„Im Herzen ein echter Mainzer“
Mainz. Der Treffer: perfekt. Die Begeisterung: riesig. Die Ernüchterung: groß. Die Hoffnung: lebt. So in etwa ließen sich die 90 Minuten samt Nachbetrachtung des FSV Mainz 05 gegen Borussia Mönchengladbach aus Jonathan Burkardts Sicht zusammenfassen. Nach zwei Spielen Zwangspause wegen eines grippalen Infekts war der Stürmer am Samstag ins Team zurückgekehrt, und zwar sofort in die Anfangsformation, obwohl die Fitnesswerte noch nicht wieder optimal waren. Auf die Mentalität und die Einsatzbereitschaft des 23-Jährigen aber mochte Bo Henriksen nicht auch in seiner dritten Partie als Trainer der Rheinhessen verzichten.
„Jonny ist wichtig für uns, er ist ein Teamplayer, und er weiß genau, wie wir spielen wollen“, sagte der Däne. „Und er ist im Herzen ein echter Mainzer.“ Und den ließ er schon zwei Tage vor der Begegnung wissen, dass er ihm vertraue und ihn aufstellen werde.
Gemeinhin gilt Burkardt als Rechtsfuß, gegen Gladbach zeigte er, wie viel Wumms in seinem linken Fuß steckt. Jae-sung Lees gut getimten Diagonalball an den Strafraum legte er sich mit dem ersten Kontakt mit rechts vor, machte noch ein paar Schritte und schweißte die Kugel dann in den linken oberen Winkel. Es war sein zweiter Treffer in dieser Saison, und der kam nicht zufällig zustande, sondern so, wie es der taktischen Vorgabe entsprach.
Direkt tiefgegangen
„Wir wollten im Aufbau unsere Halbraumspieler Brajan Gruda und Lee finden“, erläuterte Burkardt, den Henriksen als Sturmspitze aufgeboten hatte, und lobte die Vorarbeit des Südkoreaners. „Jae-sung hat Wahnsinnsdrehungen drauf, wenn er den Ball am Fuß hat, ist das beeindruckend. Das weiß ich, und deswegen bin ich direkt tief gegangen.“ Sekunden später folgte der herrliche Abschluss eine Bilderbuchkombination, die ihren Ausgangspunkt bei Innenverteidiger Sepp van den Berg hatte.
Duplizität der Ereignisse: Als Burkardt am 7. Februar zum ersten Mal in dieser Spielzeit getroffen hatte, war es gegen Union Berlin ebenfalls die Führung in einer 1:1 endenden Partie. Beide Unentschieden konnten die Mainzer nicht zufriedenstellen, die Enttäuschung diesmal war jedoch noch größer. „Gladbach schießt mit der ersten Aktion den Ausgleich, danach haben wir es nicht mehr geschafft, unser Spiel aufrechtzuerhalten.“
Das vor der Pause erfolgreich praktizierte hohe Pressing funktionierte zum einen wegen der Umstellung der Borussia auf Fünferkette nicht mehr – Burkardt lief zwar immer wieder den nach hinten gezogenen Ko Itakura an, „ich musste aber auch Julian Weigl im Deckungsschatten halten.“ So viel er auch rannte: Die Balance im Mainzer Vorwärtsverteidigen war dahin, der Gegner stellte Überzahlsituationen her und überspielte die Pressingversuche.
Mentaler Knacks, körperliche Probleme
Zum anderen machten sich (nicht nur bei Burkardt) die Nachwirkungen des Infekts bemerkbar. Zum „kleinen mentalen Knacks“, den der Ausgleich seiner Mannschaft versetzt habe, kamen körperliche Probleme. „Ich habe gemerkt, dass ich nicht bei 100 Prozent bin“, sagte der Stürmer, „ich habe versucht, alles zu geben, habe aber abgebaut wie alle anderen.“
Noch Mitte November vorigen Jahres wäre der gebürtige Darmstädter froh gewesen, er hätte in einem Bundesligaspiel abbauen könne. Als er am zwölften Spieltag in Hoffenheim eingewechselt und von den Mainzer Fans wie ein Messias gefeiert wurde, endete eine mehr als einjährige Leidenszeit. Eine im letzten Spiel vor der Weltmeisterschaft in Katar erlittene Knieverletzung, zunächst konservativ behandelt, dann zweimal operiert, zwang ihn mehrmals, die Comebackbemühungen zu verschieben. Damit fehlte dem Kader der erfolgreichste Torschütze der Saison 2021/22, in der Burkardt elf Ligatore erzielt, drei weitere vorbereitet und mit drei Treffern im Pokal maßgeblich dafür gesorgt hatte, dass die 05er wenigstens die dritte Runde erreichten.
Vertrag bis 2027 verlängert
Jene Saison stellte seinen Durchbruch als Bundesligatorjäger dar, obendrein war er Kapitän der deutschen U-21-Nationalmannschaft, die unter Stefan Kuntz Europameister wurde. Burkardts Profikarriere, die im Herbst 2018 noch im Juniorenalter mit vier Erstligaeinsätzen unter Sandro Schwarz begonnen hatte, nahm Fahrt auf. Es schien nur eine Frage der Zeit, wann der Verein ihn für viel Geld an einen größeren Klub abgeben würde.
Inzwischen hat der schnelle, ballsichere Stürmer seinen Vertrag am Bruchweg bis Sommer 2027 verlängert; was ein Mainzer Abstieg in die Zweite Liga bedeuten würde, ist eine andere Frage. Solange die Mannschaft zumindest den Relegationsplatz erreichen kann, stellt sie sich nicht. Mit dem Unentschieden gegen Gladbach ist sie auf einen Punkt an den 1.FC Köln herangerückt. Und nächsten Samstag in München? „Das wird ein schwieriges Spiel“, sagt Burkardt. „Aber mit einer Leistung wie in Leverkusen können wir den Bayern wehtun.“