Kuntz springt höher als Keyhanfar
Szekesfehervar. Dieses Spiel endete mit einer bemerkenswerten Erkenntnis: Stefan Kuntz kann höher springen als Babak Keyhanfar. Das demonstrierte der Trainer der deutschen U-21-Nationalmannschaft am Donnerstagabend mit dem Schlusspfiff der Partie gegen die Niederlande. Als der 2:1-Sieg des DFB-Nachwuchses und damit der Einzug ins Finale der Europameisterschaft feststand, sprang Kuntz seinem Kotrainer Antonio di Salvo in die Arme, schien gar nicht mehr auf den Boden zurückzuwollen und übertrumpfte nebenbei das vom 05-Trainer in besonderen Glücksmomenten bewiesene Sprungvermögen.
Neben dem reinen Ergebnis war es freilich auch die Leistung der deutschen Mannschaft, die solche Freudenausbrüche rechtfertigte. Nach dem Marathon im Viertelfinale gegen Dänemark, den sie am Montag nach Elfmeterschießen gewonnen hatte, gelang ihr diesmal ein Blitzstart mit einem traumhaften Angriff. Über sechs Stationen spielten sich Kuntz‘ Kicker mit One-touch-Fußball auf der linken Seite vom eigenen Strafraum vors niederländische Tor, wo Florian Wirtz den Ball über die Linie drückte; die Vorlage war ein brillanter Pass von Lukas Nmecha mit dem rechten Außenrist. Gespielt waren gerade 29 Sekunden.
Berisha dreimal ans Aluminium
Bereits in der neunten Minute erhöhte Wirtz auf 2:0: Niklas Dorsch öffnete das Spiel mit einem Pass aus dem Zentrum auf den rechten Flügel, Ridle Baku marschierte und bediente den vor dem Strafraum stehenden Wirtz, der Sven Botman aussteigen ließ und mit rechts flach ins linke Eck abzog. Kuntz schien selbst kaum zu glauben, wie gut sein Plan, dem Mitfavoriten mit drei Stürmern zu begegnen, derweil sein Kollege Erwin van de Looi diesmal zurückhaltender aufgestellt hatte, aufging. Sein verwundertes Lächeln jedenfalls versuchte er vergeblich hinter einer Hand zu verbergen.
Seine Mannschaft setzte dem Gegner weiter zu. Giftig im Zweikampfverhalten, eifrig im Kampf um die zweiten Bälle. Mit einer gelungenen Mischung aus Ballsicherung, gerne auch mit Rückpässen auf den Mainzer Finn Dahmen im Tor, aber immer wieder mit schnellen, gefährlichen Aktionen in die Spitze. Zentimeter fehlten zum dritten Treffer, als Mergim Berisha einen selbst herausgeholten Freistoß aus 22 Metern Torentfernung ans linke Lattenkreuz setzte (20.) – es sollte nicht der letzte Aluminiumtreffer des Stürmers von RB Salzburg bleiben: Nach einer Stunde schloss er einen feinen Spielzug aus 15 Metern mit einem Schuss an den linken Pfosten ab, die Deutschen blieben in Ballbesitz, doch nach der folgenden Flanke traf Berisha per Kopf den rechten Pfosten.
Finn-Dahmen-Sprechchöre
In der vom DFB-Team klar dominierten ersten Halbzeit kamen die Niederländer in der 22. Minute zu ihrer ersten Torchance – und zwar einer großen. Doch der freigespielte Justin Kluivert, der frei vor Dahmen zum Abschluss kam, vermochte den immer wieder mit Finn-Dahmen-Sprechchören angefeuerten Keeper nicht zu überwinden. Kurz vor der Pause musste der Torhüter noch einen Distanzschuss von Myron Boadu halten, ansonsten genügte es ihm im ersten Durchgang, aufmerksam mitzuspielen und den einen oder anderen Ball sicher abzufangen.
Nach dem Seitenwechsel erhöhten die Niederländer zwar zunächst den Druck und agierten zielstrebiger nach vorne. Der Anschlusstreffer gegen die bis dahin gut formierte deutsche Abwehr gelang ihnen aber erst, als Kuntz‘ Mannschaft das Geschehen wieder in den Griff bekommen und Berisha seine Doppelchance vergeben hatte. Jetzt war der Stürmer beim Gegentor involviert: Er verlängerte eine Flanke von der rechten niederländischen Angriffsseite beim Klärungsversuch auf den zweiten Pfosten, wo Perr Schuurs abzog. Durch die Beine eines Verteidigers, dennoch erschien der Ball haltbar (67.).
Im Finale gegen Portugal
In der nächsten brenzligen Szene aber war der 05er wieder Herr der Lage, als er Boadu nach einem Pass in den Strafraum hätte abschließen können: Etwa auf Höhe des Elfmeterpunkts tauchte der aus dem Tor geeilte Dahmen ab und schnappte sich die Kugel (81.).
Stefan Kuntz sorgte mit seinen Einwechslungen, darunter 05-Angreifer Jonathan Burkardt für Wirtz, für neuen Schwung und mehr Entlastung. Seine Elf überstand auch die hitzige Schlussphase inklusive der vierminütigen Nachspielzeit und bescherte ihm den dritten Finaleinzug bei seiner dritten Endrundenteilnahme. Gegner am Sonntagabend ist Portugal, das sich mit 1:0 gegen Spanien durchgesetzt hatte.