Die Beine hochlegen? Kein Thema!
Ingelheim. Aus den rund 420 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Deutschen Tennis-Seniorenmeisterschaften stellte Uli Winck zwei heraus. Zwei, deren Erscheinen auf der Tennisanlage des Ingelheimer TC aus ganz unterschiedlichen Gründen einer besonderen Erwähnung bedurfte, wie der Leiter des Organisationsteams bei der Eröffnung befand: Herbert Althaus und Edith Tolle.
Beide kommen aus Hamburg, aber, was die Titelkämpfe angeht, aus entgegengesetzten Richtungen. Althaus hat „in den vergangenen 30 Jahren alles gewonnen, was man gewinnen kann“, sagte Winck. Der 90-Jährige ist mehrmaliger Deutscher Meister, Weltmeister, führt die Weltrangliste an. Edith Tolle hat erstmals für eine DM gemeldet – im Alter von 88 Jahren.
„Sie hat seit Jahren kein Wettkampfmatch mehr gespielt“, erzählte Winck. Und für den Freizeitsport findet sie keine Einzelpartnerinnen mehr, sondern ausschließlich Damen, die ausschließlich Doppel spielen möchten. „Jetzt wollte sie mal wieder ein ordentliches Einzel spielen, also hat der Familienrat getagt und sie für die Deutschen Meisterschaften angemeldet.“
Nicht dem ärztlichen Rat gefolgt
Damit Edith Tolle tatsächlich bei einer DM debütieren konnte, musste sie sogar die Altersklasse wechseln. Da nicht genügend Meldungen für eine Damen-85-Konkurrenz zusammenkamen, wechselte sie kurzerhand zu den Damen 80. „All das imponiert uns sehr“, sagte der Orga-Chef.
Geplatzt wäre beinahe auch das Turnier der Herren 90. Dann nämlich, wenn der hochfavorisierte Herbert Althaus dem Rat seines Arztes gefolgt wäre und wegen einer lädierten Achillessehne am linken Fuß bis Mitte August keinen Sport treiben würde. „Das geht nicht“, stellte er am Morgen der offiziellen Eröffnung klar. „Das kann ich den beiden anderen Teilnehmern nicht antun“ – drei Spieler sind die Mindestanzahl, damit eine Altersklasse zustande kommt.
„Die Beine hochlegen, das kannst du nicht“, bekundete Winck voller Respekt. „Dein sportlicher Ehrgeiz ist ungebrochen, und wir sind dankbar, dass du antrittst, damit die AK nicht entfallen muss.“
Wieder in eigener Hand
Die 69. Deutschen Seniorenmeisterschaften sind höchstwahrscheinlich die letzten, die in Ingelheim stattfinden. Dreimal fungierten die Rheinhessen als Gastgeber, seit die Ahrflut die Anlage des traditionellen Ausrichters HTC Bad Neuenahr verwüstet hatte. „Bis dahin hatten wir Turniere mit maximal 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgerichtet“, erinnerte TCI-Vorsitzender Wolfgang Stähle. „Plötzlich waren es fast viermal so viele“ – eine neue Dimension, die enormen organisatorischen Aufwand erforderte.
Voriges Jahr hätte der in die Insolvenz gegangene Klub die Titelkämpfe ohne die massive Unterstützung des Tennisverbands Rheinland-Pfalz, der die Turnierleitung übernahm, nicht stemmen können. „Jetzt haben wir es dank der vielen Helferinnen und Helfer aus dem Verein wieder in eigener Hand“, sagte Stähle.
HTC lässt Tradition wieder aufleben
Gleichwohl grämt es seine Mitstreiter und ihn nicht, dass in Bad Neuenahr wieder genügend Plätze zur Verfügung stehen, um von 2025 an in die Rolle des Ausrichters zurückzukehren. „Wir sind ein bisschen weit weg von der Welt“, räumte Annette Bartsch, die langjährige dortige Turnierdirektorin ein. „Manchmal denke ich, es wäre besser, als Gast nach Ingelheim zu kommen…“ Ein flüchtiger Gedanke: Beim HTC freuen sie sich darauf, im nächsten Jahr an eine 66 Jahre alte Tradition anknüpfen zu können.
Gleichzeitig sollen sie eine neue Tradition begründen – indem sie Teil des Projekts „Coins to beat cancer“ werden, das Spenden für die Krebshilfe sammelt und für das dessen Gründer Hans Beth warb. Möglichst volle Sammelboxen erhofft sich die Initiative auch in den Tagen der Seniorenmeisterschaften, deren letzte Matches für den 4. August vorgesehen sind. Ob Ingelheim oder Bad Neuenahr: „Wichtig ist, dass Sie als Spielerinnen und Spieler dieses Turnier weiter so annehmen“, warb Andreas Germai, der Sportwart des rheinland-pfälzischen Tennisverbands.