Passender Abschluss einer unwürdigen Woche
Mainz. Nicht immer kommt das, was einer sagt, beim Adressaten so an, wie es der Absender (vermutlich) gemeint hat. Achim Beierlorzers Sätze nach dem samstäglichen Heimspiel des FSV Mainz 05 gegen den VfB Stuttgart zum Beispiel, die da lauteten: „Wir wissen, dass wir nach dieser Woche Gegenwind kriegen. Dem müssen wir uns stellen.“
Der Trainer sprach wohl von Kritik an der desaströsen Leistung seiner Mannschaft gegen den Aufsteiger, die es aufzuarbeiten gelte und der eine gute Trainingswoche im Hinblick auf das Spiel am nächsten Freitag bei Union Berlin folgen müsse. Zumindest ein Großteil der Journalisten neigte zu einer anderen Interpretation: Dem Gegenwind dürfte vor allem der Coach selbst ausgesetzt sein – und es gibt berechtigte Zweifel daran, dass er am dritten Spieltag noch immer im Amt sein wird.
Neun Minuten und 45 Sekunden waren am Samstag gespielt, als die ersten Fans ihrem Unmut Luft machten. Gerade hatte Moussa Niakhaté seinen zweiten Fehlpass gespielt, einen abenteuerlichen obendrein, indem er den Ball aus der Vorwärtsbewegung von der linken Seite nach hinten schlug – ins rechte Seitenaus. Dass der Innenverteidiger dafür die ersten Pfiffe kassierte, lag wohl auch am Gesamtbild, das seine Mannschaft bis dahin abgegeben hatte, das sich über weite Strecken der Partie verfestigte. Und das seinen Niederschlag in einem 1:4 (1:1)-Debakel und deutlich heftigeren Fanreaktionen fand.
„Nicht sehr druckresistent“
Aber, das muss man sagen, dieses Spiel in der Arena am Europakreisel war der passende Abschluss einer unwürdigen Woche am Bruchweg, die ihren Anfang in Ádám Szalais Suspendierung und dem folgenden Spielerstreik genommen und ihre Fortsetzung in einer absurden Pressekonferenz von Sportvorstand Rouven Schröder und Beierlorzer gefunden hatte. In der Gesamtbetrachtung dieser Niederlage mit der vor einer Woche bei RB Leipzig und dem gestörten Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer scheint kaum vorstellbar, dass der Verein wie bisher weitermachen wird.
„Wir haben kein gutes Spiel gemacht und verdient verloren“, sagte Beierlorzer. „Stuttgart hat sehr hoch gepresst, uns immer wieder unter Druck gesetzt. Und wir waren leider nicht sehr druckresistent.“ In der Tat kamen die Mainzer weder mit dem Pressing der Schwaben zurecht noch mit deren Tempo, dem Schwung des Aufsteigers hatten sie frappierend wenig entgegenzusetzen. Orel Mangalas Hereingabe von der Grundlinie, die Daniel Brosinski wegschlug, war die erste von allein vier gefährlichen Strafraumszenen innerhalb der ersten fünf Minuten, den Kopfball des kleinen Japaners Wataru Endu nach der folgenden Ecke griff sich Robin Zentner.
Im schwachen Passspiel standen sich die beiden Kontrahenten die meiste Zeit in nichts nach, bisweilen wechselte der Ballbesitz im Mittelfeld nach jeweils einem Kontakt. Gravierender Unterschied: Der VfB brachte deutlich mehr Angriffe zu Ende. Und das erfolgreich.
Überraschende Führung, später Ausgleich
Die Mainzer Führung fiel völlig überraschend. Bis dahin hatte Beierlorzers Elf offensiv keine Rolle gespielt, mit Niakhatés Vorstoß über die linke Seite in der 13. Minute änderte sich das. Seine Flanke wehrten die Stuttgarter zwar ab, doch über Robin Quaison und Ridle Baku kam der Ball zu Jean-Paul Boëtius, dessen butterweiche hohe Hereingabe Jean-Philippe Mateta am langen Pfosten per Kopf ins Zentrum querlegte, und der heranstürmende Quaison wuchtete den Ball mit der Stirn ins Netz.
Danach standen die 05er defensiv eine Weile besser, vielleicht auch, weil die Gäste sich vom Rückstand erst mal erholen mussten. Etwa ab der 35. Minute jedoch drängte der VfB auf den Ausgleich; dass dieser unmittelbar vor der Pause fiel, war „ein blöder Zeitpunkt“ (Beierlorzer), aber nichtsdestotrotz hochverdient.
Ausgangspunkt dieses 1:1 war Mateta, der mit einer schlechten Ballannahme in der gegnerischen Hälfte einen Konter ermöglichte. Der bis zum Mittelkreis vorgerückte Jeremiah St. Juste ließ sich zunächst von Gonzalez Castro überlaufen und anschließend die Gelegenheit zu einem taktischen Foul verstreichen. Dessen Diagonalpass in den Strafraum beförderte Silas Wamangituka mit dem ersten Kontakt flach ins lange linke Eck. Mit dem Pausenstand waren die 05er gut bedient.
Niakhaté fliegt vom Platz
Im zweiten Durchgang gelang ihnen schlicht zu wenig, um eine Niederlage abzuwenden. Zudem machten sie den Gästen beim 1:2 nach einer guten Stunde allzu einfach: Endo passte auf der rechten Seite in die Tiefe, Sasa Kalajdzcic lief schräg auf Zentner zu und legte im richtigen Moment für Daniel Didavi quer.
Die Hoffnung, mit Levin Öztunali das Angriffsspiel zu beleben, währte nicht lange. Einen Antritt, eine Flanke und einen ordentlichen Abschluss verbuchte der Außenstürmer, doch spätestens die Gelb-Rote Karte gegen Niakhaté wenige Minuten später zementierte die Verhältnisse. „Die kam zur Unzeit“, stellte Beierlorzer fest.
Dass seine Mannschaft sich dennoch um eine Ergebniskorrektur bemühte, hatte in gewisser Weise Erfolg, freilich auf der falschen Seite: Zweimal konterte der VfB die 05er aus, Mateo Klimovicz (80.) und Kalajdzcic (86.) stellten den Endstand her. Die meisten der verblieben 3404 Fans tobten nach dem Abpfiff – und es steht zu vermuten, dass die unruhige Woche in die Verlängerung geht. Wie die für Achim Beierlorzer endet, ist offen.
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