Wer attackiert, gewinnt
Mainz. Der Dialog des Tages schloss sich dem Match des Tages an. „Aus dem Spiel kannst Du was fürs nächste Turnier mitnehmen“, sagte Sebastian Schweikert im Bemühen, seine Freundin Livia Kraus nach ihrer knappen Viertelfinalniederlage zu trösten. Deren Antwort: „Mein nächstes Turnier spiele ich nächstes Jahr. Was soll ich da mitnehmen?“
Dass sie beim 6:2, 2:6, 6:10 gegen Luisa Meyer auf der Heide ihre Spielweise hätte umstellen müssen, war ihr bewusst. „Ich hätte etwas aggressiver spielen können“, sagte sie. So, wie sie es im vorletzten Ballwechsel praktizierte, als sie erstmals aus eigenem Antrieb ans Netz vorrückte und nach vier Abwehraktionen den Punkt machte. Es war das 6:9 im Matchtiebreak, danach verwandelte ihre Gegnerin einen von zahlreichen Überkopfbällen sicher zum Sieg und dem Halbfinaleinzug bei den 8. SiNN Mainz Open.
Den hatte sich die an eins gesetzte Spielerin vom SSC Berlin verdient, „weil sie eine gute Mischung aus Geduld und Risiko gefunden hat“, wie Babak Momeni, Cheftrainer des TSC Mainz und lange Jahre auch für Livia Kraus zuständig, sagte. Dabei hatte Meyer auf der Heide im ersten Satz dieses Duells, das auch ein würdiges Finale abgegeben hätte, keine Mittel gegen Kraus‘ risikoarmes, aber extrem sicheres Spiel gefunden.
Gute Antworten parat
Wobei die einstige Mainzer Zweitligaspielerin, die inzwischen für den BASF TC Ludwigshafen und in der österreichischen Bundesliga aktiv ist, ihre Herangehensweise gegenüber früheren Jahren etwas verändert hat. Kraus beschränkt sich nicht mehr darauf, wie eine Ballwand alles zurückzubringen, was übers Netz kommt und auf Fehler der Kontrahentin zu warten, ohne selbst Gewinnerschläge auszupacken. Gegen Meyer auf der Heide streute sie immer wieder auch schnellere Bälle in die langen Rallyes ein, meist mit der Vorhand, ohne freilich die Grundlinie zu verlassen.
Die Versuche der Favoritin, sich dem durch Stopps zu entziehen, fruchteten im ersten Durchgang nur bedingt und verhinderten nicht, dass Kraus, die Meyer auf der Heide schon deren ersten Aufschlag abgenommen hatte, von 2:1 auf 5:1 und 6:2 davonzog. Mit ihren Longlineschlägen aus dem Halbfeld hatte sie gute Antworten parat.
Meyer auf der Heide stellt sich um
Im zweiten Satz allerdings änderte die Berlinerin, ihres Zeichens Nummer 21 der deutschen Rangliste (Kraus steht an 59. Position), ihr Vorgehen grundlegend. Nach wie vor ging sie die intensiven Ballwechsel mit, immer häufiger aber suchte sie ihr Heil in Netzattacken, mit denen sie jetzt ein ums andere Mal punktete – Bälle, die Kraus nur noch hoch abwehren konnte, schmetterte Meyer auf der Heide sicher ins Feld.
Nicht darauf zu reagieren, nicht auch selbst einen Strategiewechsel vorzunehmen, war Kraus‘ letztlich matchentscheidender Fehler. „Ihre Gegnerin macht das sehr gut, aber Livia hat sie im zweiten Satz auch machen lassen“, monierte Momeni. „Ich hätte mich nicht auf die langen Rückhand-Cross-Rallyes einlassen dürfen, sondern öfter longline spielen müssen“, sagte Kraus, „aber das war nicht so einfach. Erstens war es schwierig, die hohen Bälle anders zu nehmen, und zweitens, so ehrlich muss ich sein, ist das auch nicht mein Spiel.“
Dass sie durchaus zur Attacke blasen kann, auch wenn solche Aktionen kein Bestandteil ihres Trainings sind, demonstrierte Kraus im Matchtiebreak. Zu dem Zeitpunkt war es jedoch zu spät.
Halbfinale mit Selina Dal
Trotz der Enttäuschung über die verpasste Überraschung, zeigte sich die 24-Jährige insgesamt zufrieden. „Vor so vielen Leuten zu spielen, macht Spaß“, sagte sie. „Ich hatte das Gefühl, nicht alleine zu spielen, sondern die Zuschauer hinter mir zu haben.“
Luisa Meyer auf der Heide trifft im Halbfinale am Sonntag (9.30 Uhr) auf die an acht gesetzte Münchenerin Eva-Marie Voracek (wie Kraus DTB-59), um den zweiten Finalplatz kämpfen Selina Dal (Ludwigshafen, DTB-58), die letzte Akteurin mit Mainzer Wurzeln, und Franziska Sziedat (Potsdam, DTB-57). Das Endspiel ist für 13.30 Uhr geplant.
Bei den Männern stehen sich am Sonntagmorgen Turnierfavorit Timo Stodder (Rot-Weiß Berlin, DTB-12) und der an drei gesetzte Johann Willems (Pforzheim, DTB-57) sowie die Nummer zwei der Setzliste, Luca Matteo Sobber (Leverkusen, DTB-49) und Vorjahresfinalist Nikolas Walterscheid-Tukic (Troisdorf, DT-82) gegenüber. Das Finale soll bereits um 13 Uhr beginnen.
Noll kämpft mit Stobber und Krämpfen
Die beiden Mainzer in der Herrenkonkurrenz verabschiedeten sich im Achtelfinale. Daniel Kirchner verlor vorhersehbar gegen Willems, freute sich aber zumindest darüber, beim Stand von 0:6, 0:5 doch noch ein Spiel gewonnen zu haben. Zwar hielt der 17-Jährige in etlichen langen Ballwechseln gut mit, die entscheidenden Schläge aber setzte sein zehn Jahre älterer Gegner.
Mika Lipps Niederlage gegen den in der deutschen Rangliste deutlich schlechter gestellten Leo Pade (Haar) war hingegen unnötig. Der für Ludwigshafen spielende Ex-TSCler sah nach 6:3 und 4:6 im Matchtiebreak kein Land, leistete sich zu viele Fehler und kam nach 1:9 lediglich noch auf 4:10 heran.
Rheinhessenmeister Niklas Noll kämpfte in seinem Viertelfinale nicht nur gegen Topfavorit Stobber, sondern auch gegen Krämpfe in beiden Oberschenkeln und einer Wade. „Daran lag’s aber nicht“, kommentierte er seine 3:6, 2:6-Niederlage, „beim Grundlinienspiel haben sie mich auch nicht gestört. Mein Gegner war einfach besser.“
Gleichwohl wehrte sich der Pfeddersheimer nach Kräften. Im ersten Satz machte lediglich ein Break den Unterschied aus, den zweiten begann er mit drei Doppelfehlern. „Das sollte man nicht machen, wenn man noch eine Chance haben will“, sagte er lachend. „Aber insgesamt bin ich zufrieden, ich habe zwei Matches gewonnen und ein paar Punkte für die Rangliste gesammelt.“