Peter H. Eisenhuth | 08.08.2021

„In Paris will ich wieder so viele Plätze nach vorne rücken“

Julian Weber, Speerwerfer des USC Mainz, über Frust und Freude nach dem vierten Platz im Olympiafinale, die Verletzungsgeschichte der vergangenen fünf Jahre und seinen Trend bei internationalen Großereignissen.
Julian Weber warf den Speer im olympischen Finale auf 85,30 Meter.
Julian Weber warf den Speer im olympischen Finale auf 85,30 Meter. | Thomas Windestam

Tokio. Julian Weber hat bei den Olympischen Spielen in Tokio für die viertbeste Platzierung der deutschen Leichtathletinnen und Leichtathleten gesorgt. Besser als der Speerwerfer des USC Mainz schnitten nur Olympiasiegerin Malaika Mihambo im Weitsprung sowie Diskuswerferin Kristin Pudenz und 50-Kilometer-Geher Jonathan Hilbert ab, die Silber gewannen.

Weber fehlten im Finale am Samstag 14 Zentimeter auf die Bronzemedaille, die an den Tschechen Vitezlav Vesely ging.

Als SPORTAUSMAINZ.de am Sonntag mit Weber sprach, hatte der soeben die Mensa des olympischen Dorfes verlassen.

 

Hallo, Herr Weber, war das gerade Mittagessen oder eher ein Brunch?

(lacht) Eher Brunch…

…weil Sie heute Nacht noch gefeiert hatten, oder ist das unter den gegebenen Umständen im olympischen Dorf nicht möglich?

Na ja, feiern kann man hier nicht wirklich, aber mit dem Team waren wir noch ein bisschen länger wach.

Mit dem Abstand einer Nacht: Überwiegt die Freude über Ihren vierten Platz oder haben die 14 Zentimeter die Oberhand gewonnen?

(lacht) Irgendwie beides. Gestern war ich natürlich erst mal frustriert. Ich habe mich geärgert, weil ich wusste, dass ich mehr draufhatte, mehr hätte zeigen und eine Medaille gewinnen können. Aber wenn ich das verdaut habe, wird die Freude stärker sein.

Sie haben zweimal weiter geworfen als bei Ihrer bisherigen Saisonbestleistung. Was hätten Sie noch besser machen können?

Ich habe ein bisschen überpaced, vermutlich weil ich zu motiviert war. Der erste Versuch war noch ganz gut…

…das war mit 85,30 Metern Ihr weitester…

…genau, aber ich bin dabei mit dem Fuß ziemlich stark nach vorne geknickt. Das war schmerzhaft, und danach war es schwierig. Ich bin nicht mehr so locker in den Anlauf gekommen, es hat alles nicht so perfekt zusammengepasst, wie es nötig wäre, um so weit zu werfen, wie ich es mir zugetraut hatte.

Um die 88 Meter.

Ja, die wären möglich gewesen.

Dass Sie bei mehreren Versuchen in die Horizontale gegangen sind, war ungewohnt.

Richtig, das ist bei mir die Ausnahme, normalerweise stehe ich stabil. Ich habe mich auch nicht bewusst nach vorne geworfen. Das lag vielmehr daran, dass ich mit dem Fuß nicht gut genug geblockt habe – weil ich zu viel wollte.

Vier Durchgänge lang lagen Sie zunächst auf dem zweiten, dann auf dem dritten Platz. Im fünften hat der Tscheche Jakub Vadlejch Sie aus den Medaillenrängen verdrängt, ihr Konter landete bei 85,15 Meter. Was ging Ihnen danach durch den Kopf?

Darüber habe ich mich sehr geärgert. Selbstverständlich wollte ich danach in den sechsten Versuch alles reinlegen, aber ich wusste eben auch, dass es meine letzte Chance ist und der Wurf sehr gut werden muss. Und mit dem Bewusstsein noch einmal zurückzuschlagen, war schwierig.

Zu viel Druck in diesem Moment?

Leider ja.

Abgesehen von den drei Medaillengewinnerinnen und -gewinnern haben Sie für das beste Ergebnis der deutschen Leichtathleten in Tokio gesorgt…

…oh, stimmt, das war mir gar nicht so bewusst.

Davon können Sie sich zwar nichts kaufen…

…nee, direkt kaufen kann ich mir davon nichts, aber bei allem Ärger darüber, eine Medaille so knapp verpasst zu haben, kann ich darauf sicher stolz sein.

Und Ihr Trend zeigt nach oben: Bei den Olympischen Spielen in Rio waren Sie Neunter, bei der WM vor zwei Jahren Sechster, jetzt Vierter.

So kann’s weitergehen. (lacht) In Paris will ich mindestens wieder so viele Plätze nach vorne rücken.

Olympia 2024 haben Sie auf dem Schirm?

Auf jeden Fall. In drei Jahren bin ich 29 – kein Alter, um sich vorher zurückzuziehen.

Ihr langjähriger Trainer Stephan Kallenberg sagt, wenn Sie bis dahin konstant arbeiten und ein paar technische Kleinigkeiten verbessern, hätten Sie die Chance, in Paris ganz vorne anzugreifen.

Die Chance ist immer da, die hatte ich auch am Samstag. Gefühlt hatte ich die Goldmedaille drauf, aber man kann so etwas nicht erzwingen. Ein bisschen Glück und die Tagesform gehören immer dazu, man kann nur versuchen, das Beste herauszuholen, was in dem jeweiligen Moment mit der physischen und mentalen Verfassung möglich ist. Das habe ich, glaube ich, so gut es ging umgesetzt.

Was Ihren Körper angeht, liegen fünf Jahre hinter Ihnen, die von Verletzungen und Operationen geprägt waren.

Ja, die vergangenen Jahre waren nicht einfach. Ich war in dieser Zeit länger außer Gefecht als wirklich gut drauf. Die Sehnentransplantation im Ellbogen hat mich ein Jahr gekostet, danach hat mich ein Bandscheibenvorfall zurückgeworfen, und von den drei Fußoperationen zehre ich heute noch (lacht, aber etwas bitter). Aber ich habe mich immer wieder zurückgekämpft. Es war sehr schön, dieses Jahr endlich mal wieder relativ beschwerdefrei zu trainieren und zu werfen, auch wenn immer mal wieder das eine oder andere Problemchen aufgetreten ist. Wichtig war, von größeren Verletzungen verschont zu bleiben. Ich bin froh, dass es so gut gepasst und mein Körper im Olympiajahr mitgespielt hat.

Welche Pläne haben Sie für die nächsten Wochen?

Am Sonntagabend werde ich an der Abschlussfeier im Olympiastadion teilnehmen, am Montag geht es heim, erst mal zur Family. Ich freue ich darauf, endlich mal wieder ein paar Tage in Mainz zu verbringen. Und danach könnten noch ein paar Meetings kommen, aber in der Richtung habe ich noch nichts Konkretes geplant.

Als Olympiaviertem sollten Ihnen die Türen zu den größeren Meetings offenstehen.

Davon gehe ich aus.

Das Gespräch führte Peter H. Eisenhuth.

 

Siehe auch: → Happy mit viertem Platz

und „Julian, pack die Peitsche aus“.

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