Lange in den Wehen gelegen
Wiesbaden. In der 113. Minute wurde es eine runde Geschichte: Jonathan Burkardt, der den FSV Mainz 05 erstmals in einem Pflichtspiel aufs Feld geführt hatte, führte die Mannschaft auch zum Sieg. Mit seinem Treffer zum 2:1 im DFB-Pokalspiel beim SV Wehen Wiesbaden erlöste er den in der Verlängerung Dauerdruck ausübenden Bundesligisten. Sieben Minuten und eine Robin-Zentner-Parade (bei einem Distanzschuss von Nick Bätzner) später sorgte Nadiem Amiri für den 3:1-Endstand.
„Vor der eigenen Fankurve das Tor zu machen, war für mich ein sehr schöner Moment“, sagte Burkardt später im „Sky“-Interview mit Britta Hofmann in der Brita-Arena. „Ich hätte das Spiel gerne früher entschieden, aber Wehen hat es uns sehr schwer gemacht.“
So schwer, dass die Mainzer lange Zeit einem Rückstand hinterherliefen. Nach einer knappen Viertelstunde, in der sie ein gutes, schnelles Kombinationsspiel aufzogen, schöne Pässe in die Tiefe spielten und Kaishu Sano im Eins-gegen-eins an Torwart Florian Stritzel sowie Burkardt am sich seinem Schuss in den Weg werfenden Florian Carstens scheiterten, fiel der längst in der Luft liegende Treffer auf der anderen Seite.
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Etwas leichfertig geworden
Die Gastgeber konterten, die 05er verpassten drei Gelegenheiten, den wild in den Strafraum geschossenen Ball zu klären – dann stellte Tarik Gözüsirin den Spielverlauf auf den Kopf. „Wir haben und am Anfangs schwergetan mit dem vielen Ballbesitz und dem Raum, den der Gegner uns gelassen hat. Dadurch sind wir etwas leichtfertig geworden“, nannte der neue Mainzer Sportdirektor einen möglichen Grund für die defensive Nachlässigkeit.
Der Rückstand zeigte Wirkung. Von zwei, drei im Ansatz gelungenen Angriffen abgesehen, verloren die Mainzer ihre Linie, nach vorne passte nichts mehr zusammen, stattdessen mussten sie sich der Angriffe des eine Überraschung witternden Drittligisten erwehren. Ein paar Ballverluste wenige hätten das Unterfangen erleichtert, mit der robust-rustikalen Zweikampfführung der Gastgeber kamen sie jedoch nicht gut zurecht.
„Unsere Laufwege haben nicht mehr so gepasst, die Bälle von hinten kamen nicht mehr an“, hielt Dominik Kohr fest. Daran änderte sich auch nach der Trinkpause nichts, in der Bo Henriksen die große Taktiktafel auspackte. „Erst nach dem Seitenwechsel sind wir wieder besser ins Spiel gekommen“, sagte Innenverteidiger Kohr.
Zentner verhindert zweites Gegentor
Nicht mit einem 0:2 in den zweiten Durchgang zu gehen, verdankten die Mainzer ihrem Schlussmann. Zentner holte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit einen wuchtigen Kopfball von Moritz Flotho mit einer spektakulären Parade aus der rechten unteren Ecke. „Ich weiß nicht, wie Robin den gehalten hat“, kommentierte SVWW-Innenverteidiger Sascha Mockenhaupt die Aktion voller Anerkennung.
Sein Trainer Nils Döring, einst in der Jugend und der Zweiten Mannschaft der 05er aktiv („Aber ich bin ein Wiesbadener Junge“) haderte mit dem „fehlenden Matchglück, dass der Underdog braucht“.
Schwer zu sagen, wie es weitergegangen wäre, hätte Zentner die Kugel nicht mehr erwischt. So benötigten die Mainzer nur ein Tor, um zumindest die Verlängerung zu erzwingen – und das erzielte einer, den man dafür nicht unbedingt auf der Rechnung haben musste: Dominik Kohr, der nach getaner Arbeit als „Man of the Match“ ausgezeichnet wurde, leitete die Szene mit einem Ballgewinn nahe dem Wehener Strafraum ein, über Burkardt und Jae-sung Lee kam die Kugel zu ihm zurück, und aus halbrechte Position zog er in die lange Ecke ab.
Bell triff den Pfosten
„Ich war auf einmal vorne, das Pressing hat super geklappt, und der Torwart war wahrscheinlich ein bisschen überrascht, dass ich den Ball so erwischt habe“, schilderte er die Szene und erklärte seine Jubelgeste, zwei Zeigefinger und den Blick gen Himmel gerichtet: Sie galt seinem vorige Woche verstorbenen Schwiegervater.
Ein Konter über den eingewechselten Karim Oniswo und Amiri hätte es den Mainzern ersparen können, eine zusätzliche halbe Stunde in den Wehen zu liegen, sie brachten ihn jedoch nicht sauber zu Ende (87.). In der Verlängerung traf der für Maxim Leitsch gekommene Stefan Bell nach einer Amiri-Ecke per Kopf den Pfosten (101.).
Aus 17 Metern eingeschoben
Einem überraschend gefährlichen Angriff der leidenschaftlich kämpfenden, aber zusehends auf Reserve laufenden Hessen, den Andreas Hanche-Olsen gegen Jonjic so klärte, dass Zentner sich erneut strecken musste, folgte die Vorentscheidung. Sano spielte einen langen Ball auf den rechten Flügel, Carstens blieb Zweikampfsieger gegen Onisiwo, legte den Ball aber unfreiwillig für Burkardt auf, der aus 17 Metern einschob.
„Das war ein hartes Stück Arbeit, aber wir haben nichts anderes erwartet“, resümierte Niko Bungert und bescheinigte der Mannschaft eine „sehr reife Leistung. In der Halbzeit hat die Mannschaft vom Trainer einen sehr guten Input bekommen und am Ende sehr viel Durchsetzungsvermögen, bewiesen.“