Peter H. Eisenhuth | 24.03.2020

Das (vorläufige) Ende der Peinlichkeit

Das IOC verschiebt die Olympischen Spiele in Tokio um ein Jahr.

Tokio/Lausanne. Schwer vorstellbar, dass es jemanden gibt, der diese Entscheidung nicht begrüßt – schließlich waren es in den vergangenen Tagen nur noch zwei Seiten, die an den Olympischen Spielen in Tokio in diesem Sommer festhalten wollten: die japanische Regierung und das Internationale Olympische Komitee unter der Führung des ehemaligen deutschen Weltklassefechters Thomas Bach. Wäre der zu seinen aktiven Zeiten so eigensinnig und wirr über die Planche geirrt wie dieser Tage in der Frage, angemessen auf die Corona-Pandemie zu reagieren, wüsste heute kein Mensch außerhalb Tauberbischofsheims mehr, dass er jemals ein Florett in der Hand gehalten hat.

Am Dienstag unternahmen die Verantwortlichen den längst überfälligen Schritt (siehe: Nichtig und klein). „Ich habe vorgeschlagen, die Spiele um ein Jahr zu verschieben“, sagte der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe in seiner Hauptstadt, „und Präsident Bach hat dem zu 100 Prozent zugestimmt.“ Nachdem immer mehr Athleten und Verbände aus aller Welt sich gegen den vorgesehenen Termin vom 24. Juli bis 9. August ausgesprochen hatten. Nachdem Kanada, Norwegen und Australien angekündigt hatten, in diesem Jahr keine Sportler nach Tokio zu schicken.

Bachs Beharren war peinlich, instinktlos und autokratisch. Die Reihenfolge ist beliebig. Nicht einmal die Absetzbewegungen Alfons Hörmanns, des Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds, der bislang nicht als Rebell aufgefallen war, schon gar nicht gegenüber seinem Vorgänger Bach, brachten die Überzeugung des IOC-Chefs ins Wanken. Bis Dienstag.

Durchweg Zustimmung

DOSB-Chef Hörmann kommentiert die Verschiebung der Olympischen und Paralympischen Spiele als „richtigen und enorm wichtigen Schritt für den internationalen Sport und die gesamte Weltgemeinschaft“. Die Entscheidung nehme den Athleten den Trainings- und Qualifikationsdruck in der derzeit so schwierigen Situation. Und sie zeige „der Weltbevölkerung, dass auch im Sport alles dafür getan wird, die weltweite Pandemie bestmöglich und baldmöglichst unter Kontrolle zu bringen“.

Zustimmung kommt auch vom Deutschen Behindertensportverband: „Die Entscheidung orientiert sich am wichtigsten Gut: der Gesundheit der Menschen“, sagte dessen Präsident Friedhelm Julius Beucher.

„Dass ein Virus zur Olympia-Verschiebung führt, ist Wahnsinn", sagte Diskuswurf-Olympiasieger Robert Harting, der gleichwohl mit drastischen Worten den Entschluss für richtig befand: „Alles andere, als sich der Weltgesundheit zu stellen, würde das IOC zum Straftäter machen.“ Schließlich hätten die Vereinten Nationen Gesundheit zu einem Menschenrecht erklärt.

Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul (USC Mainz) sagte, „für alle Athleten sei es besser, die Spiele zu verschieben. Am Ende hat wohl auch das IOC eingesehen, dass es keinen Sinn hatte, an den Spielen in diesem Jahr festzuhalten“.

Zweimal ausgefallen

Es ist nicht das erste Mal, das Olympische Spiele verschoben werden oder gar ausfallen – und auch nicht das erste Mal, das Tokio davon betroffen ist. Neu ist allerdings, dass dies in Friedenszeiten geschieht. 1940 wurden sie wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs zunächst von Tokio nach Helsinki verlegt und dann komplett gestrichen; 1944 war an Olympia überhaupt nicht zu denken.

1948 fungierte das schon vier Jahre zuvor vorgesehene London als Gastgeber; seither fanden die Sommerspiele im festen Vierjahresrhythmus statt. Zwei politisch bedingte Einschnitte gab es noch: 1980 boykottierten die USA, die Bundesrepublik Deutschland sowie 40 weitere Staaten (vor allem Drittwelt- und islamisch geprägte Länder) die Spiele in Moskau wegen des Einmarschs der Sowjetunion in Afghanistan. 1984 revanchierte sich die UdSSR mit einem Boykott in Los Angeles; mit ihr blieben 18 weitere Staaten dem Event fern, darunter Kuba, die Mongolei, Obervolta (heute Burkina Faso) und die DDR.

 

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