Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 30.10.2020

„Mit weniger wird es nicht funktionieren“

Die kleinen Fehler abstellen, die positiven Elemente aus den beiden vorherigen Spielen auf den Platz bringen: Wenn das gelingt, kann der FSV Mainz 05 am Samstag (15.30 Uhr) beim FC Augsburg die ersten Punkte in dieser Saison holen.
Ihr einziges Erfolgserlebnis seit der Sommerpause hatten Moussa Niakhaté im Pokal gegen Regionalligst TSV Havelse. Am Samstag sollen sich das ändern.
Ihr einziges Erfolgserlebnis seit der Sommerpause hatten Moussa Niakhaté im Pokal gegen Regionalligst TSV Havelse. Am Samstag sollen sich das ändern. | Eva Willwacher

Mainz. Länger anhaltende Serien ohne oder mit sehr wenig Ertrag kennen sie beim FSV Mainz 05 nicht erst seit dieser Saison. Drei Beispiele: Im zweiten Bundesligajahr, damals hieß der Trainer noch Jürgen Klopp, gingen die ersten fünf Punktspiele verloren. 2011/12 unter Thomas Tuchel setzte am dritten Spieltag eine Reihe von neun Partien ein, in der die größten Erfolge aus drei Unentschieden bestanden. Zwei Jahre später, immer noch unter Tuchel, sprang in der Frühphase der Saison aus sieben aufeinanderfolgenden Begegnungen nur ein Punkt heraus.

Immer waren es unterschiedliche Situationen, immer gab es andere Erklärungen (2005 war es die ungewohnte Doppelbelastung mit der Teilnahme am Uefa-Cup). Was alle Szenarien gemeinsam hatten: Stets gelang den 05ern die Wende, am Saisonende belegten sie die Plätze elf, dreizehn und sieben. Während der kleineren und größeren sportlichen Krisen stellte sich auch immer die Frage, wie lange die jeweiligen Trainer ihren Spielern erzählen konnten, auf einem guten Weg zu sein, bevor deren Glaube mangels zählbarer Belege zu schwinden drohte.

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Null Punkte und 2,2 Millionen Minus

In der laufenden Saison warten die Rheinhessen seit fünf Spieltagen auf den ersten Punkt. Wann sich intern Zweifel an einer nachhaltigen Umkehr dieser Entwicklung ausbreiten könnte, wisse er nicht, sagt Jan-Moritz Lichte. „Momentan habe ich das Gefühl, dass wir im Staff und auch die Spieler daran glauben, dass es klappt“, betont der Trainer. „Wann das nicht mehr der Fall sein wird, darüber mache ich mir keine Gedanken. Die Spieler wissen, dass wir weiterarbeiten müssen, damit wir uns irgendwann belohnen.“

In den zurückliegenden beiden Partien fehlte nicht viel. Gegen Bayer Leverkusen war es ein einziger nicht geklärter Eckball, der zur 0:1-Niederlage führte. Gegen Borussia Mönchengladbach, im bisher besten Mainzer Saisonspiel, fiel das entscheidende 2:3 ebenfalls nach einer Ecke. Als Konsequenz (nicht nur) aus diesen beiden Szenen hat Jan-Moritz Lichte in dieser Woche damit begonnen, das Standardtraining zu intensivieren.

Ein verstärktes Augenmerk auf die Verteidigung von Ecken und Freistößen soll helfen, dem relativen Erfolgserlebnis des Klubs auf wirtschaftlicher Ebene, das der Kaufmännische Vorstand Jan Lehmann unter der Woche in der digitalen Informationsveranstaltung verkündete, ein absolutes sportliches folgen zu lassen. Mit einem Minus von 2,2 Millionen Euro ist der Verein aus der zurückliegenden Saison herausgegangen. Keine schöne Zahl, doch damit stehen die 05er nach der ersten von Corona überschatteten Saison in der Bundesliga immer noch besser da als viele andere Bundesligisten.

Schröder betont das Privileg

Der für 2020/21 erwartete Verlust wird allerdings deutlich höher ausfallen. Lehmann plant mit einem Budget von nur noch 88 Millionen statt zuletzt 104 Millionen Euro; die 16 Millionen an Einnahmeverlust setzen sich aus geringerem Kartenverkauf (minus neun Millionen), rückläufigen Medienerlösen (minus sechs Millionen) und geringeren Einnahmen aus dem Sponsoring (minus eine Million) zusammen. Der Finanzaufwand beträgt 102 Millionen Euro, macht unterm Strich einen geplanten Verlust von 14 Millionen Euro.

Dass gemäß der Vorgaben von Bund und Ländern zur Bekämpfung der zweiten Coronawelle zunächst bis Ende November der Profisport zwar stattfinden darf, aber keine Fans zugelassen sind, trifft die Mainzer wirtschaftlich nicht. „Bis Jahresende haben wir ohne Zuschauereinnahmen geplant“, betonte Sportvorstand Rouven Schröder bei der Pressekonferenz vor dem Augsburg-Spiel noch einmal. Sollte sich die Reihe der Geisterspiele jedoch über den Jahreswechsel hinaus verlängern, würde sich dies auch auf den Etat auswirken.

Schröder empfindet das erneute Zuschauerverbot als „bitter“. Der Manager vergisst jedoch nicht, die Sonderstellung des Profisports zu erwähnen. „Wir sind privilegiert, wir dürfen weiterspielen“, sagt er, „andere Branchen wie die Künstler dürfen es nicht.“

Mehr Kapital aus den Chancen schlagen

Lichte und sein Team können grundsätzlich an dem anknüpfen, was sie gegen Bayer Leverkusen und Gladbach gezeigt haben. Pressing, Gegenpressing, Umschalten nach Ballgewinn waren Themen, denen sich der Kader in den vergangenen Tagen widmete. „Wir sind dabei uns zu entwickeln“, verweist der Trainer unter anderem auf die positiven Zahlen, die ihm Videoanalyst Daniel Fischer nach dem vorigen Samstag präsentierte. Besonders erfreulich sei die Steigerung der Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte, sagt Lichte – daraus soll die Mannschaft noch mehr Kapital schlagen.

Schon gegen die Borussia habe seine Elf ja genügend Chancen herausgespielt, um mehr als zwei Tore zu erzielen, betont der Trainer. „Unsere Offensivleistung war besser als in den ersten Wochen, weil wir zum einen eine gute Ordnung und dann auch viele gute Läufe hatten und gute Pässe gespielt hatten.“

Ein Pass, auf den das nicht zutraf, war jener von Moussa Niakhaté im Spielaufbau von der linken Seite ins Zentrum, womit er den Gladbacher Konter einleitete, der in den Elfmeter zum 2:2 mündete. „Prinzipiell kann man diesen Pass spielen“, sagte Lichte nach der eingehenden Analyse. „Der Ball sollte durch die Mittelfeldreihe durchgehen.“ Ein Ballverlust könne natürlich passieren, weil das Zuspiel nicht ganz präzise gekommen oder der potenzielle Empfänger einen Tick zu spät gekommen sei.

Guter Gedanke zur falschen Zeit

Das in diesem Fall auschlaggebende Problem sei jedoch gewesen, dass sich die Mannschaft in der Umschaltsituation noch nicht in der Ordnung für einen klaren Spielaufbau befunden habe. Sprich: Niakhaté setzte einen grundsätzlich guten Gedanken zum falschen Zeitpunkt um, leicht verfrüht. „In diesem Moment hätte er den Ball entweder über die gegnerische Abwehrkette oder zurück zum Torwart spielen müssen, um neu aufzubauen.“

Aus solchen Fehlern lernen, sie fortan vermeiden und die positiven Elemente beibehalten: So ließe sich am Samstag in Augsburg reüssieren. Gegen eine physisch starke, defensiv disziplinierte Mannschaft mit schnellen Umschaltspielern, wie Lichte ausführt. „Derzeit haben die Augsburger die höchste Laufdistanz aller Mannschaften, bei Sprints sind sie weit vorne. Da müssen wir alles auf den Platz bringen, was wir in den letzten zwei Spielen draufhatten. Mit weniger wird es nicht funktionieren.“

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