Bronze für den coolen Hund
Baku. Ganz genau wissen wir es nicht. Allerdings können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass all jene Damen und Herren des USC Mainz, die am Dienstag vor den Ergebnissen und dem Livestream aus dem Tofiq Bahramov Stadium (übrigens benannt nach dem Schiedsrichter des WM-Endspiels zwischen England und Deutschland 1966) in Baku saßen, nervöser waren als derjenige, um den es dort ging: Paul Kallenberg, der Deutschland beim European Youth Olympic Festival (EYOF) in Baku im Zehnkampf vertrat. Und der in die Geschichte des Mainzer Sports als derjenige eingegangen ist, der bei diesen olympischen Jugendspielen als Erster eine Medaille gewonnen hat.
Bronze wurde es, wie nach dem ersten Tag prognostiziert. 7423 Punkte sammelte Kallenberg ein, ein phantastisches Ergebnis für den jungen Mann, der verletzungsbedingt mehr oder weniger das gesamte vorige Jahr pausieren musste.
Über die Hürden schwach...
Nach der ersten Disziplin des zweiten Tages allerdings war er auf den vierten Platz zurückgefallen. 16,11 Sekunden über 110 Meter Hürden waren selbst für einen, der diese Disziplin derzeit nicht zu seinen Spezialitäten zählt, ein schwaches Ergebnis. „Das war nicht gut“, bestätigte er, „ich bin zu hoch über die Hürden gegangen, das hat irgendwie nicht funktioniert.“ Daran müsse er in der nächsten Zeit arbeiten – eine Einschätzung, die sich mir der seines Trainers Michael Kaul deckt.
Dagegen blieben nicht nur die beiden Führenden, der Belgier Jente Hauttekeete und der Norweger Skander Skotheim, sondern auch der Tscheche Frantisek Doubek deutlich unter 15 Sekunden. Letzterer zog dadurch denn auch an Kallenberg vorbei, auf ihn betrug der Rückstand des Mainzers 52 Punkte, auf Skotheim waren es 213 und 290 auf Hauttekeete. „Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr recht an eine Medaille geglaubt“, räumte Stephan Kallenberg am Abend im Gespräch mit SPORTAUSMAINZ.de ein.
...und mit dem Diskus sind alle gut
Daran änderte sich nach dem Diskuswurf nichts. Zwar lag sein Sohn mit 43,49 Metern am oberen Ende der Skala, die der Vater für möglich gehalten hatte („Diskus ist eine Wundertüte, zwischen 26 und 48 Metern traue ich ihm alles zu“), doch die übrigen Medaillenkandidaten ließen sich ebenfalls nicht lumpen. Zwar blieb der Belgier mit 42,67 Metern hinter Kallenberg zurück, Skotheim aber übernahm mit 47,98 Metern die Führung in der Gesamtwertung, die er nicht mehr hergeben sollte. Und Doubek warf den Diskus auf 44,23 Meter. „Da haben wirklich alle ihr Niveau erreicht“, erkannte Stephan Kallenberg an.
Die Wende leitete Paul Kallenberg im Stabhochsprung ein. Wenn auch nach einer kleinen Zitterpartie. Denn nach der Einstiegshöhe von 3,90 Meter ging er direkt auf 4,10 Meter – und schaffte diese erst im dritten Versuch. „Ich habe fast die Krise gekriegt“, sagte sein Vater. Trainerin Stefanie Kaul merkte an: „Das zeigt uns wieder einmal, dass man mit dem Stab im Zehnkampf keine Höhen auslässt.“
Doch ihr Schützling zeigte sich nervenstark, und war mit übersprungenen 4,30 Metern neben dem Belgier der Beste in dieser Disziplin. Derweil Doubek, dessen Bestleistung wie die des Mainzers bei 4,50 liegt, schwächelte und nicht über 4,10 Meter hinauskam. In der Gesamtwertung bedeutete dies: Paul Kallenberg hatte den Graben auf den Tschechen auf zehn Punkte verkürzt; die 273 Punkte auf Hauttekeete und drei weitere auf den Norweger, der keine schwache Disziplin hatte, das war klar, würde er nicht mehr aufholen können.
Begeisternder Speerwurf
Vater Kallenbergs Beinahe-Krise schlug in helle Begeisterung um, als er sah, was der Sohn mit dem Speer anstellte. „Dass er ausgerechnet in der Disziplin, in der er bei der Qualifikation in Bernhausen die allermeisten Probleme hatte, jetzt den entscheidenden Schritt hin zu Bronze gemacht hat, ist überragend“, jubelte er. In Zahlen: 58,83 Meter waren fast zwölf Meter weiter als beim ersten Zehnkampf und die dritte persönliche Bestleistung nach 100 Metern und Hochsprung am ersten Tag.
„Den hat er sensationell rausgehauen“, kommentierte Trainer Michael Kaul, der trotzdem noch ein wenig um den Podestplatz bangte. „Uns war schon klar, dass Paul für die 1500 Meter ein Polster von gut sieben Sekunden auf den Tschechen hatte“, sagte er später, „aber wenn du zu Hause sitzt und der Stream nicht richtig läuft, dann macht dich das zum Schluss noch mal fix und fertig…“
Nur gut, dass Paul Kallenberg besser lief als der Stream und das Rennen in seinem Tempo anging, ohne zu überziehen. Entscheidend war, dass er den vor ihm laufenden Doubek im Blick behielt, den Abstand kontrollierte und den Tschechen nicht enteilen ließ. „Wie man diese Strecke gleichmäßig läuft und wann man gegebenenfalls zulegen muss, lernen die Jungs alle bei Steff und Michael in der Trainingsgruppe“, sagte Stephan Kallenberg. „Ihnen gebührt der größte Dank für diesen Erfolg. Paul war super eingestellt, und so wie er den Wettkampf bestritten hat, muss ich sagen: Er ist echt ein cooler Hund.“
Einer, der nach dem ersten internationalen Wettkampf seines Lebens mit Bronze dekoriert ist.
Auch Vater Stephan, hörbar mitgenommen von den zwei Tagen im Baku, tauchte in die Tierwelt ein. Allerdings mehr in die der gefiederten Freunde: „Ich werde heute Abend schön einen zwitschern.“
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