In größter Bedrängnis am coolsten
Mainz. Viel fehlte nicht, und Christina Bednarczyk hätte am ersten Tag der 8. SiNN Mainz Open für eine faustdicke Überraschung gesorgt. Dank einer Wildcard ins Hauptfeld gelangt, hatte die 17-jährige Verbandsligaspielerin des TSC Mainz, Nummer 424 der deutschen Rangliste, die Hamburgerin Ada Gergec am Rande einer Niederlage.
„Ja, ich hätte gewinnen sollen“, sagte sie nach dem Match gegen die deutsche Nummer 103. Spätestens, nachdem sie im Matchtiebreak aus einem 2:6 ein 8:6 gemacht und bei 9:7 zwei Matchbälle hatte. Just in dieser Situation aber verließ sie der Mut. „Am Ende habe ich nicht mehr aggressiv gespielt, ich war zu vorsichtig“, räumte Bednarczyk ein.
Als Außenseiterin auf den Platz gegangen, hatte sie plötzlich etwas zu verlieren, und „mit der Führung war es mental schwieriger“. Hinzu kam, dass ihre Gegnerin beim Stand von 8:6 einen gewaltigen Longline-Return auspackte. „Der hätte auch ins Klubhaus fliegen können“, kommentierte TSC-Trainer Kai Heinicke. „So aber landet er genau in der Ecke, und statt 9:6 steht es 8:7. Am Ende entscheiden in einem so engen Match ein, zwei Bälle“ – und in diesem Fall das Plus an Erfahrung.
Störende Elemente
Bereits im ersten Satz war Bednarczyk drauf und dran, ihrer Kontrahentin den Zahn zu ziehen. Gergec verhehlte nicht, wie unzufrieden sie mit ihrem Spiel war, trat Bälle durch die Gegend, warf den Schläger, schrie ihren Unmut heraus („Ich weiß nicht, was das hier ist“) und wendete vielleicht auch damit den Worst Case gerade noch ab. „Ich habe versucht, mich ganz auf mein Spiel zu konzentrieren, aber bei wichtigen Punkten hat das gestört“, kommentierte Bednarczyk dieses Gebaren, das freilich für die zahlreichen Zuschauer einen gewissen Unterhaltungswert hatte.
Erstmals in Führung ging die Mainzerin zum 5:4, drei Ballwechsel später stand sie mit 40:0 kurz vor einem Break zum Satzgewinn – und die Wahrscheinlichkeit, Gergec damit nervlich zu zermürben, schien hoch. Doch die Hamburgerin wehrte nicht nur die Breakbälle ab und glich aus, sondern nahm Bednarczyk anschließend den Aufschlag ab. Das emotionale Wechselbad nahm seinen Lauf.
Mit einer ihrer zahlreichen guten Vorhände, einem harten Return zum 6:6 erzwang das TSC-Talent den Tiebrak, den es allerdings wegen zu vieler kleiner Fehler rasch mit 3:7 abgab.
Heinicke lobt Konsequenz
Wer jetzt glaubte, Gergec sei obenauf und werde locker in die zweite Runde marschieren, täuschte sich gewaltig. Vielmehr zog Bednarczyk auf 3:0 und 4:1 davon, ihre ein Jahr ältere Kontrahentin vom Club an der Alster zeigte zeitweise resignative Züge, schaffte es aber, mit dem 5:5 das Momentum auf ihre Seite zu ziehen. Wenn auch nur kurz: Die Mainzerin, die in Momenten größter Bedrängnis am coolsten wirkte, konterte mit einem Break zum 6:5 und ließ sich bei eigenem Service auch den Satz nicht mehr nehmen.
„Wir arbeiten vor allem daran, dass Christina ihr Spiel konsequent durchzieht, dass sie aggressives Tennis spielt, und die Spielzüge, die wir einstudieren, durchspielt“, erläuterte Kai Heinicke. „Das hat sie heute schon viel besser gemacht als in früheren Matches, sonst hätte sie nicht so gut mitgehalten und es in den Matchtiebreak geschafft.“
In dem schien sie auf verlorenem Posten zu stehen. Ada Gergec spielte sich in einen kleinen Flow, führte schnell mit 6:2 – dann kam der nächste Bruch. Bednarczyk holte Punkt um Punkt auf, mal dank Eigenleistung, mal unter Mithilfe ihrer Gegnerin wie beim 6:6, als sie einen Stopp erlief, kurz, aber zu hoch zurückbrachte und Gergec eine Art Elfmeter ohne Torwart verschenkte, indem sie die Kugel über die Grundlinie hinaus drosch. Prompt legte sie auch noch einen Doppelfehler nach, und Bednarczyk hatte das Geschehen gedreht.
Klare Weiterentwicklung
„Schade, dass es nicht gereicht hat“, sagte Heinicke, „dennoch war es super für Christina, Erfahrung zu sammeln. Sie hat noch nicht so oft Spiele auf diesem Level.“ Das scheint jedoch nur noch eine Frage der Zeit. In den 15 Monaten gemeinsamer Arbeit sind deutliche Entwicklungsschritte zu erkennen, die Athletin hat ihre LK von 10 auf 2,5 verbessert und erste Punkte für die Jugendweltrangliste gesammelt, unter anderem durch den Einzug ins Halbfinale eine ITF-Nachwuchsturniers.
„Sie ist erst mit zehn Jahren zum Tennis gekommen, andere sind einige Jahre früher dran“, sagt der Coach. „Aber sie ist ehrgeizig, wir trainieren jeden Tag. Und weil sie physisch sehr stark ist, können wir uns auf die technischen und taktischen Dinge konzentrieren. Das wird schon.“
Die Überraschung, die Christina Bednarczyk verwehrt blieb, gelang Lorena Schädel: Die Heidelbergerin, Nummer 84 in Deutschland, schaltete die an zwei gesetzte Tessa Brockmann (DTB-37) mit 6:1, 6:1 aus. Die sieben weiteren gesetzten Spielerinnen erreichten allesamt das Achtelfinale, darunter TSC-Eigengewächs Livia Kraus mit einem ungefährdeten 6:1, 6:2 gegen Indira Schmerling (Halle, DTB-135). Weiter geht es am Samstag um 12.15 Uhr. Kraus trifft dann auf Denise Torrealba (TV Buchschlag, DTB-107).
Kirchner in zwei Sätzen weiter
Bei den Männern freute sich Daniel Kirchner über eine Premiere: Seinen ersten Sieg bei den SiNN Mainz Open. Dreimal war das TSC-Talent bislang dabei, hatte sich mal in der Qualifikation, mal im Hauptfeld prächtig gegen gestandene Konkurrenten geschlagen, aber stets den Kürzeren gezogen. Am Freitag setzte sich der 17-Jährige gegen den acht Jahre älteren Düsseldorfer Maximilian Nilges mit 6:3, 6:3 durch.
„Endlich habe ich das mal geschafft“, sagte er lachend. „Anfangs war ich etwas nervös und lag deswegen auch 0:2 und 0:40 zurück.“ Danach fand er zu seinem Spiel, ging mit 3:2 und 4:3 in Führung und holte sich den Satz. Im zweiten Durchgang ging es über 4:1 und 4:3 zum Sieg. Anschließend verschaffte er sich noch einen Eindruck vom an Nummer drei gesetzten Pforzheimer Johann Willems – auf die deutsche Nummer 57 trifft Kirchner (DTB-430) am Samstag um 10.30 Uhr.
Der Ex-Mainzer Mika Lipp bezwang den Kölner Mark Simons mit 6:4, 6:2 und muss jetzt gegen Leo Pade (Haar) ran.