WM-Bronze im Spielerparadies
Die traditionelle Sportlerehrung der Stadt Mainz musste in diesem Jahr coronabedingt entfallen – SPORTAUSMAINZ.de stellt stattdessen einige der zu Ehrenden vor.
Mainz. Nach der Aktivenlaufbahn ist noch lange nicht das Ende der Erfolgsstrecke erreicht: Das beweist der Bowler Uwe Tscharke seit seinem Ausstieg aus dem Zweitligateam des BV Moguntia Mainz. Bei der Sportlerehrung der Stadt Mainz hätte der 58-jährige, seit 2013 für den Verein spielende Hesse für seine Bronzemedaille bei den jüngsten Seniorenweltmeisterschaften geehrt werden sollen. Der langjährige Bundesligaspieler nahm im Oktober 2019 in Las Vegas einen der Plätze in der vierköpfigen deutschen Mannschaft ein. Dafür hatte er sich bei einem Turnier in Frankfurt qualifiziert.
„Der Stellenwert der Seniorenweltmeisterschaften wächst, es kommen immer mehr Länder hinzu“, sagt Tscharke, der schon 2015, ebenfalls in Las Vegas, am seit 2013 alle zwei Jahre ausgetragenen Wettbewerb teilgenommen hatte. Damals waren der WM erstmals Qualifikationsturniere in den jeweiligen Ländern vorausgegangen, was das Niveau auf eine ganz andere Ebene hob als der frühere Modus.
Tscharke darf als Vertreter des Jahrgangs 1962 den Regularien nach seit 2012 an den Seniorenwettkämpfen teilnehmen. Damals war er allerdings als Bundesligaspieler noch in der deutschen Eliteklasse der Aktiven im Einsatz, erst ein Jahr zuvor hatte er noch einmal den Weg zurück zu seinem ersten Erstligaverein Finale Kassel gewählt. 2013 entschied er sich dann aber doch, etwas kürzerzutreten und fand mit dem BV Moguntia Mainz einen Klub, der ambitioniert, aber eben eine Klasse tiefer angesiedelt war.
Zweimal Zweitliga-Vizemeister
In seinen fünf Jahren mit dem Mainzer Zweitligisten belegte die Mannschaft zweimal den zweiten Rang. Mit dem Bundesligaaufstieg nach der vorvergangenen Saison aber verabschiedete sich der damals 56-Jährige nach insgesamt 15 Jahren Bundesligabowling endgültig in den Seniorenstatus. Und seinem Klub bekam der Ausflug in die Erstklassigkeit, genau wie Tscharke es befürchtet hatte, ganz und gar nicht.
Derzeit befindet sich die Erste Mannschaft nach dem direkten Wiederabstieg im freien Fall. In der vor dem letzten Spieltag unterbrochenen Zweiligasaison belegen die Mainzer, inzwischen als Spielgemeinschaft mit dem Bitburger BC Eifel als SG Moguntia Mainz/BC Eifel unterwegs, abgeschlagen den letzten Platz. Die vorangegangenen besseren Jahre hatte der Verein nicht aus eigenem Potenzial heraus geschafft. „Nachdem wir uns vier, fünf Jahre durch die Zweite Bundesliga mehr gequält als gespielt hatten, habe ich versucht, ein paar Spieler von außen reinzuholen“, erläutert Tscharke. Und von außen meint in den deutschen Bowling-Eliteklassen tatsächlich meist von jenseits der Staatsgrenzen, bei manchem Vereinen sogar aus der US-Profiliga.
Verzicht auf starke Gastspieler
„Wir hatten dann belgische, holländische und österreichische Spieler, aber nur noch wenige Mainzer dabei“, sagte Tscharke. Nicht ungewöhnlich in der Ersten Liga, aber dennoch nicht erfolgreich genug, um sich zu halten, sodass Tscharke dem Vorstand nahelegte, die im zweistelligen Tausenderbereich liegenden Ausgaben lieber im Verein zu lassen. Durch die Spielgemeinschaft mit dem BC Eifel konnte der BV Moguntia zwar den Platz in der Zweiten Liga übernehmen, „aber die jetzigen Spieler haben fast keine Bundesligaerfahrung“.
Tscharke könnte im aktuellen Team sogar noch mithalten, vermutet der BV-Moguntia-Vorsitzende Walter Rühl. Dass es in dieser Region für einen Verein schwer ist, aus dem eigenen Reservoir eine Mannschaft aufzubauen, das sich in der nationalen Spitze behaupten kann, verrät schon die schwache Mitgliederzahl, die der Bowling-Landesverband zu Jahresbeginn meldete: Danach beschränkt sich der Bestand in Rheinland-Pfalz auf 195 Aktive und 15 Jugendliche. Zum Vergleich: Hessen führt alleine in Frankfurt 16 Vereine auf. Bowling hat aber überall, wie viele andere Sportarten auch, ein Nachwuchs- und Überalterungsproblem, und das trifft eine Randsportart eben besonders deutlich.
Nur wenige Vereine im Lande
Standorte in Rheinland-Pfalz sind neben Mainz nicht zufällig vor allem Kaiserslautern und Bitburg als ehemals große US-Stützpunkte im Land, dazu Koblenz und – derzeit das regionale Topteam – der BC 99 Ingelheim, Deutscher Mannschaftsmeister der Männer 2018 und 2019, auf dessen Hausbahn auch der BV Moguntia vornehmlich trainiert. Dies auch zu dessen aktiver Zeit stets ohne Tscharke, der den langen Anfahrtsweg aus seinem Wohnort Mühlheim am Main meidet und auf der fußläufig erreichbaren heimischen Anlage übt.
Kein Problem und im Bowling auch nicht unüblich, denn der Ligaalltag besteht zwar aus Vereinsvergleichen, aber letztlich ist das Teamergebnis nichts anderes als eine Rechenaufgabe. „Es sind im Prinzip fünf Einzelspieler, deren Werte addiert werden“, sagt Tscharke. Wurf für Wurf geht es um die körperlichen und technischen Fertigkeiten des Akterurs, der gerade an die Bahn tritt. Allerdings, hält Linkshänder Tscharke dagegen, kann es durchaus ein Vorteil sein, mit den Mannschaftskollegen vertraut zu sein. „Wenn man sich lange genug kennt, sieht man schon mal, wenn jemand von seinem regulären Bewegungsablauf abweicht und kann ihm einen Tipp geben.“
Keine Lust auf Kneipensport
Warum Tscharke sich einst entschied, statt des in Deutschland populäreren Kegelsports auf Bowling zu setzen, kann er erklären. „Die Sportkegler werden es abstreiten, aber Kegeln hat nun einmal den Kneipensportcharakter, weil sich die allermeisten Bahnen in Gaststätten befinden. Ich wollte nicht in dieses Umfeld hinein.“ Und reine Kegelcenter gibt es kaum.
Beim Bowling ist es genau andersherum: Dieser Sport wird fast ausschließlich in eigens errichteten Centern ausgeübt, denen meist ein Gaststättenbetrieb angeschlossen ist – ein deutlicher Unterschied für Tscharke, auch wenn die deutsche Öffentlichkeit diese Differenzierung nicht immer so hinbekommt.
Bowling ist übrigens wegen dieser Struktur nichts für finanziell schwach Aufgestellte. „Es ist ein sehr teurer Sport, durchaus vergleichbar mit dem Golf“, betont Tscharke. Denn für jede individuelle Übungsstunde, die er absolviert, für jeden Wettkampf, den er mit dem Verein bestreitet, müssen er oder der BV Moguntia die Bahn vom Betreiber mieten. „Und Bowling ist trainingsintensiv, weil alles über Wiederholungen geht.“ So kommen bei ihm als Einzeltrainierer schnell 40, 50 Euro wöchentlich für das reine Übungsprogramm zusammen.
Selbst in den USA eine Randsportart
Klubs erhalten in den Bowlingcentern üblicherweise Vergünstigungen bei den Bahngebühren, dennoch summieren sich die Kosten im Laufe eines Jahres zu erheblichen Beträgen. Und auch die Wettkampffahrten – es gibt keine Heim- und Auswärtsbegegnungen, sondern sechs Ligaspieltage, zu denen alle Mannschaften anreisen müssen – gehen komplett zulasten der Spieler.
Auch eine WM-Bronzemedaille im Seniorensektor kommt nicht von ungefähr zustande: Sechs bis sieben internationale Wettbewerbe bestreitet Tscharke im Jahr, jedes dieser Wochenenden muss er aus eigener Tasche bezahlen. „Da sind 3000 bis 4000 Euro weg. Über das Preisgeld lässt sich das nicht ansatzweise hereinholen.“ Und natürlich geht auch ein guter Teil seines Jahresurlaubs, Tscharke arbeitet als Datenanalyst bei einem Energieversorger, für die großen Turniere drauf.
Zuschüsse des Verbands gibt es für die internationalen Wettkämpfe, im Fall der Senioren-WM habe dies aber nicht einmal gereicht, um die Flugkosten abzudecken. Zu gewinnen gab es in Las Vegas neben Ruhm und Ehre lediglich die Medaillen. Selbst im Profisport-Mekka USA ist Bowling eine Randsportart, „außer den Teilnehmern waren nicht allzu viele Leute dabei“. Das Bowlingparadies in Las Vegas ist ausschließlich für Events wie WM und Profiturniere gebaut worden, „mit einer riesigen Anzeigetafel, das ist schon beeindruckend“. Selbst in den USA ist das extraordinär, nur ein weiteres, vergleichbares 80-Bahnen-Bowlingdorado gibt es in Reno.
Europameister 2018
2018 qualifizierte sich Tscharke bei einem Ausscheidungswettbewerb der Deutschen Bowling-Union zusammen mit Achim Grabowski und Holger Ohlrogge für einen Platz im deutschen Senioren-WM-Team. Den vierten Teilnehmer, Peter Knopp, Fünfter der Qualifikation, nominierte der Verband. Die zweite WM nach seinem Wechsel ins Seniorenlager, die 2017 in München stattfand, hatte Tscharke sausenlassen, er hatte stattdessen die Senioren-Europameisterschaften im Jahr darauf im Blick. Die wurde in Wien ausgetragen, „und da wollte ich mal hin“. Mit dem Sieg im Dreierwettbewerb wurde es im Juni 2018 ein äußerst erfolgreicher Ausflug in die österreichische Hauptstadt.
Im vorigen Jahr bereitete Tscharke sich intensiv auf Las Vegas vor, kannte das Leistungsvermögen seiner Teamkollegen und war deshalb auch nicht ganz so überrascht vom Erfolg des Viererteams wie die Szene. Immerhin handelte es sich bei Grabowski um den vielmaligen Deutschen Meister und Bowler des Jahres, und Knopp war schon auf der Profitour in den USA unterwegs.
Deutschen Bowlingsport gut vertreten
Ausgespielt wurden neben der Viererkonkurrenz auch Einzel- und Zweierwettbewerbe. Im Einzel musste Tscharke sich in seiner Gruppe mit dem 60. Rang unter 74 Teilnehmern begnügen, mit Ohlrogge landete er im Duo-Wettkampf als 14. von 40 Teams der Gruppe im guten Mittelfeld. „Ich hatte mir mehr erwartet, das hatte sich in der Vorbereitung besser angefühlt als im Wettbewerb“, betont er dennoch. Grabowski und Knopp wurden in ihrer Gruppe Fünfte. Insgesamt „haben wir den deutschen Bowlingsport gut vertreten“, resümiert Tscharke die WM-Performance.
Nach seinem zweiten Besuch in Las Vegas wartet er nun ab, ob die nächste WM tatsächlich an einen anderen Ort vergeben wird, wie der Weltverband es ins Gespräch gebracht hat. Wenn ihm die Destination zusagt – die Überlegungen gehen in Richtung Asien – könnte der 58-Jährige sich vorstellen, erneut um einen Platz im Senioren-Nationalteam zu kämpfen. Die Qualifikation dazu müsste eigentlich für diesen Spätsommer oder Herbst angesetzt werden. Derzeit sind aber auch im Bowling alle Wettbewerbe auf nationaler und internationaler Ebene abgesagt. Geschlossen sind weiterhin auch alle Trainingsstätten – es geht derzeit auch für Bowler rein gar nichts.
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