Fünf Doppelpacks im ersten Jahr
Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es unter anderem um den torgefährlichsten Japaner in der Bundesliga, der auch als Vereinsgründer in Erscheinung trat, und um die kurioseste Entscheidung seit Einführung des Videobeweises.
16. April
Ein großer Torjäger wird am Donnerstag 34 Jahre alt. Ein Stürmer, der in seinem Heimatland legendär ist, beim VfB Stuttgart scheiterte, von den Schwaben mehr oder weniger verschenkt wurde, mit den 05ern die Bundesliga aufmischte, dann für sehr viel Geld zu Leicester City wechselte und völlig überraschend die englische Meisterschaft gewann: Shinji Okazaki.
Im zweiten Jahr in Stuttgart hatte der Japaner siebenmal getroffen, im ersten (zwei Rückrundentore) und im dritten (ein Treffer in 25 Spielen) aber überhaupt nichts von dem gezeigt, was ihn immerhin zum Rekordtorjäger unter den damals aktiven Spielern seiner Nationalmannschaft machte – was womöglich damit zusammenhing, dass Okazaki beim VfB fast nur als Außenstürmer eingesetzt wurde.
Direkt vor dem Transfer nach Mainz für eine kolportierte Ablöse von rund 1,5 Millionen Euro wurde Christian Heidel noch mal nervös: Okazaki traf beim Confederations Cup gegen Italien und Mexiko, und der 05-Manager befürchtete, dass sich die Premier League noch in die Verhandlungen einmischen könnte. Doch der Wechsel an den Bruchweg kam zustande, und in Mainz wurde Okazaki als Mittelstürmer nach kurzer Anlaufzeit ein Torjäger: Lange Phasen ohne Treffer unterbrach er immer wieder durch Doppelpacks – fünf im ersten Jahr, einen im zweiten. Insgesamt traf Okazaki für die Rheinhessen 27-mal, eine Marke, die nur Mohamed Zidan überbot. Und: Mit 15 Saisontoren ist er neben André Schürrle der Mainzer Rekordhalter.
Der torgefährlichste Japaner der Bundesligageschichte, der auch als Pressingspezialist wertvoll war, wurde in Leicester kein Stammspieler, hatte aber seinen Anteil an etwas, das man wohl „Wunder“ nennen musste. 2019 wechselte er für wenige Wochen nach Malaga, jetzt würde er beim spanischen Zweitligisten SD Huesca spielen, wäre die Saison nicht unterbrochen.
Übrigens hinterließ Okazaki seine Spuren auch im Mainzer Amateurfußball: Er war einer der Gründer des heutigen Verbandsligaklubs FC Basara Mainz.
Seinen 48. Geburtstag kann ein Mann feiern, der einer von Okazakis Vorgängern im Mainzer Sturmzentrum werden sollte. Arild Stavrum hatten die 05er im Sommer 2002 vom Besiktas JK als Nachfolger von Blaise Nkufo verpflichtet, aber weil der norwegische Ex-Nationalspieler (zwei Länderspiele 1995) und schwedische Torschützenkönig von 1998 den Medizincheck nicht bestand, wurde der Vertrag aufgelöst und stattdessen Benjamin Auer geholt. Stavrum wurde später erfolgloser Erstligatrainer in Norwegen, Zeitungskolumnist und Romanautor.
Ein Jahr älter werden heute auch drei ehemalige 05-Jugendspieler: Steffen Jude (14 Einsätze für die U19) wird 33, Jan Förstel (30 Spiele für die U17, vier für die U19) wird 25, und Mohamed Boukayouh (20-mal für die U17, 14-mal für die U19 im Einsatz) wird 21.
Zu einem Novum kam es am 16. April 2018. Im Heimspiel gegen den SC Freiburg, das wegen des Fanprotests gegen Montagsspiele über lange Zeit von Hunderten fliegender Klopapierrollen und lauten Vuvuzela-Getröte geprägt war, wollten Sandro Schwarz und Christian Streich gerade mit ihren Pausenansprachen beginnen, da klopfte es an die Kabinentüren. Draußen stand ein Schiedsrichterassistent. Seine Bitte: Die Mannschaften möchten doch noch einmal zurück aufs Spielfeld kommen, es gebe da noch eine Kleinigkeit zu regeln. Bei der Kleinigkeit handelte es sich um einen Elfmeter für den FSV Mainz 05.
Was war geschehen? Guido Winkmann hatte längst die schwache erste Halbzeit abgepfiffen, alle Spieler waren verschwunden, als sich die größte Kuriosität anbahnte, die der deutsche Videobeweisfußball bis heute gesehen hat: Videoassistentin Bibiana Steinhaus wies den Referee auf ein Handspiel im Freiburger Strafraum hin, Winkmann machte sich auf den Weg zur Gegengeraden, schaute sich die Szene auf dem Fernsehschirm an und traf die einzig richtige Entscheidung: Strafstoß. Weil SC-Verteidiger Marc-Oliver Kempf eine Flanke von Daniel Brosinski mit dem ausgefahrenen Arm abgewehrt hatte – so eindeutig, dass allenfalls unklar war, warum es Linienrichter Arno Blos entgangen war. Brosinskis Protest verhallte zunächst. Bis Steinhaus eingriff.
Bei aller Verwirrung war die Konsequenz logisch: Beide Teams mussten wieder komplett auf den Platz (auch wenn man darüber diskutieren konnte, ob René Adler tatsächlich damit rechnen musste, auf der eigenen Torlinie einen Abpraller von der Gegenseite zu klären), der Elfmeter konnte ja schlecht die zweite Halbzeit eröffnen. Pablo De Blasis verwandelte gegen Alexander Schwolow halbhoch ins rechte Eck. Offizielle Spielzeit: 45+7 Minuten.
Im zweiten Durchgang verdienten sich die Mainzer den Sieg mit einer deutlichen Leistungssteigerung. Den Endstand von 2:0 stellte nach einem krassen Torwartfehler ebenfalls De Blasis her. (phe)
*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).
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