Der erste große Titel
Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es vor allem um ein 3:0 gegen Werder Bremen und einen Trainer im Maßanzug.
17. Juni
Heute vor 38 Jahren, als der 17. Juni noch der „Tag der Deutschen Einheit“ war, gab es für die 05er zum ersten Mal einen überregionalen Titel zu feiern: Im Endspiel um die Deutsche Amateurmeisterschaft schlugen sie die Zweite Mannschaft von Werder Bremen mit 3:0.
1980 war es zu einer Revolution im Verein gekommen. Es gab nicht nur einen Generationswechsel – die komplette Defensive und Torjäger Gerhard „Bimbo“ Bopp verließen den Verein – sondern in Herbert Dörenberg auch einen neuen Trainer. Und neues Geld: Jürgen Jughard, der Generalbevollmächtigte des größten Leasing-Unternehmens Europas, stieg als Macher ein. Jughard hatte zuvor als Mäzen die SG Harxheim in die vierte Liga gehievt, jetzt wollte er Mainz 05 in den Profifußball zurückbringen. Seine Bedingungen: der Chefsessel im Verein – und keine Fragen stellen.
Mit dem neuen Reichtum gingen die 05er sofort wieder einkaufen. Aus Harxheim kam Jürgen Janz zurück, außerdem holten sie den Neuendorfer Star Ludwig Scherhag und vom TuS Schornsheim einen weiteren wichtigen Mann, Libero Jürgen Menger. 1981 waren sie zum zweiten Mal nach dem Rückzug aus der Zweiten Liga Südwestmeister – aber zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Weil in jenem Sommer die Zweite Liga auf eine Staffel reduziert wurde, gab es ausnahmsweise keine Aufsteiger aus den Oberligen.
Zwei Wochen lang im 48-Stunden-Rhythmus
Trotz weiterer hochkarätiger Einkäufe (Scheller als Rückkehrer vom TSV München 1860, Bopp als Rückkehrer von Kastel 06, außerdem Karl-Heinz Halter und Helmut Wagner aus Pirmasens und Erich Klasen aus Eisbachtal) reichte es 1981/82 nur für die Vizemeisterschaft. Die 05er stellten zwar mit Scheller, Menger, Janz, Michael Wocker und Hans Keller die überragende Abwehr der Oberliga, die in 40 Spielen nur 37 Tore kassierte, und mit Bopp (20 Saisontore), Scherhag (15), Wagner und Mähn (jeweils 10), Halter und Klasen (jeweils 5) eine großkalibrige Offensive, aber der FC Homburg war noch ein bisschen besser.
Das Positive an der Vizemeisterschaft: Die Zweiten der Oberligen waren qualifiziert für die Deutsche Amateurmeisterschaft, die zwar von ihrem alten Glanz einiges verloren hatte, aber immer noch ein bundesweiter Wettbewerb war. Ganz unproblematisch war das nicht für Mainz 05, weil gleichzeitig der Südwestpokal anstand und sie sich nicht auf einen Wettbewerb konzentrieren wollten: Die Einnahmen aus einem DFB-Pokalspiel gegen einen Bundesligisten waren zu wichtig. Zwei Wochen lang musste die Mannschaft im 48-Stunden-Rhythmus auf den Platz – und gewann alle neun Spiele. Den Südwestpokal holte sie sich mit einem 2:1 gegen Eintracht Bad Kreuznach.
Die beiden Viertelfinalspiele der Amateurmeisterschaft gegen die prominente, aber lustlose Truppe von Viktoria Köln endeten problemlos mit 4:1. Hertha Zehlendorf war im Halbfinale schon ein größerer Brocken, diesmal setzten sich die 05er mit 1:0 und 3:2 durch. Im Endspiel trafen sie am Bruchweg auf den einzigen Oberligameister im Wettbewerb: Die Amateure von Werder Bremen mussten Arminia Hannover die Aufstiegsrunde überlassen, weil ihre Profis in der Bundesliga spielten. 7000 Zuschauer sahen am Bruchweg ein ausgeglichenes Spiel, das die 05er dank des überragenden Scherhag nach gut einer Stunde mit drei Toren binnen neun Minuten entschieden: Charly Mähn (2) und Scherhag selbst trafen zum 3:0.
Horst Franz wurde seinerzeit 42 Jahre alt. Der gebürtige Berliner war bereits ein erfahrener, vielleicht schon ein zu altmodischer Trainer, als er die Mainzer 1995 im Abstiegskampf übernahm. Franz‘ Karriere hatte in Gütersloh und Österreich begonnen, später wurde er ein Feuerwehrmann in der deutschen Bundesliga, Retter von Arminia Bielefeld (1981) und Borussia Dortmund (1984), aber auch Absteiger mit Schalke (1988).
In Mainz wurde Franz fürs letzte Drittel der Saison 1994/95 Nachfolger des für diese Phase vielleicht zu freundlichen Hermann Hummels. Der neue Trainer setzte gleich einen Kontrapunkt, zeigte bei seiner ersten Ansprache in der Kabine auf Stürmer Arno Glesius und fragte: „Spielt der Dicke auch mit?“ Franz, der kurz nach seinem Amtsantritt modeunbewusste Journalisten darauf hinwies, er trage einen maßgeschneiderten Anzug, hielt die Mannschaft einen Tag nach seinem 55. Geburtstag furios in der Liga, stellte dann aber für die neue Saison einen untauglichen Kader zusammen.
Der Auftakt in diese Runde ging fürchterlich schief mit einem Punkt und 0:13 Toren. Pech: Das 2:2 gegen Hannover 96 am ersten Spieltag mit dem späten Ausgleich durch Torwart Stephan Kuhnert wurde am grünen Tisch mit 0:2 gewertet, weil Thomas Ziemer ohne Spielberechtigung mitgewirkt hatte. Franz wurde entlassen, Wolfgang Frank sein Nachfolger, der die Grundlagen für den Wandel des Klubs von einer grauen Zweitligamaus zu einem Erstligisten und Europapokalteilnehmer legte. Franz wiederum wird heute 80 Jahre alt.
Zu den Aphorismen aus dem Franzschen Oeuvre gehört der Satz: „Wenn das Spiel anfängt, haben wir einen Punkt. Den wollen wir behalten.“
Tabellarisch bedeutungslos war die 0:3-Heimniederlage gegen Tennis Borussia Berlin am 17. Juni 1999. Ärgerlich war sie dennoch: Hätten die Mainzer an diesem letzten Spieltag wenigstens einen Punkt geholt, wären sie in dieser Saison zu Hause ungeschlagen geblieben.
Weitere Ergebnisse am 17. Juni:
1973: FC St. Pauli – FSV Mainz 05 2:2
1990: FSV Mainz 05 – SSV Reutlingen 05 2:3
*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).
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