Kreuzbandriss statt Schlangenbiss
Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es um eine Reihe großer Torjäger und einen Abwehrchef, den Nürnberger Torwart, eine Kobra und ein Känguru.
31. März
Die Kobra wird heute 56 Jahre alt: Jürgen Wegmann, der Torjäger, der am Ende seiner Karriere sehr, sehr kurz für Mainz 05 spielte. Wegmann war ein Stürmer, dessen Revier eher der Fünfer als der Strafraum war, nicht sonderlich groß, dank guter Technik und guten Timings trotzdem ein exzellenter Kopfballspieler, fußballerisch nur Durchschnitt, aber mit einem überragenden Torinstinkt, auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn Deutscher Meister 1989 mit Bayern München.
Im Winter 1995/96 sollte der Altstar, der längst in der Regionalliga gelandet war, in den vergangenen vier Jahren nur 30-mal gespielt hatte, die 05er aus dem Zweitliga-Abstiegskampf schießen. Der Stürmer riss sich jedoch schon im ersten Testspiel das Kreuzband, der Vertrag wurde wieder aufgelöst.
Vor 46 Jahren erfuhr Wormatia Worms Gerd Kliers Unverwüstlichkeit: Beim 5:1 der 05er schoss der Mittelstürmer in der 41. Minute, nur zwei Minuten nach seinem ersten Treffer, eher zufällig das 3:1. Der Befreiungsschlag des gefürchteten Wormatia-Verteidigers Walfried Günther traf den Mainzer Mittelstürmer aus kurzer Entfernung im Gesicht. Der Abpraller ging ins Tor, Klier etwas später mit immer noch blutender Nase und Ohrenschmerzen in die Pause. Zwischendrin hatte Klier ein weiteres Kopfballtor nachgelegt – das wegen Foulspiels nicht zählte.
Fünf Jahre später revanchierten sich die 05er für eine ihrer größten Blamagen. Im November 1978 hatten sie als aktueller Südwestmeister beim weit abgeschlagenen Tabellenletzten, dem SV Speicher, der aus den vorherigen zehn Spielen nur einen Punkt geholt hatte, 0:4 verloren. Trainer Horst Hülß wollte zurücktreten, wurde aber zum Weitermachen überredet. Das Rückrundenspiel am 31. März 1979 gewannen die Mainzer mit 10:0; zu den Toren von Ali Oehrlein (2), Sigi Iser (2), „Bimbo“ Bopp, Rainer Krönung, Rudi Collet (2) und Manfred Nimführ kam ein Eigentor. Trotz der zehn Gegentreffer war Speichers Torhüter Dieter Urbatzka einer der besten Spieler auf dem Platz, mit einer normalen Torwartleistung wäre das Ergebnis noch extremer ausgefallen. Für die 05er war es der erste zweistellige Sieg in einem Ligaspiel nach dem Zweiten Weltkrieg. 14 Monate später gelang ihnen gegen die SG Ellingen-Bonefeld ein weiteres 10:0. Die erste Begegnung hatten sie mit 2:3 verloren.
Christian Mathenia wird 28 Jahre alt. Der gebürtige Mainzer, der zwischendrin in Bingen spielte, mit 14 Jahren aber an den Bruchweg kam, hatte dort im Herbst 2013 seinen Schlüsselmoment – und verlor: Als Cheftrainer Thomas Tuchel seine Torhüter neu sortierte und Heinz Müller sowie Christian Wetklo ausmusterte, war Mathenia einer von zwei Kandidaten für die Nachfolge. Ausgewählt wurde der andere, der gut ein Jahr jüngere Loris Karius.
Mathenia blieb Nummer eins der Regionalligamannschaft, wechselte nach der Saison zum SV Darmstadt 98, war sofort Stammspieler, stieg mit den Hessen in die Bundesliga auf und war auch dort ein sicherer Rückhalt bei den in ihrem Comebackjahr überraschend starken „Lilien“. Im Sommer 2016 schloss Mathenia sich dem Hamburger SV an, für den er binnen zwei Jahren 38 Bundesligaspiele machte. Seit der vorvergangenen Saison spielt er beim 1.FC Nürnberg.
1. April
Vor 96 Jahren kam Fritz Kleemann zur Welt. Der Sachse war schon 32, als er 1956 aus Bad Homburg zu den 05ern wechselte. Er begann als Mittelfeldspieler, schloss dann die Lücke, die sich durch den Abgang von Walter Sonnenberger und einige Verletzungen aufgetan hatte, und war Abwehrchef von 1957 bis Anfang 1959. Wegen einer Lungenentzündung verpasste der Verteidiger große Teile der Rückrunde, schon vorher war der fast 35-Jährige nicht mehr in Bestform. Nach jener Saison verließ Kleemann die Mainzer; 72-mal hatte er für sie gespielt, und sein einziges Tor per Elfmeter bei einem 1:0-Sieg gegen den FV Speyer geschossen.
André Häuser wird am Mittwoch 55 Jahre alt. 1982 kam er als 17-jähriger Außenstürmer von der TSG Planig an den Bruchweg, debütierte lange vor der Volljährigkeit als Einwechselspieler, schnappte sich mit 18 den Platz auf der rechten Außenbahn und gab ihn jahrelang nicht mehr her. Der Kreuznacher war ein guter Techniker, ein Ballschlepper, ein solider Mann, hatte in allen Aspekten des Fußballs seine Fähigkeiten, wenn er auch in keinem herausragte. Erst nach dem Aufstieg in die Zweite Bundesliga verlor Häuser seinen Stammplatz, nach dem Wiederabstieg 1989 wechselte er zu Hassia Bingen. In 187 Spielen für die 05er hatte er 25 Tore geschossen.
29 Jahre alt wird Sebastian Polter. Der Mann von der Nordseeküste – in der Jugend mal Torwart gewesen, im Profifußball ein Stürmer – kam 2013 vom VfL Wolfsburg nach Mainz; zuvor war er an den 1. FC Nürnberg ausgeliehen. Polter hinterließ zwar in der Vorbereitung mit einigen Toren einen guten Eindruck, setzte sich in der Bundesliga aber nicht durch, technisch reichte es nicht. In 38 Spielen für Wolfsburg und Nürnberg hatte er immerhin sieben Tore geschossen. Für die Mainzer, die ihn meist nur einwechselten und schließlich ab und an auf der rechten Außenbahn einsetzten, gelang ihm kein einziges.
2014/15 ging er auf Leihbasis zum Zweitligisten Union Berlin, wo er besser zurechtkam und 14-mal traf. Genug, um für die Berliner unerschwinglich zu werden: Im Sommer 2015 zog es Polter für eine ordentliche Ablöse zu den Queens Park Rangers. Eineinhalb Jahre später bekam Union den Torjäger zurück, im Frühjahr vorigen Jahres gelang über die Relegationsspiele gegen den VfB Stuttgart der Aufstieg. In der Ersten Liga spielt Polter nur noch eine Nebenrolle, seinen Abschied nach der Runde hat er bereits angekündigt.
2. April
Ein nur kurzzeitig großer Torjäger wird am Donnerstag 37 Jahre alt: Félix Alejandro Borja Valencia, das „Känguru“, der lustige Spaßvogel aus Ecuador. Borja war bei CD El Nacional aus Quito ein sehr erfolgreicher Stürmer, bei Olympiakos Piräus 2006/07 weniger, wechselte daraufhin zum Bundesligaabsteiger Mainz 05. Und war dort ein Volltreffer, schoss auf Anhieb 17 Saisontore; im Mainzer Profifußball hatte das seit 1990 außer Andrey Voronin keiner mehr geschafft.
Das Repertoire des Stürmers war vor dem Tor schier unerschöpflich, am deutlichsten zeigte er das in Aachen. „Torschütze: Wie gehabt, Félix Borja“, verkündete der Stadionsprecher in der 74. Minute. „Er ist Aachens schlimmster Nightmare“, sagte 05-Kollege Neven Subotic. Im Abschluss hatte der kleine, aber ungeheuer sprunggewaltige Ecuadorianer alles gezeigt: einen Kopfball zum 1:0, wie man ihn seit Kalle Riedle nicht mehr gesehen hatte. Einen entschlossenen, leichtfüßigen Sprint mit Torschuss zum 2:0. Und einen Außenristkracher zum 3:0.
Die Herrlichkeit währte aber nur ein Jahr. Dann kam Aristide Bancé, und Borjas Platz war besetzt. Der Stürmer schoss nur noch sechs Tore (zwei als Joker gegen den FC St. Pauli), war dann lange verletzt und kam nicht mehr aufs nötige Niveau. Taktisch war er ohnehin nicht besonders gut ausgebildet worden, nach dem Bundesligaaufstieg konnte Thomas Tuchel nicht viel mit ihm anfangen.
*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).
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