Regen, Sturm und Nebel
Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05
berichtet Peter H. Eisenhuth.
Schwaz. Irgendetwas wird der Fußballgott sich schon dabei gedacht haben, seinen Sport als ein Spiel über 2x45 Minuten zu konzipieren. Und wer dann meint er, müsste daraus eine Veranstaltung über 3x45 Minuten machen, den straft er mit sintflutartigem Regen, Windböen, Blitz und Donner. So geschehen am Freitagabend in der Silberstadt-Arena in Schwaz, wo der FSV Mainz 05 während seines Trainingslagers in Tirol ein Testspiel gegen Holstein Kiel austrug – und wo es mit Beginn des dritten Drittels nicht nur auf dem Platz, sondern auch auf der überdachten Tribüne ungemütlich wurde.
Mit 2:0 setzten sich die Rheinhessen gegen den Bundesligaaufsteiger durch, und nicht nur deshalb fand Bo Henriksen die Partie besser als das Wetter. „Die erste Halbzeit war gut“, sagte der Trainer und meinte wohl den ersten der drei Durchgänge. Mit dem hohen Pressing habe seine Mannschaft zunächst „gegen einen starken Gegner, den ersten Erstligisten in der Vorbereitung“ einige Probleme gehabt, diese nach 20, 25 Minuten jedoch abgestellt und die Kieler dominiert.
Von außen betrachtet, wäre mit Ball etwas mehr Tempo wünschenswert gewesen, um die in dieser Phase gewollt oder ungewollt sehr tief, aber kompakt stehenden Gegner auseinanderzureißen. Henriksen hingegen war das nebensächlich. Sein Fokus lag auf dem Defensivverhalten, auch dem in der gegnerischen Hälfte. „Mir ist wichtig, dass wir alles als Mannschaft zusammen machen“, sagte er. „Machen wir es nicht, haben wir Probleme mit dem hohen Pressing.“
Ballgewinne nicht konsequent genutzt
Aus ihren Balleroberungen hätten die Mainzer freilich mehr Kapital schlagen können. Außer Jonathan Burkardts frühem 1:0 aber kamen sie kaum zu gefährlichen Abschlüssen. Dominik Kohr zielte aus 16 Metern knapp übers Tor (15.), Armindo Sieb zog nach einer Ballstafette im Strafraum aus spitzem Winkel aufs lange Eck, Keeper Timon Weiner parierte stark (16.). Und nach einem Kieler Fehlpass vor dem eigenen Sechzehner bot sich Nadiem Amiri eine freie Schussbahn, der Sechser entschied sich jedoch für einen Pass in die Box, die Kieler klärten (27.).
Nach dem ersten Seitenwechsel kam der KSV stärker auf und jetzt nicht nur zu eigenen Offensivaktionen, sondern in diesem Drittel zu besseren Torchancen als die 05er. Einem Treffer am nächsten kamen sie nach einer gelupften Ecke des ehemaligen „Bruchweg Boys“ Lewis Holtby, Timo Becker köpfte den Ball auf die Latte (48.).
Erst gegen Ende dieses eher vor sich hin mäandernden Durchgangs, als nur noch Paul Nebel und Dominik Kohr aus der Mainzer Anfangself auf dem Feld standen, hätte in drei Szenen das 2:0 fallen können. Zunächst legte Nebel nach einem Dribbling zurück auf Daniel Gleiber, in dessen Schuss aus zehn Metern sich ein Verteidiger warf. Dann scheiterte Ayman Barkok flach am in die lange Ecke fliegenden Weiner. Und nach filigraner Vorarbeit Gleibers drosch Barkok den Ball unter die Latte, der Keeper rettete spektakulär.
Leitsch als Leader
Während die Mainzer Flanken über die gesamten 135 Minuten von mäßiger Qualität waren, führte ein Eckball zum zweiten Treffer: Phillipp Mwene brachte die Kugel hoch vors Tor, Stefan Bell köpfte sie perfekt neben dem Pfosten ins Netz (102.). Der Rest wurde zu einer Wasserschlacht, die Gleiber und Nikolas Veratschnig mit einer Doppelchance beendeten.
Zu jenen Akteuren, die den Test nutzten, um Werbung in eigener Sache zu machen, gehörte Maxim Leitsch. Von Henriksen in der ersten Elf als zentraler Innenverteidiger aufgestellt, agierte der 27-Jährige sehr umsichtig, sehr sicher. „Super“, lobte Henriksen, „er war aggressiv, kopfballstark und ein sehr guter Leader in der Dreierkette“.
Dabei dürfe man nicht vergessen, dass Leitsch schon lange nicht mehr gespielt habe – nach seinem Wechsel aus Bochum an den Bruchweg kam der Defensivspieler krankheits- und verletzungsbedingt in zwei Saison auf nur 16 Einsätze, richtig gefordert war er zuletzt Mitte November. Ob Leitsch solche Leistungen konstant abrufen kann? „In zehn Tagen spielen wir gegen Montpellier, dann sehen wir wie es läuft.“
„Was für eine Performance“
Apropos läuft: Für Paul Nebel läuft es derzeit rund. Als potenzieller Zehner nach zwei Jahren in Karlsruhe zurückgekommen und im vorherigen Test gegen Preußen Münster auf drei Positionen gefordert, überzeugte das Mainzer Eigengewächs am Freitag 90 Minuten lang auf der linken Außenbahn. „Das war außergewöhnlich“, schwärmte der Trainer von dem 21-Jährigen. „Was für eine Performance, was für ein Spieler.“
In der Tat schickt Nebel sich an, zum echten Herausforderer für Anthony Caci und Phillipp Mwene in der für ihn ungewohnten Außenverteidigerrolle zu werden. „Er muss noch ein bisschen besser verteidigen, aber das ist klar, er ist ja ein Halbraumspieler“, sagte Henriksen. „Aber er läuft und kämpft und kann auch Fußball spielen.“ Welche Kieler es auch immer mit ihm zu tun hatten, ihnen dürfte angesichts der zahlreichen Haken und Drehungen, die Nebel geschlagen und vollführt hatte, ein wenig schwindlig geworden sein.
„Ich kann das spielen“, sagte er hinterher. Bei seiner Rückkehr an den Bruchweg sei er nicht auf eine bestimmte Position fixiert gewesen. „Zehner wäre schön, aber da haben wir super Jungs. Mein Ziel ist es, so viel wie möglich zu spielen.“ Auch wenn er sich defensiv noch etwas verbessern müsse, liege ihm der Part auf der linken Seite im 3-4-2-1, „weil ich die gesamte Schiene bearbeite. In der Jugend habe ich auch schon außen gespielt“. Und sollte Henriksen ihn am ersten Bundeligaspieltag als linken Verteidiger aufbieten: Paul Nebel wäre bereit.