Wo sollte der Punkt herkommen?
Augsburg. Was kann man von einer Mannschaft erwarten, die nach fünf Spieltagen ohne Punkt am Tabellenende steht? Die dringend den Negativtrend stoppen und den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze halten will? Sicher nicht, dass sie Zauberfußball zelebriert. Aber zumindest, dass sie die oft beschworenen Basistugenden auf den Platz bringt. Dass die Spieler rennen und kämpfen, dass sie sich in Zweikämpfe stürzen, den Gegner bearbeiten und über diese Arbeit vielleicht auch zu Torchancen kommt.
Wenn das dann trotzdem nicht reicht, weil der Kontrahent zu stark ist oder einen Glückstreffer landet, dann ist das halt so.
Was in einer solchen prekären Situation nicht angeht, ist das, was der FSV Mainz 05 am Samstagnachmittag beim FC Augsburg bot. Eine unfassbar kümmerliche, unengagierte, passive Leistung, an deren Ende eine 1:3 (0:1)-Niederlage stand. Nur eine Randnotiz ist, dass die Rheinhessen damit den Bundesliga-Minusrekord von Fortuna Düsseldorf aus der Saison 1991/92 eingestellt haben, indem sie die ersten sechs Saisonspiele verloren.
„45 Minuten Schlafwagenfußball“
„Das wollen Sie jetzt nicht so genau wissen“, sagte Daniel Brosinski wenige Minuten nach dem Abpfiff am „Sky“-Mikrofon auf die Frage, wie seine Gedanken aussähen. Aber der 05-Verteidiger sprach auch Klartext: „Von den elf Mann, die von Beginn an auf dem Platz standen, war das nicht bundesligatauglich.“ Verglichen mit den Partien gegen Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach war es nicht nur spielerisch ein deutlicher Rückschritt, auch vom in diesen beiden Heimspielen gezeigten Engagement war nicht zu erkennen.
Brosinski sprach von „45 Minuten Schlafwagenfußball“ vor der Pause, was freilich mehr oder weniger auf beide Mannschaften zutraf. Und das machte die Sache noch schlimmer. Die Mainzer standen einem Gastgeber gegenüber, der weder daran interessiert war, das Spiel zu machen, noch den Mainzer Aufbau unter Druck zu setzen. Doch die 05er ließen nicht erkennen, wie sie gedachten, endlich den ersten Punkt oder besser gleich drei zu holen. Träge, zweikampfschwach, mangelhaft im Passspiel. Letzteres galt an einer Schlüsselstelle insbesondere für Jean-Paul Boëtius. Der Niederländer, der vor Wochenfrist gegen Gladbach endlich mal wieder die Rolle des Zehners richtig ausgefüllt hatte, brachte kaum einen Ball an die Mitspieler.
Gleicher Fehler wie gegen Gladbach
Der wesentliche Unterschied in der ersten Halbzeit war, dass die Gastgeber einen hellwachen Moment hatten: Jeffrey Gouweleeuw schlug einen Ball von hinten rechts diagonal an den Mainzer Strafraum, André Hahn verlängerte per Kopf auf Iago. Dessen Schuss blockte Jeremiah St. Juste zwar noch, doch der Ball hatte so viel Drall, dass er unberechenbar hoch in die Mitte flog, wo Ruben Vargas aus fünf Metern zu einem Fallrückzieher ansetzte, der das 1:0 brachte (40.).
Der auf der Torlinie stehende Moussa Niakhaté reagierte gar nicht erst – das war angesichts der kurzen Entfernung zum Schützen wahrscheinlich auch nicht mehr möglich. Hilfreich wäre es allerdings gewesen, hätte sich St. Juste direkt um Iago gekümmert, statt ins Kopfballduell mit Hahn zu gehen. Das tat ja schon Innenverteidiger Luca Kilian. Ein beinahe identischer Fehler war dem rechten Verteidiger bereits vor einer Woche beim ersten Gegentor gegen Gladbach unterlaufen.
Bis zur Augsburger Führung war es ein sehr verhaltener, um nicht zu sagen müder und ermüdender Kick gewesen. Nach je einem Abschluss innerhalb der ersten zwei Minuten – der Mainzer Kunde schoss aus der Distanz am Tor vorbei, der Augsburger Vargas traf das Außennetz – tat sich nicht mehr viel. Der FCA war mit einer Ecke gefährlich, Vargas zielte ein weiteres Mal knapp vorbei.
Und die Mainzer? Drangen erst, nachdem sie in Rückstand geraten waren, mal in den gegnerischen Strafraum ein, wo Robin Quaison zwar den Ball gegen zwei Verteidiger behauptete, aber keinen Abschluss hinbekam.
Onisiwo erzeugt Hoffnung
Um Nuancen besser wurde es nach dem Seitenwechsel. Für einige Minuten konnte man den Eindruck gewinnen, die 05er wollten die Schwaben aggressiv anlaufen, und wären die Bemühungen nicht halbherzig geblieben, hätten sie dem in dieser Phase schwächelnden FCA das Spiel entreißen können.
Erst recht nach Karim Onisiwos Hereinnahme. Jan-Moritz Lichte brachte ihn nach einer knappen Stunde für den selbst mit der Ballannahme überforderten Jean-Philippe Mateta, und mit seiner ersten Strafraumszene erzielte der Österreicher das 1:1 (64.). Die Vorarbeit, eine Hereingabe von der rechten Seite, kam von in Onisiwos Sog erstarkenden Levin Öztunali. Und begonnen hatte dieser perfekte Konter mit einem robusten Ballgewinn Luca Kilians am eigenen Sechzehner gegen Vargas, danach trieb St. Juste den Ball nach vorne.
Der Aufschwung hielt nicht lange an. Öztunali zog kurz vor der rechten Strafraumgrenze einen Freistoß gegen Iago (66.) und prüfte Torwart Rafal Gikiewicz (69.), wenig später fielen die Gäste aber wieder in die alte Passivität zurück. Nach einem zu kurzen St.-Juste-Rückpass musste Zentner 16 Meter vor seinem Tor mit einer Fußabwehr gegen Hahn retten (70.), Michael Gregoritsch verfehlte mit einem Flachschuss knapp das linke Eck des Mainzer Tores (71.).
Kollektiv abgeschaltet
Und dann rissen die 05er das zarte Pflänzchen der Hoffnung selbst aus, indem sie sich einen zweiten verhängnisvollen Abwehrfehler an diesem Nachmittag leisteten, den die Augsburger knallhart bestraften. „Alle dachten, es sei abseits“, erläuterte Danny Latza das kollektive Abschalten bei der Flanke von Iago, die Alfred Finnbogason vom Elfmeterpunkt ungestört per Kopf auf Hahn ablegte, der, ebenfalls unbedrängt, mit einem Flachschuss das 2:1 erzielte (80.).
Eine Chance, ein Unentschieden zu retten, bot sich den 05ern noch mit einem sehenswerten Flankenlauf von Onisiwo und einer klasse Direktabnahme von Jonathan Burkardt, die ein Stück zu hoch angesetzt war (88.). Burkardt war einer von vier Akteuren, die Lichte fünf Minuten zuvor eingewechselt hatte.
Einen weiteren Treffer erzielte allerdings nur noch der FCA: Hahn vollendete in der Nachspielzeit einen Konter von Noah Joel Sarenren Bazee. Darauf kam es für die Mainzer jedoch auch nicht mehr an.
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