Der mit dem Tiger tanzt
Paris. Er betritt den Tigerkäfig, schaut dem Tier in die Augen und tätschelt seinen Kopf – dieser Film lief vor Wettkämpfen an Stéphane Diaganas innerem Auge vorbei. Man müsse sich mit dem Tiger verbünden, statt gegen ihn in den Kampf ziehen, stellte er sich vor.
Diese Autosuggestion verhalf dem heute 53-Jährigen zu der Entschlossenheit, mit der er unter anderem 1997 Weltmeister über 400 Meter Hürden wurde; bis 2019 hielt er den Europarekord auf dieser Strecke. Der Franzose ist eine Ikone seiner Sportart und ein Idol vieler junger Sportler.
Während des deutsch-französischen olympischen Jugendlagers haben wir die Möglichkeit, ihn zu treffen. Im Club de France stellt er sich unseren Fragen und erzählt von seiner Karriere und seiner Leidenschaft. Im persönlichen Gespräch erfahre ich mehr über ihn als Person, seine Familie und den Sport.
Leidenschaft als Schlüssel
Sport ist auch meine große Leidenschaft, schon als kleines Mädchen begeisterten mich sportliche Großveranstaltungen wie Welt- und Europameisterschaften und natürlich ganz besonders die Olympischen Spielen. In diesem Jahr darf ich im Pariser Jugendlager hautnah dabei sein, olympische Luft schnuppern, die großen Stars erleben, mitfiebern. Je 50 junge deutsche und französische Sportler saugen im Rahmen dieses interkulturellen Austauschs jeden Moment auf. Schon früh am Morgen brechen wir im Camp auf und kommen oft erst sehr spät in der Nacht zurück, um möglichst viele olympische Momente zu erhaschen.
Zurück zum Club de France, in dem wir unseren Paten kennenlernen: Stéphane Diagana. Seine Leidenschaft für den Sport war der Schlüssel zum Ziel, sie treibt ihn auch heute noch im täglichen Leben an. Diagana ist auch nach seiner Karriere ein großer Fan der Leichtathletik geblieben, quer durch alle Disziplinen. Die Emotionen der Athleten begeistern ihn noch immer, und auch er möchte Emotionen rüberbringen. Dafür und für die Werte des Sports stand er in diesem Jahr auch als Fackelträger des olympischen Feuers nach Nizza ein.
Wahres Herzblut
Im Winter die Bahn ganz alleine vom Schnee zu befreien, um darauf Tempoläufe machen zu können, das muss wahres Herzblut sein. Bewegung im Allgemeinen und laufen im Speziellen bereiteten ihm schon in jungen Jahren viel Spaß. Dieser Spaß und der Wunsch, andere Menschen „mit der gleichen Leidenschaft kennenzulernen“ ermöglichten es ihm, sich seine ganze Jugend lang auf hohem nationalem Niveau zu bewegen. Mehrmals am Tag zu trainieren bereitete ihm keinen Stress, sondern Vergnügen, erzählt er im Club de France.
Die größte Herausforderung während seiner Karriere sei es gewesen, Schule und Studium mit dem Hochleistungssport zu verbinden. Manchmal habe er ein Jahr wiederholt, um sich ganz auf den Sport zu konzentrieren; darauf blickt er heute, zirka 20 Jahre, später voller Zufriedenheit zurück. Denn auf diese Weise sich der inzwischen dreifache Familienvater eine „stabile Grundlage“ im Leben geschaffen.
Das olympische Jugendlager unterstützt Stéphane Diagana als Pate. So inspiriert er noch mehr junge Menschen mit der Leidenschaft, die er ausstrahlt. Ich bin dankbar, diese Begegnung gemacht zu haben.