„Wir müssen eine Einheit werden“
Mainz. Die Situation war neu für Kevin Stöger, und er wolle sie auf keinen Fall ein zweites Mal erleben. Gleichwohl war es auch ein selbstgewähltes Schicksal, das den vermutlich letzten Neuzugang des FSV Mainz 05 in diesem Jahr mehr als drei Monate lang arbeitslos hatte werden lassen. Zwar hatte sein bisheriger Arbeitgeber, Fortuna Düsseldorf, im Laufe der Saison Gespräche über eine Vertragsverlängerung angeboten, doch der drohende Abstieg hielt Stöger davon ab.
„Für mich kam die Zweite Liga nicht wirklich infrage“, sagte er am Freitagmittag in seiner ersten digitalen Pressekonferenz als 05er. Im Unterhaus hatte er zuvor für den 1.FC Kaiserslautern, den SC Paderborn und den VfL Bochum gespielt; nach zwei Düsseldorfer Jahren in der Ersten Liga dorthin zurückzukehren, stellte für ihn keine Option dar. „Das haben wir auch klipp und klar angesprochen, dass die Erste Liga für mich sehr wichtig ist, deshalb ist das Thema auch schnell verflacht“, sagt er. „Nach der Saison gab es keinen Kontakt, weil der Verein wusste, dass ich nicht mitgehen wollte.“
Dass es zuletzt Versuche der Fortuna gegeben haben soll, ihn zurückzuholen, dass auch Werder Bremen an ihm interessiert gewesen sei, bestätigt Stöger weder, noch dementiert er es. „Natürlich gab es auch andere Vereine, aber man darf nicht immer glauben, was im Internet steht“, sagt er dazu nur.
Gefühlslage änderte sich
Nach Saisonende sei er, was seine berufliche Zukunft anging, zunächst relativ entspannt gewesen. „Ich wusste, dass ich erst mal zwei, drei Wochen brauchen würde, um den Abstieg zu verdauen. Ich hatte vom Fußball abgeschaltet und auch wenig mit Vereinen gesprochen.“ Die Lockerheit aber war nicht von Dauer. Mit der ersten DFB-Pokalrunde eine Woche vor dem Auftakt der Bundesligasaison, änderte sich die Gefühlslage – „da bin ich erstmals unentspannt geworden“.
Einen Vorteil immerhin brachte die Vereinslosigkeit mit sich: Stöger konnte darauf hoffen, auch nach dem Ende der Transferperiode noch vernünftig unterzukommen. Und dass er ablösefrei zu haben war, erhöhte die Wahrscheinlichkeit.
Warum es dann am Mittwoch die 05er wurden, erklärt er unter anderem mit dem vielzitierten „nächsten Schritt“, den er dort machen könne. Die chaotischen Tage mit Spielerstreik und Trainerentlassung entfalteten keine abschreckende Wirkung. „Klar, hier war einiges los, aber man weiß, dass in Mainz seit Jahren sehr gute Arbeit gemacht wird“, sagt der 27-Jährige. Mit den Querelen in seinem neuen Verein habe er sich nicht weiter befasst, er wolle nicht mit negativen Gedanken an die Aufgabe herangehen.
„Ich habe in meiner Laufbahn auch schon viel erlebt, aber wir Profis müssen so etwas schnell abhaken“, sagt er. Auf Nachfragen bei den Kollegen werde er verzichten – „ich will kein Fass aufmachen“.
Suboptimaler erster Eindruck
Der erste Eindruck, den er von seiner neuen Mannschaft bekam, war ein suboptimaler. 2:4 im Testspiel gegen Zweitligaschlusslicht Karlsruher SC, das ist selbst unter Berücksichtigung der zahlreichen auf Länderspielreise befindlichen Nationalspieler nichts, was sich als irgendwie ordentlich verkaufen ließe. Der Formulierung, die 05er seien auseinandergenommen worden, widerspricht er allerdings. Vier Gegentore seien selbstverständlich zu viel, „aber sie sind nach individuellen Fehlern und einem Standard gefallen. Das darf uns nicht passieren, aber ich würde es auch nicht zu hochhängen. Ich habe auch gute Dinge gesehen, zum Beispiel, dass wir uns viele Chancen erarbeitet hatten“.
Für ihn kam die Begegnung noch zu früh. Nachdem er sich in der vertragslosen Zeit mit sehr viel Laufen, aber auch mit einem Trainer fitgehalten habe („Intensiv, aber das ist nun mal kein Mannschaftstraining“), sei er jetzt bei 60 oder 70 Prozent Fitness. Bei einem anderen Klub zwecks Teilnahme am Trainingsbetrieb vorstellig zu werden, wollte er nicht. „Das Verletzungsrisiko wäre zu hoch gewesen“ – und schlimmer, als sich in dieser Saison tatsächlich zu verletzen, hätte es kaum kommen können.
Mit Ball am Fuß sei er schon jetzt auf gutem Niveau, sagt der Österreicher, und das ist mehr, als die meisten seiner neuen Mitspieler in den vergangenen Wochen von sich behaupten konnten. Seine Fähigkeiten einsetzen will er am liebsten im Zentrum. „Ob offensiv oder defensiv ist ziemlich egal. In dem System, das wir spielen, kann ich das Bindeglied zwischen Offensive und Defensive sein.“
Mit Mwene im VfB-Internat
Nichts schaden kann die Erfahrung, die Stöger im Nichtabstiegskampf mitbringt. Im ersten Jahr nach dem Aufstieg habe Fortuna Düsseldorf als direkter Abstiegskandidat gegolten. Die Klasse gehalten habe das Team mit Trainer Friedhelm Funkel dank seiner mannschaftlichen Geschlossenheit. Die sei jetzt auch in Mainz gefragt. „Wir müssen eine Einheit werden, unsere Qualität ist definitiv größer als vor zwei Jahren in Düsseldorf.“
Mit Stöger verfügen die 05er jetzt über ein österreichisches Trio, und mit seinen Landsleuten hatte der Neuzugang früher schon Kontakt. Phillipp Mwene kenne er aus gemeinsamen Stuttgarter Tagen, als sie beide im Internat des VfB wohnten und trainierten. „Mit ihm habe ich beim letzten Mal auch das Trikot getauscht.“
Und Karim Onisiwo kennt Stöger aus der Nationalmannschaft. „Er hatte mir auch geschrieben, ob Rouven Schröder sich schon gemeldet hat“, erzählt der neue Mann. Wohlgemerkt, nachdem es einen ersten Kontakt zwischen ihm und dem Mainzer Sportvorstand gegeben hatte – „ich wusste vom Mainzer Interesse auf jeden Fall vor Karim“.
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