Ein ausgemachtes Schlitzohr
Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es vor allem um den legendären Karl-Heinz Wettig.
3. April
Vor 95 Jahren kam Willi Petrauschke zur Welt. Der Berliner gelangte über die Stationen Augsburg, Ulm, Bergisch-Gladbach, Nordhorn und Concordia Hamburg 1950 zu Mainz 05, etablierte sich zunächst im linken Mittelfeld, verlor aber in der Rückrunde seinen Platz und zog 1951, nach 16 Spielen und vier Toren zurück nach Berlin.
Viel bedeutender für die 05er war Karl-Heinz Wettig, der am Freitag 93 Jahre alt würde. Der als „ausgemachtes Schlitzohr“ charakterisierte Stürmer wechselte 1945 vom MTV 1817 zu den 05ern.
Dreimal ging er weg: 1950 zum 1. FC Kaiserslautern; beim 7:1 in Mainz schoss er drei Tore. Dann wurde er vom jungen Horst Eckel verdrängt und wechselte zu Phönix Ludwigshafen. Und 1956 zu Wormatia Worms – nach einem nicht näher beschriebenen Eklat in einer Spielersitzung.
Zweimal kam er wieder, 1952 und 1958. Von 1959 an beendete Wettig seine Karriere als Spielertrainer bei Neuchâtel Xamax in der Schweiz. 1958 war er in Köln gemeinsam mit dem langjährigen Frauen-Bundestrainer Gero Bisanz und der Bundesliga-Legende Zlatko „Tschik“ Cajkovski zum Trainer ausgebildet worden.
Insgesamt soll Wettig in 432 Spielen für die Mainzer 249 Tore geschossen haben; angesichts der großen Zahl an nicht dokumentierten Freundschaftsspielen lässt sich das nicht überprüfen. In Pflichtspielen ist er mit 87 Toren in mindestens 206 Oberligapartien (die Aufstellungen aus den Jahren 1945 bis 1948 liegen nur zum Teil vor) nach Gerhard „Bimbo“ Bopp, Charly Mähn, Gerd Klier und Paul Lipponer senior der fünftbeste Torjäger der 05er, in der Oberliga mit Abstand der erfolgreichste.
Wettig, im Alltag städtischer Beamter, war ein hochtalentierter Dribbler, ein variabler Angreifer, der zunächst als Mittelstürmer eingesetzt wurde, bereits ab 1949 fast nur noch auf den Flügeln. Die rechte Seite war seine Stammposition, in Mainz spielte Wettig jedoch ab 1953 jahrelang als Linksaußen, um rechts Platz für Bernd Christ zu schaffen.
Als Trainer nach Weisenau
Als sich die 05er im März 1968 unter merkwürdigen Umständen von ihrem Trainer Erich Bäumler trennten, wurde Wettig dessen Nachfolger. Bis zum Saisonende gewann er vier von sieben Spielen und verlor nur eines, verpasste aber die Bundesliga-Aufstiegsrunde. Im folgenden Jahr steckte Wettig mit den Mainzern tief in der Krise: Teils unfreiwillig hatte der Verein die Mannschaft deutlich verjüngt, wichtige Spieler waren gegangen, andere lange verletzt, und für gleichwertigen Ersatz war kein Geld da.
Nach einem missratenen Auftakt mit drei Niederlagen wähnte sich der Verein in einer latenten, jedoch nie so wirklich akuten Abstiegsgefahr. Weil andere Klubs monatelang überhaupt nicht in die Gänge kamen, hatten die 05er die ganze Saison über drei bis fünf Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge. Richtig bedrohlich wurde es nie.
Nach der Saison wurde Wettig durch Erich Gehbauer abgelöst. Vorher und nachher war er als Trainer bei anderen Mainzer Klubs tätig, unter anderem beim damals noch hochklassigen SV Weisenau. 1977 beendete er auch seine Trainerkarriere. Am 17. April 2015, genau zwei Wochen nach seinem 88. Geburtstag, verstarb der langjährige 05er.
Vor 54 Jahren endete ein Heimspiel gegen den VfR Frankenthal im Chaos. Eine Halbzeit lang war gar nichts passiert, dann ging es auf einmal rund: Führung für den VfR durch ein Eigentor von Heinz Wassermann (46.). Ausgleich durch Günther Dutinés Foulelfmeter (47.). 2:1 durch Charly Tripp (50.). Ausgleich durch einen weiteren Foulelfmeter (84.), noch ein Elfmetertreffer von Dutiné.
Dann die Schlusssekunden. Freistoß für den VfR, 05-Torwart Kurt Planitzer war noch nicht bereit, Willi Wesselowsky schoss, der Ball lag im Tor, der Schiedsrichter pfiff ab und verschwand und ließ Mannschaften und Publikum über das Ergebnis im Unklaren. Erst mit der Zeit stellte sich heraus, dass das vermeintliche 3:3 – warum auch immer – nicht zählte.
*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).
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