Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 03.08.2024

„Nicht wieder warten bis kurz vor knapp“

NEUES AUS HOPFGARTEN (6) | Phillipp Mwene spricht im Trainingslager des FSV Mainz 05 über die österreichische Nationalmannschaft, vergleicht Bo Henriksen mit Ralf Rangnick, freut sich über Kaishu Sano, bedauert die Entwicklung im Fall El Ghazi und wünscht sich internen Konkurrenzkampf.
Nach dem späten Einstieg in die Vorbereitung reicht Phillipp Mwenes Kraft noch nicht für ein komplettes Spiel. Aber das wird nur eine Frage der Zeit sein.
Nach dem späten Einstieg in die Vorbereitung reicht Phillipp Mwenes Kraft noch nicht für ein komplettes Spiel. Aber das wird nur eine Frage der Zeit sein. | Eva Willwacher

Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05

berichtet Peter H. Eisenhuth.

 

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Hopfgarten. Vor diese Wahl gestellt, fiel es Phillipp Mwene nicht schwer, sich zu entscheiden. Ob er lieber trainieren oder spielen wolle, hatte Athletiktrainer Sven Herzog ihn am Freitag vor dem Test des FSV Mainz 05 gegen Holstein Kiel gefragt. Selbstverständlich bevorzugte der 30-Jährige das Spiel; wenn seine Werte nach dem späten Eintritt in die Saisonvorbereitung diese Option bereits hergaben, wollte er sie auch nutzen.

„Nach 15 Minuten habe ich mal kurz auf die Uhr geschaut und ein bisschen gehechelt“, erzählt Mwene am Tag danach im Mannschaftshotel währ end des Trainingslagers im österreichischen Hopfgarten. „Aber danach ging es wieder.“ Der Außenverteidiger hielt bis zum Schluss des dritten Viertels durch, 45 Minuten lang.

Rund dreieinhalb Wochen dauerte die Pause, die Mwene nach der Fußball-Europameisterschaft eingelegt hat. Die seien auch nötig gewesen. „Nach dem emotionalen Saisonfinale ging es ja direkt weiter zur Nationalmannschaft“, sagt er, und die EM verlief für das österreichische Nationalteam ebenfalls hochspannend, das Aus im Achtelfinale gegen die Türkei kam dramatisch und unglücklich zustande.

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Rangnicks klares Konzept

„Wir waren alle sehr enttäuscht, dass es plötzlich vorbei war“, erzählt Mwene. „Man kann nie davon ausgehen weiterzukommen, aber wir hatten uns nach der sehr guten Gruppenphase auch in der K.o.-Runde sehr gute Chancen ausgerechnet. Aber wie der Fußball ist: Gegen die Türken lagen wir nach 15 Sekunden zurück, und dann wurde es schwierig.“ Das 0:2 nach einer Stunde hätte angesichts der Überlegenheit des ÖFB-Teams noch nicht vorentscheidend sein müssen, doch mehr als der späte Anschlusstreffer durch Michael Gregoritsch gelang ihm nicht mehr.“

Trotzdem sei die EM ein tolles Erlebnis gewesen, und dass die Österreicher sich so stark präsentierten, führt der Mainzer Profi insbesondere auf den deutschen Trainer zurück. Ralf Rangnick habe der Mannschaft etwas vermittelt, was seinen Vorgängern nicht gelungen war: „Er hat uns ein ganz klares Konzept vorgegeben, mit Pressing und Gegenpressing. Er hat die Fähigkeit, eine solche Kultur aufzubauen und alle Spieler in die Richtung zu lenken.“

Rangnick habe seinen Trainerstab, zu dem der ehemalige Mainzer-U-23-Spieler und spätere Kotrainer Martin Schmidts in der Bundesliga gehört, mitgebracht und die Aufgaben klar verteilt: „Er hat einen Trainer für die Offensive, einen für die Defensive und einen für die Standards“, berichtet Mwene. Alle Aspekte eines Spiels seien durchdekliniert, „du weißt in jeder Situation, was zu tun ist“.

 

               „Dann läuft man für den Trainer mit“

 

Und Rangnick selbst sei nicht nur der Kopf, der alles überblickt, sondern hole die einzelnen Akteure auch auf der menschlichen Ebene ab. „Dann läuft man für den Trainer mit.“ Dazu trug obendrein die Entscheidung des Schwaben bei, den wenige Wochen vor der EM publik gewordenen Avancen des FC Bayern München zu widerstehen und sich für die österreichische Nationalelf zu entscheiden. „Das“, sagt Mwene, „hat uns zusätzliches Selbstvertrauen gegeben und uns als Mannschaft zusammengeschweißt.“

Aus seiner Erfahrung heraus könne er sagen: Die wichtigste Eigenschaft, die ein Trainer mitbringen müsse, sei es, alle ins selbe Boot zu holen. „Egal, ob du Fußball spielen willst oder den Ball nach vorne haust – es kommt darauf an, dass alle dasselbe wollen.“

Genau das sei in Mainz Bo Henriksen gelungen, und zwar sehr schnell, nachdem er den abstiegsbedrohten Bundesligisten an Rosenmontag übernommen hatte. „Bevor er kam, haben wir uns ein bisschen danach gesehnt, einen an der Spitze zu haben, der uns führt und bei dem alle bereit sind, seinen Weg mitzugehen.“ Der Däne habe auf Anhieb die richtigen Worte gefunden, „dass wir es über harte Arbeit und Zusammenhalt schaffen können, in der Liga zu bleiben“. Daran hätten sich zuvor Zweifel eingeschlichen, weil: „Egal, was wir gemacht haben, wir haben kein Spiel gewonnen“.

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Unerwartete Wende

Unter Henriksen weckte jedoch selbst das 1:8 bei den Bayern keine neuen Zweifel. „Das hätte uns brechen können, aber der Trainer hat sofort gesagt, München sei nicht unser Gradmesser, wir sollten das Spiel schnell abhaken. Es war dann auch nie wieder Thema.“

Sehr wohl ein Thema, das viel Unruhe ins Team gebracht habe, waren die Geschehnisse um einen Mitspieler, den er bereits aus der gemeinsamen Zeit bei der PSV Eindhoven kannte: Anwar El Ghazi. Als der im September an den Bruchweg kam, habe er gefreut; der Stürmer galt als einer, der den Mainzer eine echte Hilfe sein könne. „Dass es nach ein paar Wochen eine solche Wende nimmt, hätte ich nicht für möglich gehalten.“

Der Verein hatte den Niederländer bekanntlich nach israelfeindlichen Äußerungen auf Instagram zunächst suspendiert, dann wiederaufgenommen und schließlich gekündigt. Über die Rechtmäßigkeit des Rauswurfs liegen beide Parteien noch im Rechtsstreit, inzwischen spielt die Sache innerhalb der Mannschaft keine Rolle mehr.

Froh über Sanos Ankunft

„Jeder muss für sich selbst abschätzen, welche Meinung er zu gewissen Themen hat und was er in den sozialen Medien teilt“, sagt Mwene. Dennoch bedauere er es, dass El Ghazi nicht mehr zum Kader gehöre. „Ich wünsche ihm alles Gute bei seinem neuen Verein, weil ich glaube, dass er trotz allem eigentlich ein feiner Kerl ist.“

Jetzt freue er sich, „dass unser japanischer Freund dabei ist, der uns sicher auf dem Fußballplatz weiterhelfen wird, auch wenn die Kommunikation erst mal schwierig ist“. Als er von Kaishu Sanos Verpflichtung gehört habe, informierte er sich beim heutigen Freiburger Doan Ritsu, mit dem ebenfalls in Eindhoven kickte. Was der ihm berichtete: „ein Qualitätsspieler, ein schüchterner Typ, den ich gut aufnehmen soll. Ich hab‘ dann mal ,hallo‘ gesagt.“

Über Verstärkungen im Kader freue er sich immer, versichert Mwene, auch wenn die ihm die Position streitig machen könnten – wie jetzt Paul Nebel, den Henriksen überraschend, aber vielversprechend als linken Außenverteidiger testet. „Konkurrenzkampf ist immer gut. Ich habe lieber zwei Konkurrenten als alleine zu sein, weil ich mich dann selbst pusche und bessere Leistungen zeigen kann.“

Schon früh beide Beine trainiert

In Mwene, Anthony Caci, Silvan Widmer, Danny da Costa, Neuzugang Nikolas Veratschnig und gegebenenfalls Nebel kommt momentan ein halbes Dutzend Spieler für die beiden Außenbahnen infrage. Bo Henriksen freut sich über die Auswahl, die ihn flexibler agieren lässt, als Spieler nimmt man den Platz, den der Trainer einem zuweist. Dürfte Mwene sich seine Rolle aussuchen, entschiede er sich, wenngleich gelernter Rechtsfuß, für die linke Bahn.

„Ich spiele dort schon so lange, auch in der Nationalmannschaft, dass es meine beste Position ist“, erläutert er. Von dort eröffne sich die Option, nach innen zu ziehen und zum Abschluss zu kommen. Auf der rechten Seite hingegen sei er stärker an die Linie gebunden. Bei den Flanken mache es im Übrigen keinen Unterschied mehr aus, mit welchem Bein er sie schlage. „Schon in der Jugend beim VfB Stuttgart habe ich beide Beine trainiert.“

Was sich Phillipp Mwene für die neue Saison wünscht? Zunächst einen guten Einstieg in Pokal und Meisterschaft – „und dass wir den Flow der letzten 13 Spiele der vorigen Runde mitnehme und nicht warten, „bis es wieder kurz vor knapp ist“.

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