Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 01.11.2020

Kein Gott, kein Heidel noch Tribun

Schröder raus? Höhne raus? Mannschaft raus? Wie es in Krisenzeiten üblich ist, melden sich auch rund um den FSV Mainz 05 schlaue Ratgeber mit plakativen Forderungen zu Wort. Populismus aber wird den Verein nicht voranbringen. Ein Kommentar.
Die Profis des FSV Mainz 05 sind in erster Linie gefordert, die Krise zu beenden.
Die Profis des FSV Mainz 05 sind in erster Linie gefordert, die Krise zu beenden. | Marcel Lorenz/rscp-photos

105 Spielzeiten sind in der Geschichte des FSV Mainz 05 dokumentiert. Am Samstag haben die Rheinhessen eine historische Meisterleistung vollbracht: Sechs Spiele. Null Punkte. 5:18 Tore. Das ist ihnen in ihrer Historie quer durch alle Ligen noch nicht gelungen. Und in der Ersten Liga fehlt ihnen nur noch ein Negativerlebnis, um Fortuna Düsseldorf hinter sich zu lassen und alleiniger Minusrekordhalter zu sein. Das wäre dann freilich schon fast der Super-GAU – nächster Gegner ist am Samstag der Tabellenvorletzte FC Schalke 04.

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Solche Krisen bringen es mit sich, dass sich viele Ratgeber zu Wort melden, längst nicht alle sind schlau. In der Beziehung unterscheidet sich der Fußball nicht von, sagen wir mal: Corona.

„Schröder raus“, „Höhne raus“, „Mannschaft raus“ (in differenzierteren Betrachtungen heißt es „Söldner raus“) – so lassen sich zahlreiche Kommentare zusammenfassen, die nicht nur innerhalb der „sozialen Netzwerke“ kursieren. Die Wut enttäuschter Fans fokussiert sich auf Sportvorstand, Aufsichtsratschef und die Profis, denen ohnehin gerne die Identifikation mit dem Verein abgesprochen wird und deren peinliches Gezackere um die Rückzahlung des Gehaltsverzichts aus dem Frühjahr die Wertschätzung ihnen gegenüber nicht gesteigert hat.

Fehlt eigentlich nur noch der Ruf nach einem „harten Hund“ auf der Trainerbank, der „mit eisernem Besen“ den „Saustall“ ausfegt.

Der Ruf nach einer Rückkehr von Christian Heidel ertönt ja bereits aus mehreren Ecken. Nicht nur aus Fan-Ecken. Auch einige Medien versuchen den vor viereinhalb Jahren am Bruchweg ausgestiegenen Manager wieder ins Geschäft zu schreiben. Und mancher Kandidat für den neu zu wählenden Aufsichtsrat hält die Welle für günstig genug, um darauf populistisch zu surfen. Ob das als Wahlprogramm ausreicht, wird sich weisen.

Ein paar Dinge aber sind beim Wunsch nach einem Comeback Heidels anscheinend in Vergessenheit geraten. Zum Beispiel, dass er nicht unschuldig am Desaster rund um die Strukturreform war, die mit seinem Abschied einherging. Ein paar klare öffentliche Sätze seinerseits hätten die unsägliche Debatte um die Eignung des Präsidenten Harald Strutz‘ für das Amt eines hauptamtlichen Vorsitzenden schnell beenden können.

Und dass Heidel mit seiner teuren Personalpolitik beim FC Schalke 04 dazu beigetragen hat, den Revierklub vor die Wand zu fahren, vor der er gerade steht, wird ebenfalls übersehen. In Mainz hätte er derzeit nicht mal Geld für neues Personal. Im Übrigen hat der 57-Jährige bislang nicht erkennen lassen, dass er bei seinem Heimatverein wieder in die Verantwortung möchte.

Nein, die 05er aus ihrer jetzigen Misere rettet kein Gott, kein Heidel noch Tribun – sich aus dem Elend zu erlösen, müssen sie schon selber tun:

  1. Rouven Schröder, dem bewusst ist, dass der Kader umstrukturiert werden muss, dem aber im Sommer die Hände gebunden waren. Um Spieler zu verkaufen, fehlten interessierte Klubs, um neue zu holen, fehlten die Einnahmen aus Transfers.
  2. Jan-Moritz Lichte, dessen inhaltliche Arbeit und Analysen sich wohltuend von denen seines Vorgängers unterscheiden, auch wenn der jüngste spielerische Aufschwung in Augsburg einen Rückschlag erlebte.
  3. Und an erster Stelle die Mannschaft, die binnen elf Monaten aus unterschiedlichen Gründen zwei Trainer verschlissen hat und gerade dabei ist, den dritten zu verschleißen. Bei allen Mängeln, unter denen sie derzeit leiden, sollten die Spieler zumindest in der Lage sein, um Erfolge zu kämpfen, sich gegen einen drohenden Abstieg zu wehren. Das ist nicht nur eine Frage der Selbstachtung, sondern auch der eigenen beruflichen Zukunft. Wer so kickt wie die meisten 05er in den meisten bisherigen Saisonspielen, wird es schwerhaben, einen neuen Arbeitgeber zu ähnlich guten Konditionen zu finden.

 

Sollten die Profis allerdings auch Lichte loswerden wollen: Ein Auftritt gegen Schalke wie in Augsburg könnte dafür reichen.

 

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