mit seinen Partnern Patrick Lebens und Tilman Gothner in der Türkei das „offizielle“ deutsche Trio auch noch etwas überraschend auf den Bronzerang (zusammen mit den Niederlanden). Die drei Landmänner nahmen es allerdings sportlich, alle strahlten beim Siegerfoto. Nur um 0,06 Punkte war Duongs Team dem Siegertrio, das die Gastgeber stellten, unterlegen. Für den 38-Jährigen scheint der noch nicht lange verfolgte Weg als Poomsae-Spezialist noch einige spannende und hochklassige Wettkämpfe bereitzuhalten. Beim ersten Auftritt in diesem Jahr, Mitte Februar in Hamburg bei den „German Open Poomsae und Freestyle“, dem größten deutsche Poomsaeturnier, kam Duongs Team in der Alterskategorie 31+ auf Rang drei.
Duong, dessen Vater aus Vietnam stammt, die Mutter aus Malaysia, ist in Frankfurt geboren und betrieb Taekwondo seit seinem 13. Lebensjahr in hessischen Vereinen. Mit dem beruflich bedingten Umzug nach Mainz wurde er aber auch Mitglied von Armara Mainz. In dem 1974 gegründeten Verein ist er seit 2018 zudem als Trainer im Erwachsenen-Breitensport tätig. Darüber hinaus führt er beim TV Laubenheim die Kleinsten an die Sportart heran. Als Aktiver gehört er aber weiter dem hessischen Verband an, und über den nimmt er als Einzelsportler an überregionalen Wettbewerben teil. Mit seinem Poomsae-Trio tritt Duong dagegen unter bayrischer Flagge an. Der Grund: Seine Partner Patrick Lebens und Tilman Gothner kommen aus dem Nürnberger Raum und treten für den TSV 04 Feucht an, der bayrische Verband betreut das Team organisatorisch.
Trainieren als Problem
Zusammen fanden die drei Anfang 2018. Über die Distanz ist es mit dem Übungseinheiten natürlich nicht ganz einfach. Online-Konferenzen ergebenvermutlich immer noch keinen Sinn, wenn 5G eines Tages nahezu verzögerungsfreie Datenübertragung garantiert. „Das gemeinsame Trainieren ist ein Problem, wir gucken, dass die beiden mal nach Mainz kommen, oder ich fahre zu ihnen – so versuchen wir, uns vor Turnieren wenigstens drei oder vier Mal zu sehen.“
Wenn Duong mit dem hessischen Kader trainiert, dem er weiter angehört, dürfen die fränkischen Kollegen ebenfalls hinzustoßen. Mit ihnen ein Team zu bilden, wertet Duong trotz des logistischen Problems als großes Glück, „denn es ist extrem schwer Partner zu finden“. An perfekte Synchronisation, die den Dreier-Wettbewerb ausmacht, ist nämlich nur zu denken, wenn nicht nur die Größe, sondern auch die Körperform weitgehend übereinstimmt.
„Wir haben ein paar Punkte, an denen wir arbeiten können, wir sind noch lange nicht am Ziel“, sagt Duong und definiert die Aufgaben. „Bei einigen Techniken sind wir nicht ganz synchron, an der Kickhöhe und der Dynamik können wir immer etwas verbessern.“
Formenlauf als junge Wettkampfvariante
Poomsae als eigene Wettkampfform entwickelte sich erst zu Beginn dieses Jahrtausends, 2006 wurde im Taekwondo-Stammland Südkorea die erste Weltmeisterschaft ausgetragen. Bei dieser kontaktlosen Variante sind im Prinzip die Übungsformen vorzuführen, eine Aneinanderreihung von Basistechniken. Die insgesamt 17 Einzelübungen dieses „Formenlaufs“ sind für die Gurtprüfungen zu erlernen, mit der achten Übung lässt sich die erste Dan-Prüfung ablegen.
Gelernt hat der gebürtige Frankfurter in Hessen das eigentliche Taekwondo, also den Kampf im Vollkontakt. Nur wäre dies für einen 38-Jährigen einfach nicht mehr auf hohem Niveau möglich. „Es macht sich an den Knien bemerkbar, die Vollkontakter hören alle spätestens mit 28 oder 29 Jahren auf“, sagt er. 2016 begann er daher, sich intensiver mit dem Formenlauf zu beschäftigen und schwenkte schnell vollends um. „Das war für die Knie angenehmer.“
Die stärksten Leistungen im Taekwondo bringen die 18- bis 30-Jährigen, „die haben eine ganz andere Dynamik als die 31+-Klasse“, hält Duong fest. Anders als in anderen Sportarten, in denen man mit steigendem Alter einfach langsamer agiert, bleiben die Anforderungen auch beim Formenlauf, bei dem die einzelnen Übungen eben so sind, wie sie sind, für alle Zeiten gleich. Die Bewertung der Technik ist in den Wettkämpfen daher unabhängig vom Alter daran orientiert, wie nahe sie den Idealvorstellungen des Ablaufs entspricht.
Andere Maßstäbe bei der Präsentation
Anders ist es beim zweiten Bewertungsteil, der Präsentation. Hier werden Dynamik, Explosivität oder auch die erreichte Kickhöhe überprüft. „Dabei gibt es je nach Altersgruppe unterschiedliche Maßstäbe, das macht es auch für Ältere interessant, und niemand muss wegen des Alters aufhören.“ Vorbilder muss Duong nicht lange suchen: Seine hessische Landestrainerin Imke Turner, Jahrgang 1963, mehrmalige Welt- und Europameisterin, ist bis heute äußerst erfolgreich auf internationaler Ebene aktiv. „Sie hat erst mit 30 Jahren angefangen und zeigt mit bald 60 Jahren immer noch beeindruckende Techniken.“
Nicht, dass die für den Laien auf den ersten Blick gemächlich und mehr auf die Perfektion des Ablaufs ausgerichteten Formen den Körper nicht auf vielerlei Ebenen fordern würde. „Es gibt Formen, in denen extrem hohe Kicks gezeigt werden, andere mit extrem großer Gewichtsverlagerung gerade nach einer dynamischen Drehung. Da sind Präzision und Gleichgewichtssinn gefragt.“
Philosophie als Begleiteffekt
Bei asiatischen Kampfsportarten wird immer wieder hervorgehoben, dass sie vor allem eine Geistesschulung seien, weil sie Disziplin, Fleiß und Zielstrebigkeit lehren, die auch im normalen Leben weiterhelfen, doch beim Taekwondo geht Duong nicht ganz mit. „Das ist für mich nicht die Hauptphilosophie, ich empfinde das eher als Begleiteffekt, Werte, die man weitergibt.“ Das sei zwar ein Nutzen, den er auch für sein Privatleben schätze, lasse sich auf andere Sportarten aber genauso übertragen. „Eine Besonderheit ist eher, dass man mit viel Geduld arbeiten muss, um neue Gurte zu erreichen.“
Nicht nur das Alter, die beruflichen Herausforderungen und das Familienleben machen es schwerer, im nötigen Maße zu trainieren. „Und das macht sich körperlich bemerkbar.“ Neben dem normalen Trainingspensum diszipliniert Duong sich vier- bis fünfmal in der Woche zu Dehnübungen, „um die Flexibilität beizubehalten“. Aber ob mit biegsamem oder doch etwas steiferem Körper: „Taekwondo wird immer Bestandteil meines Lebens bleiben, denn es hat es seit der Jugend mitbestimmt.“
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