„Es geht immer um Inhalte“
Bad Häring. Als Jonathan Burkardt am Donnerstagnachmittag im Mannschaftshotel des FSV Mainz 05 in Bad Häring zur kleinen Presserunde erscheint, hat wenige Minuten zuvor in Yokohama die Partie der deutschen Olympiaauswahl gegen Brasilien begonnen. Bundestrainer Stefan Kuntz hätte den Mainzer Stürmer, der im Juni maßgeblich zum Gewinn der U-21-Europameisterschaft beigetragen hatte, sehr gerne erneut im Kader gehabt – doch der vor wenigen Tagen 21 Jahre alt gewordene Burkardt entschied sich gegen die Teilnahme an den Spielen und für das Trainingslager und die weitere Saisonvorbereitung mit seinem Klub.
Herr Burkardt, Sie könnten jetzt in Japan Fußball spielen.
Ja.
Das wollten Sie aber nicht.
Was heißt „nicht wollen“? Ich wollte schon, aber ich habe mich bewusst entschieden hierzubleiben. Es wäre mein zweites Turnier in diesem Sommer gewesen, und direkt aus dem Urlaub in die Spiele zu gehen, wäre eine sehr hohe Belastung gewesen. Zumal ich gegen Ende der vorigen Saison muskuläre Probleme hatte. Ich glaube, dass es für meinen Körper besser ist, mich hier auf die nächste Saison vorzubereiten, wo sich die Belastung besser dosieren lässt, als direkt in einen Wettkampf zu gehen.
Der Verein hätte Sie aber…
…der Verein hätte mich gehen lassen, ja. Es war komplett meine eigene Entscheidung.
Und wie hat Bundestrainer Stefan Kuntz Ihren Entschluss aufgenommen?
Er war natürlich nicht begeistert, dass ich ihn anrufe und absage, aber er hat es total fair und verständnisvoll aufgenommen.
Hat es eine Rolle gespielt, dass es keine normalen Olympischen Spiele sind, sondern alles unter Coronabedingungen und ohne Zuschauer stattfindet?
Das hat eine kleine Rolle gespielt, aber ausschlaggebend waren die körperlichen Dinge.
Die muskulären Probleme sind ja auch schon bei der U-21-Europameisterschaft aufgetreten, oder?
Ja, immer mal wieder. Ich hatte schon in den beiden letzten Bundesligaspielen ausgesetzt hatte und auch in der Gruppenphase der U-21-EM Probleme und deshalb nur die letzten Minuten gespielt.
Und wie ist Ihr Zustand jetzt?
Momentan gut. Bis jetzt war meine Entscheidung total sinnvoll, weil ich mit Läufen gut aufgebaut werden konnte, und Step-by-Step in härteres Training einsteigen konnte.
Sie sind jetzt voll belastbar und können alle Einheiten komplett mitmachen?
Ja.
Fehlt Ihnen noch etwas in Sachen Muskelaufbau?
Ich glaube, dass ich in den drei Jahren, die ich zum Profikader gehöre, schon deutlich stabiler geworden bin, dass ich aber trotzdem ein bisschen aufpassen muss, meinem Körper nicht zu viel zuzumuten. Ich glaube aber auch, dass ich körperlich gut aufgestellt bin für eine Bundesligasaison.
Sind die Einheiten unter Bo Svensson immer so hart wie in den vergangenen Tagen?
Na ja, die Intensität hier im Trainingslager ist schon noch mal deutlich höher als in einer normalen Trainingswoche. Die Einheiten dauern hier auch länger als während der Saison.
Sie hatten Bo Svensson schon in der Jugend als Trainer. Hat er sich verändert? Ist er härter geworden – oder nur älter?
Groß verändert hat sich nichts. Er war schon immer sehr gut in der Mannschaftsführung, lediglich die Trainingseinheiten sind einen Tick härter geworden, weil es eine Männermannschaft ist.
Inwieweit profitieren Sie noch vom Gewinn der U-21-EM?
So ein Turniersieg gibt immer Kraft und setzt positive Energie frei, glaube ich, Aber im Grunde genommen fokussiere ich mich auf die neue Saison und denke nicht ständig zurück, wie es bei der EM war. Auch wenn die Mitspieler mir nach meiner Rückkehr in die Mannschaft natürlich gratuliert und mich darauf angesprochen haben.
Gab’s nach dem Finale irgendeinen Spieler, der mehr gejubelt hat als Martin Quast*?
(lacht) Ich glaube nicht.
Wie war das Gefühl, den Pokal hochzuheben?
Das war etwas sehr Besonderes, weil wir nicht nur ein tolles Turnier gespielt, sondern am Ende auch etwas in der Hand hielten. Und man kann sein Leben lang sagen, dass man U-21-Europameister ist.
Führen Sie mit Blick auf die neue Saison Einzelgespräche mit Bo Svensson oder Babak Keyhanfar, in denen sie Ihnen sagen, was sie von Ihnen erwarten und was möglicherweise besser werden muss als voriges Jahr?
Keine Einzelgespräche in dem Sinne, wie die komplette Saison ablaufen soll, sondern es geht immer um Inhalte, was ich in einem Training oder an mir verbessern kann.
Was wäre das konkret? Die Torquote könnte wahrscheinlich ein bisschen höher werden…
Ja, genau, es sind immer kleine inhaltliche Dinge. Wie heute im Training im Umschaltspiel noch einen Tick länger am Ball zu bleiben und dann im richtigen Moment rauszulegen.
Sie haben Ihren Vertrag bei Mainz 05 um zwei Jahre bis 2024 verlängert. War das schnell klar?
Definitiv. Mir war es schnell klar, dass ich auch die nächste Saison hier verbringen möchte, weil ich noch viel Entwicklungspotenzial habe und hier noch weiterkommen kann.
Gingen der Entscheidung Gespräche mit dem Trainer voraus?
Ja, Bo hat mir erklärt, wie sie mich in der neuen Saison einbauen wollen und dass ich noch mehr Spielzeit bekommen soll, wenn ich mich weiter verbessere. Das war aber ein Gespräch auf einer Ebene – wir waren uns einig, dass ich meinen nächsten Schritt in Mainz machen soll.
Hing die Entscheidung auch von der Person Bo Svensson zusammen, oder hätten Sie sich auch unabhängig von ihm für eine Vertragsverlängerung entschieden?
So etwas geht schon auch mit dem Trainer einher. Es ist immer sinnvoll, in einem Verein einen Trainer, aber auch einen Vorstand zu haben, der auf einen setzt. Deshalb ist das ein Aspekt, der in die Entscheidung hineingespielt hat, aber ich bin nicht nur geblieben, weil Bo hier ist.
Momentan ist der Sturm zahlenmäßig noch nicht üppig besetzt. Das könnte den Einzelnen mehr Einsatzzeiten bringen – aber wahrscheinlich wird noch ein Angreifer dazukommen. Wie gehen Sie damit um?
Ob wir einen vierten Stürmer holen oder nicht, kann ich nicht beeinflussen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, mit einem vierten Stürmer in die Saison zu gehen, weil unser Spiel für die Stürmer sehr anstrengend ist, da wir viel arbeiten müssen. Aber ich mache mir keinen Kopf darüber, ob wir zu dritt oder viert in die Saison gehen und wer kommen könnte.
Sie gehen in Ihre vierte Saison bei den Profis. Gab es in den ersten beiden Jahren Momente, in denen Sie ungeduldig wurden, weil die Zahl der Einsätze sich in Grenzen hielt? Oder konnten Sie sich mit der Rolle als ganz junger, im ersten Jahr ja noch als A-Jugendlicher, abfinden?
Man braucht schon eine gewisse Ungeduld, um auch dranzubleiben. Klar wünscht man sich oft, dass man häufiger spielt. Bei mir waren es im ersten Jahr vier, im zweiten Jahr acht und zuletzt 29 Bundesligaspiele. Es gab auch immer wieder Tiefen, gerade wenn ich paar Mal gespielt habe und dann über einen längeren Zeitraum nicht. In diesen Situationen war ich teilweise schon unzufrieden und ungeduldig, aber ich glaube, das ist etwas ganz Normales auf dem Weg in den Profifußball.
Solange man nicht den Gedanken hegt, dem Trainer bewaffnet gegenüberzutreten, ist es wohl okay.
(grinst) Die hatte ich nicht.
Christian Heidel hat betont, die Rückrunde müsse abgehakt sein und der Blick nach vorne gerichtet…
…ich glaube, das wird uns ganz gut gelingen. Wir sind ja auch ein neues Team, ein paar Spieler sind gegangen, ein paar gekommen, und wir werden in der neuen Saison anders aufgestellt sein. Wir werden nicht zurückblicken – das würde auch gar nichts bringen. Wir müssen im Hier und Jetzt beeinflussen, eine gute Saison zu spielen. Und das werden wir hinbekommen.
Aufgezeichnet von Peter H. Eisenhuth.