Frühstück bei Bastürks
Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es unter anderem um einen Defensivspieler, der später in Braunschweig zur Legende wurde, einen knochenharten Manndecker, der erst nach einer Ausleihe durchstartete, und einen Linksverteidiger, vor dem auch die Balljungen zitterten.
1. August
Zwischen 1992 (2:3 gegen den VfL Osnabrück in der Zweiten Liga) und 2004 (1:3 im Test gegen den 1. FC Köln in Wiesbaden eine Woche vor dem Bundesligadebüt) wurde beim FSV Mainz 05 am 1. August kein Fußball gespielt. Das ist auch besser so, denn um die Jahrtausendwende herum hatte die halbe Mannschaft an diesem Termin schon etwas anderes vor: Fünf Mann aus dem Kader der Spielzeiten 2000/01 und 2001/02 haben heute Geburtstag.
Torsten Lieberknecht ist der erste dieser Generation. Der heutige Trainer des MSV Duisburg kam schon 1995 nach Mainz, kurz vor seinem 22. Geburtstag. Der Defensivspieler war trotzdem schon ein sehr erfahrener Fußballer: 13 Bundesligaspiele für den 1. FC Kaiserslautern und 22 Zweitligaspiele für Waldhof Mannheim hatte er bereits bestritten, außerdem 42 Länderspiele in der U15-, U16-, U18-, U19- und U21-Nationalmannschaft.
Bei den 05ern war Lieberknecht zwei Jahre lang Stammspieler, zunächst als Libero, dann in Wolfgang Franks neuem 4-4-2 auf dem rechten Flügel, häufiger sogar offensiv als in der Viererkette. Eine Reihe schwerer Verletzungen aber machten seine Profikarriere kaputt. In den nächste beiden Jahren spielte er nur zehnmal in der Zweiten Liga, 1999/00 immerhin elfmal; dabei machte er am 15. Mai 2000 in Bochum wohl sein größtes Spiel: Mit Dirk Karkuths gnadenloser Mauertaktik erarbeiteten sich die Mainzer im Abstiegskampf ein 1:0 gegen das Zweitliga-Spitzenteam.
15 Jahre bei der Eintracht
Das Siegtor schoss zwar Sven Demandt, die Schlüsselfigur aber war Lieberknecht, der zwischen den Viererketten als Manndecker den Bochumer Spielmacher Yildiray Bastürk aus dem Spiel nahm. Und noch lange stellte man in Mainz die Scherzfrage: „Warum war Lieberknecht danach nicht beim Training?“ Antwort: „Er saß bei Bastürks am Frühstückstisch und hat noch die Butter abgeschirmt!“
Nach zwei weiteren Jahren mit nur elf weiteren Einsätzen wechselte Lieberknecht zum 1. FC Saarbrücken, wo er kaum zum Zug kam. Bei Eintracht Braunschweig wurde er hingegen zur Legende: 15 Jahre lang war der Bad Dürkheimer für die Niedersachsen tätig. Nach vier Jahren als Spieler zunächst als Jugend-, bald aber als Cheftrainer. Lieberknecht führte die Eintracht aus der Dritten in die Erste Liga und wurde auch nach dem sofortigen Wiederabstieg in die Zweitklassigkeit nicht infrage gestellt. Entlassen wurde er zwei Jahre später, im Frühjahr 2018, nach dem Abstieg in die Dritte Liga. Ein paar Monate später übernahm er den MSV Duisburg.
Heute wird Torsten Lieberknecht 47 Jahre alt.
Ein Jahr nach Lieberknecht verpflichteten die 05er einen deutlich älteren und noch viel erfahreneren Mann für die Defensive: Adrian Spyrka, einst ebenfalls deutscher U-21-Nationalspieler, hatte schon weit über 150 Erst- und Zweitligaspiele für Borussia Dortmund, den 1. FC Saarbrücken, die Stuttgarter Kickers, den 1. FC Köln, Rot-Weiss Essen und Wattenscheid 09 absolviert.
In Mainz musste der gebürtige Pole zunächst eine Kreuzbandverletzung auskurieren, dann seine Rolle finden. In den ersten beiden Jahren spielte der Routinier auf allen vier Mittelfeldpositionen sowie als Innenverteidiger, von 1998 an etablierte er sich als Partner des Kapitäns Lars Schmidt im zentralen Mittelfeld. Bis 2001 bestritte er 108 Zweitligaspiele für die 05er, 2001/02 schaffte der inzwischen 34-Jährige nur noch ein paar Testspiele.
Zuletzt war Adrian Spyrka seit 2010 unter verschiedenen Chefs (darunter seinem ehemaligen Mitspieler Sven Demandt) Kotrainer der U23 von Borussia Mönchengladbach. Heute wird er 53 Jahre alt.
Die nächsten beiden Geburtstagskinder kamen 1999 an den Bruchweg. Beide waren (zunächst) keine Verstärkung: Mark Schierenberg, ein aus dem Schalker Nachwuchs stammender, aber bereits fast 27-jähriger Innenverteidiger, der immerhin 17-mal in der Bundesliga gespielt hatte, verletzte sich nach 15 Zweitligaeinsätzen innerhalb gut eines Jahr so schwer, dass er seine Karriere beenden musste. Schierenberg wird heute 48 Jahre alt.
Robert Nikolic, ein Manndecker alter Schule, der gerade mit dem KFC Uerdingen 05 aus der Zweiten Liga abgestiegen war, schaffte es fast nie in den Spieltagskader. Nach einem halben Jahr und nur einem Einsatz beim 0:3 in Cottbus gaben die 05er ihn leihweise an den SV Darmstadt 98 ab – doch nach seiner Rückkehr startete Nikolic unerwartet durch. Als Jürgen Klopps Nachfolger war er fünf Jahre lang ein Leistungsträger auf der rechten Abwehrseite.
Offensiv zwar völlig wirkungslos, defensiv aber als knochenharter, willensstarker, taktisch sehr disziplinierter, auch im hohen Fußballalter noch extrem schneller Mannschaftsspieler war Nikolic ungeheuer wertvoll für die 05er. Berüchtigt war er für seine präzise Fluggrätsche: Der Verteidiger hob gern schon mehrere Meter vor dem Gegenspieler ab, traf aber präzise den Ball, nicht das Bein. Und war über alle Berge, ehe der Gegner kapierte, was gerade passiert war.
2004 stieg Nikolic mit den 05ern in die Bundesliga auf. In der Hinrunde wurde er 13 Jahre nach seinem letzten Bundesligaspiel für Borussia Dortmund noch regelmäßig eingesetzt, in der Rückrunde nicht mehr oft. Am letzten Spieltag bekam der vom Gästeblock vehement geforderte Rechtsverteidiger im Alter von fast 37 Jahren seinen letzten Einsatz. Insgesamt kam Nikolic in seiner langen Karriere auf 289 Spiele in den oberen drei Ligen (108 davon für die 05er) und kein einziges Tor.
Robert Nikolic wird heute 52 Jahre alt.
Der Fünfte kam zwar erst ein Jahr nach Nikolic nach Mainz, war aber nach zwei Jahren schon nicht mehr zu halten: Markus Schuler, im Schwarzwald geboren und bei Fortuna Köln zum Fußballprofi gereift, war 2000/01 noch Linksaußen ohne Stammplatz, 2001/02 als Nachfolger von Vjekoslav Skrinjar aber Stammspieler auf der linken Abwehrseite. Schuler sorgte für ein derart aggressives Flügelspiel, dass er bald den Ruf hatte, impertinente Balljungen auch mal unzerkaut zu verschlingen.
Nach dem verpassten Aufstieg wechselte er 2002 zu Hannover 96, von 2004 bis 2012 war er Stammspieler bei Arminia Bielefeld – und auf den Spuren seines ehemaligen Kollegen Nikolic: Für die Fortuna und die 05er hatte Schuler noch dreimal getroffen, für die 96er und die Arminia in 182 Erst-, 40 Zweit- und 20 Drittligaspielen: nie. Kein anderer Feldspieler blieb in so vielen Bundesligapartien ohne Tor. Markus Schuler wird heute 43 Jahre alt.
Ein weiteres Geburtstagskind hat mit diesem Quintett wenig zu tun. Radomir Dubovina wird heute bereits 67 Jahre alt. Der jugoslawische Dribbler, Zweitligakicker bei Oli Bürstadt, der SpVgg Fürth, den Offenbacher Kickers, Viktoria Aschaffenburg und Union Solingen, war 1984/85 ein Torjäger im Mainzer Mittelfeld. Der junge Spyrka und der alte Dubovina begegneten sich immerhin noch als Gegenspieler. Der Abschied des Jugoslawen war ein Problem für die 05er: Die Aschaffenburger verpflichteten ihn erst kurz vor ihrem Saisonbeginn – und weil in der Oberliga eine kürzere Transferfrist galt als in der Zweiten Liga, durften die 05er keinen Ersatz mehr holen.
*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).
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