„Sehe ich aus, als ob ich Glück bräuchte?“
Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es um einen Spieler, dessen Karriereverlauf um Lichtjahre hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb.
5. Juli
Ansgar Brinkmann hat Geburtstag. Der selbsternannte „letzte Rebell“ – der Spitzname „weißer Brasilianer“ ist eine Erfindung der Medien, die Brinkmann gar nicht so sehr mag – müsste vom Talent her eigentlich 400 Bundesliga- und 80 Länderspiele absolviert haben, machte aber viel zu wenig aus seinen Möglichkeiten. Brinkmann sagt selbst, er sei viel zu spät auch im Kopf ein Profi geworden.
In der Tat war der Angreifer ein Spieler, der sich gerne ein bisschen nonkonformistisch verhielt, sich als Antipode zum Trainer gefiel, immer wieder für ein Skandälchen gut war und nie länger als nötig bei einem Verein verweilen wollte. Mit drei Klubs in der Jugend und 15 als Erwachsener zählt er zu den Profis mit den meisten Stationen in seiner Karriere, und seine größten Erfolge beschränken sich auf zwei Bundesligaaufstiege: 1998 mit Eintracht Frankfurt, 2002 mit Arminia Bielefeld.
Passend: Als Brinkmann mit 29 Jahren endlich die Bundesliga erreichte, war er direkt vom absoluten Tiefpunkt seiner Karriere gekommen. Oberligist BV Cloppenburg hatte ihn ein halbes Jahr zuvor zur Reserve in die A-Klasse degradiert.
Longboard und Dschungelcamp
Brinkmann war von Haus aus ein dribbelstarker, fintenreicher Rechtsaußen, wurde aber 1987 mit Bayer Uerdingen (und Oliver Bierhoff) als Verteidiger Deutscher U-19-Meister. Mit 18 Jahren kam er in die Zweite Bundesliga – dreieinhalb Jahre beim VfL Osnabrück bedeuteten seine längste Zeit bei einem Verein. Über Preußen Münster kam Brinkmann 1993 zu den 05ern, für die er in zwei Jahren und 55 Zweitligaspielen sieben Tore schoss.
Bei seinen weiteren Vereinen (noch einmal Münster, FC Gütersloh, SC Verl, wieder Gütersloh, Cloppenburg und Frankfurt, Tennis Borussia Berlin und erneut Osnabrück, Bielefeld, LR Ahlen, FC Kärnten, Dynamo Dresden und zum Schluss noch einmal Preußen Münster), die mit dem Vertragsabschluss auch schon mal seine Schulden tilgten, wurde Brinkmann im Laufe der Jahre auf dem Platz immer weiter nach hinten geschoben.
Zeitweise liebäugelte er mit einem (spektakulären) Engagement unter seinem ehemaligen Mainzer Trainer Josip Kuze in Japan („Wenn ich zurückkomme, essen die mit Messer und Gabeln“), später wurde er zum begeisterten Longboard-Fahrer, 2018 zog er ins RTL-Dschungelcamp ein. Als er 2009 in Bielefeld sein Abschiedsspiel gab und ihm beim Einlaufen jemand „viel Glück“ zurief, stoppte er kurz, dreht sich um und erwiderte: „Sehe ich aus, als ob ich Glück bräuchte?“
Heute wird Ansgar Brinkmann 51 Jahre alt.
*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).
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