Vater sammelte heimlich Artikel
Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es um einen Mombacher, der in Mainz, Portland und San Francisco stürmte, und um einen Verteidiger, der vorübergehend Marco Rose verdrängte.
4. September
Heute vor 113 Jahren kam Albert Zimmermann zur Welt. Unter den 05ern seiner Generation dürfte der Stürmer die interessanteste Karriere gehabt haben. Der 1907 im gerade erst eingemeindeten Arbeitervorort Mombach geborene Zimmermann sollte eigentlich gar nicht Fußball spielen – der Vater muss aber stolzer auf seinen Sohn gewesen sein, als er zugab: Zimmermann senior sammelte alle Zeitungsausschnitte, in denen Albert erwähnt wurde.
Er sammelte sie heimlich, aber sie haben den Krieg überstanden. Die Sammlung, mit der vor bald 90 Jahren die Karriere eines jungen Kickers dokumentiert wurde, existiert immer noch im Familienbesitz, daher wissen wir heute auch, dass der Stürmer – 48 Spiele, 25 Tore für die 05er – zu einem DFB-Lehrgang zur Vorbereitung aufs Olympische Fußballturnier von 1928 eingeladen war. Das wissen wir, weil Alberts Sohn sich vor rund fünf Jahren gemeldet hat, um den bis dahin falsch überlieferten Geburtstag seines Vaters zu korrigieren.
Sein Leben lang im Stadion
Und dank des Sohns wissen wir jetzt auch, warum Albert Zimmermann von 1929 an in keinem hiesigen Archiv mehr auftauchte: Der 21-Jährige war nämlich 1929 seinem Onkel in die USA gefolgt, spielte Fußball beim Deutschen Sport-Club Portland in Oregon und beim Teutonia Soccer Club in San Francisco. Sogar aus der Vorkriegs-Immigrantensportszene der Vereinigten Staaten geht also eine Verbindung nach Mainz auf.
Karriere machte Zimmermann auf beiden Kontinenten in der Autoindustrie, zurück in Deutschland dank seiner Englischkenntnisse als Verbindungsmann zwischen Opel und General Motors. Im Krieg landete Zimmermann als Inspektor des Kraftfahrzeugparks der 6. Armee in Stalingrad; ein Zufall rettete damals sein Leben: Als Spezialist gab der Ex-Stürmer zur rechten Zeit am rechten Ort (nämlich Rüsselsheim, weit weg von der Front) einen Lehrgang, und als der vorbei war, ging es schon nur noch darum, möglichst viele Soldaten irgendwie aus dem Kessel herauszuschaffen.
Jahre nach dem Krieg zog es Zimmermann noch einmal in die USA, wo er zuständig war für den Aufbau von VW-Werkstätten in den Südweststaaten und einige ehemalige Mitspieler aus dem Teutonia SC wieder traf. Den 05ern blieb Zimmermann nach der neuerlichen Rückkehr nach Deutschland sein Leben lang als Zuschauer im Stadion verbunden.
Ein in der Bundesliga letztlich gescheitertes, in der Regionalliga aber erfolgreiches Linksverteidigertalent wird 38 Jahre alt: Benjamin Weigelt übersprang 2004 eine Liga, als er vom Zweitligaaufsteiger Rot-Weiss Essen zu den 05ern wechselte. Im Laufe der Saison setzte er sich gegen den älteren, erfahreneren, defensiveren Marco Rose durch – und es war schön anzusehen, wie der 21-Jährige von Spiel zu Spiel mutiger, selbstsicherer wurde.
Während seiner zweiten Saison ließ Weigelt aber schon wieder nach, in der dritten war er nur noch Ergänzungsspieler. Auch bei den Zweitligisten Alemannia Aachen, 1. FC Kaiserslautern und FC St. Pauli kam Weigelt nicht zurecht. Beim SV Wehen fing er sich wieder, in Kassel und Oberhausen war er ein Leistungsträger. 2017 beendete er seine Karriere.
*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).
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