Kalenderblätter | Christian Karn / Peter H. Eisenhuth | 11.07.2020

Einer der letzten Senkrechtstarter

Das 05-Kalenderblatt* für den 11. Juli.
Schaffte es aus den Tiefen des Amateurfußballs ins Profigeschäft: Frank Möller.
Schaffte es aus den Tiefen des Amateurfußballs ins Profigeschäft: Frank Möller.

Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es unter anderem um einen Laubenheimer, der um ein Jahr Deutscher Meister geworden wäre, um einen Spanier, der als Europapokalsieger nach Mainz kam, um einen Stürmer, der das Zeug hat, sich oben festzuspielen und um das früheste Ligaspiel der Vereinsgeschichte.

 

11. Juli

Einer der letzten echten Senkrechtstarter der 05er wird heute 53 Jahre alt: Frank Möller, 1989 aus dem tiefsten Amateurfußball von Alemannia Laubenheim an den Bruchweg gekommen. Im ersten Spiel nur eingewechselt, war er von der zweiten Partie an im besten Team der Mainzer Oberliga-Historie auf dem rechten Flügel unumstrittener Stammspieler.

Auch in der Zweiten Bundesliga verpasste Möller eineinhalb Jahre lang kaum ein Spiel – und schon in der Winterpause 1991/92 wechselte er in die Bundesliga. Mit Eintracht Frankfurt verpasste Möller erst am letzten Spieltag die Deutsche Meisterschaft. Von Februar bis April war er sogar in dieser überragenden Mannschaft Stammkraft. Wegen Verletzungen spielte er ab 1992 jedoch nur noch dreimal für die Eintracht und achtmal für den Zweitligisten 1. FC Nürnberg. 1995 musste er seine Karriere im Alter von nur 27 Jahren beenden.

 

27 Jahre alt wird ein Europapokalsieger – im Endspiel der Saison 2013/14 war Jairo Samperio Bustara jedoch nicht dabei. Es wäre eines seiner letzten Spiele für den FC Sevilla gewesen. In jenem Sommer wechselte der Spanier zum FSV Mainz 05, wo er im ersten Jahr noch eher Einwechselspieler, mit zwei Toren und sechs Vorlagen aber schon durchaus effizient war.

Im zweiten Jahr schien der Rechts- und Linksaußen mit sieben Toren und acht Vorlagen den Durchbruch geschafft zu haben; eine Verletzung warf ihn jedoch in der folgenden Saison weit zurück. Zwar fehlte Jairo nicht allzu lange, er fand aber kaum noch zur gewohnten Form und traf lediglich zweimal per Elfmeter.

Im Winter 2017/18 wechselte er zu DU Las Palmas, ein halbes Jahr später kehrte er nach Deutschland zurück, wo er mit dem Hamburger SV inzwischen zweimal den Aufstieg in die Erste Liga verpasst hat.

 

Seinen 22. Geburtstag feiern kann Jannik Mause, ehemaliger Stürmer der U19 und der U23. Nach dem ersten A-Jugend-Jahr vom West-Bundesligisten 1.FC Köln mit einer herausragenden Quote von 20 Toren in 23 Spielen gekommen, traf er für die Mainzer Junioren in 18 Partien siebenmal. In seinen beiden Regionalligajahren vermochte er daran nicht anzuknüpfen, 27/5 und 26/2 lautete Mauses Bilanz unter Dirk Kunert und Bartosch Gaul, seine Abschlussquote ließ zu wünschen übrig, und als Gaul ihn in der Schlussphase der Saison 2018/19 aus disziplinarischen Gründen nicht mehr in den Kader nahm, war klar, dass die Zusammenarbeit enden würde; der Stürmer wechselte zum Ligakonkurrenten TSV Steinbach Haiger.

 

Viel Geduld brauchte in der zurückliegenden Saison Jonathan Burkardt. Der 2014 aus Darmstadt Stürmer, der schon ein Jahr zuvor als A-Jugendlicher einen Profivertrag und die ersten vier Bundesligaeinsätze erhalten hatte, stand unter Sandro Schwarz noch fünfmal auf dem Platz; nach dem Trainerwechsel fand er lange Zeit allenfalls einen Platz auf der Bank.

Ein Kurzeinsatz beim 2:2 in Köln unterbrach eine Serie von Spielen, in denen Burkardt nicht auf dem Bogen stand, seinen großen Auftritt aber hatte er am drittletzten Spieltag: Beim Mainzer 2:0-Sieg in Dortmund verwertete er eine Flanke von Ridle Baku mit einem perfekten Kopfball zur Führung und bot auch darüber hinaus eine überzeugenden Leistung. Gleiches galt bei der 0:1-Niederlage zum Abschluss in Leverkusen, wo er als bester 05er kurz vor dem Ende mit Krämpfen vom Feld musste.

Burkardt hat das Zeug, in der nächsten Saison nach Baku und Leandro Barreiro der dritte Youngster aus dem eigenen Nachwuchs zu werden, der sich in der Bundesliga festspielt.

Heute wird er 20 Jahre alt.

 

Im Sommer 1992 erreichte die bis zur Einführung des Videobeweises größte Revolution im Fußball auch die 05er: Mit Saisonbeginn durften die Torhüter Rückpässe nicht mehr mit der Hand aufnehmen, was zu bizarrsten Szenen führte. So knieten die Abwehrspieler des Wuppertaler SV beim 3:1-Sieg des Aufsteigers gegen die 05er am Strafraum nieder und ließen sich vom Torwart anschießen – abgeprallte Bälle durfte dieser weiterhin in die Hand nehmen.

Dass überhaupt so früh schon wieder gespielt wurde – bis heute ist diese Partie das früheste Ligaspiel der 05-Historie – lag an der Einbindung der Ostvereine in den gesamtdeutschen Spielbetrieb. 1990/91 hieß die DDR-Oberliga bereits NOFV-Oberliga; sie begann in der DDR und endete in der Bundesrepublik Deutschland. 1991/92 spielten die beiden besten Ostklubs in der Bundesliga, sechs weitere wurden in die Zweite Liga eingebaut, die in zwei Zwölferstaffeln mit 22 normalen Spieltagen und anschließender Auf- und Abstiegsrunde ausgetragen wurde. Die Mainzer entgingen dem Abstieg dank des besseren Torverhältnisses gegenüber dem TSV 1860 München, wenn man so will ein frühes Verdienst von Jürgen Klopp, der am vierten Spieltag beim 5:0-Sieg in Erfurt viermal getroffen hatte.

1992/93 schließlich wurde es richtig wild: Die intensivste Saison des deutschen Fußballs ließ 24 Zweitligisten an 46 Spieltagen gegeneinander antreten. Es gab fünf englische Wochen in den ersten zwei Monaten, 25 Spieltage vor der Winterpause und sieben Absteiger.

 

*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).

 

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