Déjà-vu auf dem Weg in den Urlaub
Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05
berichtet Peter H. Eisenhuth.
Marbella. Soll keiner sagen, die Geschichte wiederhole sich nicht. Niko Bungert jedenfalls weiß es besser. Auf dem Weg in den Urlaub nach Österreich war er mit seiner Familie, als der Anruf kam. „Ich habe zu meiner Frau gesagt: ,Es kann nur um den Trainerjob gehen‘“, erzählt der ehemalige Profi des FSV Mainz 05 im Pressegespräch während des Trainingslagers in Marbella. Denn, Déjà-vu: Als das Telefon klingelte, fuhr Bungert gerade an der Stelle vorbei, die er im August 2021 passierte, als sich Bo Svensson bei ihm meldete. Diesmal war es Jan Siewert. Mit einem ähnlichen Anliegen.
Beide wollten Bungert als Kotrainer gewinnen. Mit dem Unterschied, dass es Svensson um ein auf wenige Tage befristetes Engagement ging, Siewert hingegen bis Saisonende plante. Seinerzeit befanden sich wegen eines Coronaausbruchs im Team nicht nur zwölf Spieler, sondern auch Svenssons Assistenten in Quarantäne.
„Ich bin dann am nächsten Tag von Salzburg nach Frankfurt geflogen und war eine Woche lang um den ersten Spieltag herum, an dem auch wieder Zuschauer ins Stadion durften, dabei“, erinnert Bungert an den Saisonauftakt gegen RB Leipzig, der mit einem leidenschaftlich erkämpften 1:0-Sieg in die Geschichtsbücher des Klubs einging. „Diesmal musste ich zum Glück nicht aus dem Urlaub abreisen, weil ein paar freie Tage angesetzt waren. Aber direkt danach ging es los.“
Tür an Tür mit Siewert
Für Bungert ging es bereits das dritte Mal in dieser Funktion los, erstmals hatte er das Kotraineramt von Mitte November 2019 bis Ende Mai 2020 unter Achim Beierlorzer ausgeübt. Seine Erfahrung als Spieler, Assistent und insbesondere mit Abstiegskämpfen gaben den Ausschlag dafür, ihn neben dem bisherigen U-17-Trainer Sören Hartung* zu den Profis hochzuziehen.
Und: „Jan und ich hatten in den letzten Jahren unsere Bürotüren nebeneinander“, sagt der einstige Innenverteidiger, seit fünfzehneinhalb Jahren 05er mit unter anderem 166 Bundesligapartien im Lebenslauf. „Für mich war schnell klar, dass es menschlich klappen würde – und auch dass es Sinn hat, ein bisschen Erfahrung reinzubringen.“
Im Unterschied zu seinen ersten Einsätzen im Trainerstab verfügt Niko Bungert inzwischen über die Uefa-A-Lizenz, die Vorstufe zum Fußballlehrer. Konkret geplant hatte er einen Einstieg in den Job allerdings nicht, dafür ist er zu vielseitig interessiert und zu wissbegierig. Nicht von ungefähr schloss er an seine aktive Karriere das Traineeprogramm innerhalb des Klubs an, um alle Abteilungen, die gesamte Arbeit kennenzulernen. „Ich wollte mich möglichst breit aufstellen und die Zeit nutzen, herauszufinden, was ich mir am besten vorstellen kann. Trainer gehört dazu.“ Kein Zufall als, dass er zuletzt auch als Individualcoach am Nachwuchsleistungszentrum für Spieler der U17 und U19 tätig war.
Fühler in alle Richtungen
Seit seinem noch nicht so lange zurückliegenden Einstieg in die „normale Berufswelt“, wie er das Arbeitsleben außerhalb des Fußballs selbst nennt, habe er seine Fühler in alle Richtungen ausgestreckt, ständig neue Dinge gelernt, unterschiedlichste Termine wahrgenommen, Vorträge gehalten („Was mich schon etwas Überwindung gekostet hat“).
An diesem weit gefächerten Spektrum hatte und hat er Spaß, „alles ist neu und aufregend“, und auch den Job als erster und einziger Vereinsbotschafter der 05er interpretierte er so intensiv, dass ihn die Aufgabe ausfüllte und er neue Erkenntnisse sammelte. Es passt ins Bild, dass Bungert, den man sich von seiner Persönlichkeit her auch in einer Führungsposition vorstellen kann, derzeit einen noch bis Mai dauernden Managementlehrgang beim Deutschen Fußball-Bund belegt.
Den will er auch beenden, wenngleich „ich mich jetzt zu 120 Prozent auf meine Aufgabe als Kotrainer fokussiere, der mit einer 50- bis 60-Stunden-Woche verbunden ist. Aber im Lehrgang findet das meiste Remote statt, das kriege ich hin“.
Schon als Profi gecoacht
Aus dem Kader der Saison 2018/19, dem letzten, dem Niko Bungert angehörte, sind heute noch Robin Zentner, Stefan Bell, Leandro Barreiro, Karim Onisiwo und Jonathan Burkardt dabei; einen Teil der übrigen Akteure kennt er aus seinen Assistenzeinsätzen bei Beierlorzer und Svensson. Ehemalige Kameraden zu trainieren, bringe ein lockeres Verhältnis mit sich, sagt er. „Ich bin nicht der komplett distanzierte Kotrainer.“
In einer ähnlichen Rolle sah er sich freilich schon in seinen beiden letzten Profijahren. „Ich war der Älteste und habe auf dem Platz nicht mehr die große Rolle gespielt“ – verletzungsbedingt blieb Bungert 2017/18 ohne Einsatz, in seiner abschließenden Saison wirkte er siebenmal mit –, „deshalb hatte ich meine Aufgabe so definiert, dass ich die Mitspieler gecoacht und geholfen habe, die jungen heranzuführen“, erzählt er. „Das ähnelte schon der Kotrainertätigkeit.“
Wie lange er die ausüben wird, darüber sei, wie auch mit Sören Hartung, nicht geredet worden. „Vor Silvester hatte ich ein langes Vieraugengespräch mit Jan über die Aufgaben, die vor uns liegen. Alles andere haben wir hintangestellt.“