„Bei uns fängt keiner an herumzuspinnen“
Schwoich. Bo Svensson, sein Trainerteam und der Kader des FSV Mainz 05 haben Maßstäbe gesetzt. 32 Punkte in der Rückrunde der vorigen Saison, fünftbeste Mannschaft der zweiten Halbserie, den Verbleib in der Ersten Liga auf eine sensationelle Weise bewerkstelligt. Es war eine außergewöhnliche Leistung in einer Extremsituation, in dieser Einschätzung waren sich wohl alle Beteiligten und vermutlich auch die Fans einig.
Doch diese Rückrunde ist Geschichte. Wenn die 05er am 15. August auf RB Leipzig treffen, beginnt für sie eine neue, eine ganz normale Saison, immerhin schon ihre dreizehnte hintereinander. Und für die Rheinhessen wird es darum gehen, möglichst rasch an der Grundlage für die vierzehnte zu arbeiten. Nicht um weniger, aber zunächst mal auch nicht um mehr.
So sieht es auch Christian Heidel. „Es gibt von mir nie einen anderen Satz vor einer Saison als den, dass wir vom ersten Tag an versuchen müssen, einen möglichst großen Abstand nach hinten zu bekommen“, sagt der Sportvorstand. „Und wenn das mal nicht gelingt, müssen wir damit von vorne anfangen. Alles andere sehen wir im Laufe einer Saison.“
Enttäuschungen programmiert?
Inwiefern die Fans eine Runde, in der die Mannschaft sich unabhängig von der Art ihres Auftretens konstant um die Plätze elf bis dreizehn bewegt, goutierten, lässt sich nicht vorhersagen. Gut möglich, dass der eine oder die andere enttäuscht reagierte, dass sie Svenssons Team am zuletzt Geleisteten messen. „Wenn ich bei Mainz 05 bin, muss ich damit umgehen“, sagt Heidel. „Es wird immer Menschen geben, die das nicht verstehen, das ist auch in Ordnung, damit habe ich kein Problem. Wichtig ist, was wir denken und sagen, und das muss herauskommen. Bei uns fängt keiner an, aufgrund der Rückrunde herumzuspinnen.“
Mit der Einstellung, dass jedes einzelne Bundesligajahr für Mainz 05 ein Erfolg und keine Selbstverständlichkeit ist, sei der Verein immer gut gefahren. „Und wenn etwas Besseres herauskommt, freuen wir uns.“
Zeit, einander besser kennenzulernen
Das Trainingslager in Bad Häring (wo sich das Mannschaftshotel befindet) und Schwoich (auf die Plätze des dortigen FC mussten die Mainzer wegen der Regenschäden in Bad Häring ausweichen) soll seinen Teil dazu beitragen, gut in die Saison hineinzukommen. Eine Garantie für ein gutes Gelingen ist es nicht, auch keine Notwendigkeit, wie die Leistungs- und Ergebniskurve in den ersten Monaten dieses Jahres gezeigt haben.
Eine willkommene Abwechslung innerhalb einer mehrwöchigen Saisonvorbereitung aber stellen solche Tage außerhalb der gewohnten Umgebung allemal dar. Andere Eindrücke, sofern man offen dafür ist, andere Abläufe, ein intensiveres Miteinander können helfen, das Gemeinschaftsgefühl zu festigen. „Ich finde schon, dass die Zeit im Trainingslager auch dazu beiträgt, sich besser kennenzulernen“, sagt Christian Heidel.
Zwar halten sich die personellen Veränderungen innerhalb des Kaders in Grenzen, „aber wir alle sind ja auch erst ein halbes Jahr zusammen“, sagt der Sportvorstand, der zusammen mit Martin Schmidt als Sportdirektor erst Ende Dezember nach Mainz zurückgekehrt war. Heidel erklärt ein Trainingslager nicht zum Nonplusultra, er könne nachvollziehen, wenn andere Vereine heutzutage lieber zu Hause blieben. „Aber für mich gehört es einfach zu einer Saison dazu. Und wenn ich aus dem Fenster gucke, will ich Berge sehen.“
Salberts Nachtfahrt
Noch am Wochenende stand zu befürchten, dass ihm dieser Ausblick verwehrt werden würde. Die Wetterverhältnisse auch in Tirol ließen die 05-Verantwortlichen befürchten, die Reise ersatzlos streichen zu müssen, und die Schlammmassen, die der mächtig angeschwollene Glaurachbach, eigentlich nur ein Rinnsal, auf die Fußballplätze in Bad Häring gespült hatten, verstärkten diesen Eindruck.
„Ich bin froh, dass wir eine Alternative gefunden haben“, sagt Heidel. Sein Dank gebührt Darius Salbert, dem Teammanager, der sich nachts auf den Weg gemacht habe, um die Ausweichmöglichkeit zu checken, und den zuständigen Leuten des FC Schwoich, die binnen kürzester Zeit alles so hergerichtet hätten, dass einem gelungenen Trainingslager nichts im Wege stehe. Wer das kleine Stadion mit der schmucken Tribüne sieht, kann zu dem Schluss kommen, dass die Mainzer sich nicht verschlechtert haben.
Nur mit der Gestaltung der überdachten schlichten Gegengeraden ist Heidel nicht ganz glücklich. Die an der Bande und am Dach angebrachten Banner „sehen aus wie Augsburger Puppenkiste“, spöttelt er. „Aber das kriegen wir auch noch hin.“
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