Nach epischem Duell noch genügend Reserven
Mainz. Ein bisschen frustriert wirkte Eva-Marie Voracek, als sie sich von ihrer Bank aus umdrehte und ihrer Mutter ein paar Worte auf Tschechisch zurief. „Vier Stunden zwanzig für nix“, übersetzte die dem SPORTAUSMAINZ.de-Reporter. 4:20 Stunden – so lange hatte das Halbfinale zwischen der Münchenerin und Luisa Meyer auf der Heide gedauert. Ein episches Duell, das die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer fesselte, Turnierrekord. Mit dem besseren Ende für die an Position eins gesetzte Berlinerin: Meyer auf der Heide setzte sich mit 3:6, 6:4, 7:6 durch.
„Ich hoffe, dass die Kraft noch reicht“, sagte die 21-Jährige hinterher, schließlich stand ja noch das Finale gegen Selina Dal an, die vergleichsweise mühelos weitergekommen war. Und ja, die Kraft reichte. Mit 6:4, 6:4 gewann die Favoritin auch das letzte Match der 8. SiNN Mainz Open, die bei den Damen erstmals als A-2-Turnier und im Rahmen der DTB-Premium-Tour stattfanden.
Noch einmal rund zweieinhalb Stunden gab es Tennis auf hohem Niveau zu sehen, wenngleich deutlich weniger dramatisch als zuvor. Und nicht für Meyer auf der Heide wurde Müdigkeit zum Problem, sondern für Dal. „Bei 2:2 im zweiten Satz habe ich gemerkt, dass mir gerade die Energie ausgeht“, sagte die nur wenige Minuten von der Anlage am Ebersheimer Weg entfernt wohnende Mainzerin, die ihre ersten Schritte beim TSC gemacht hatte, aber seit acht Jahren für den BASF TC Ludwigshafen spielt.
Dal schwindet die Kraft
Angesichts des Turnierverlaufs war diese Entwicklung erstaunlich. Dal war nach zwei nur bedingt fordernden Matches in der ersten Runde und im Achtelfinale mit einem 3:0-Aufgabesieg gegen die erschöpfte Julia Rennert (Kölner HTC) ins Halbfinale gelangt, in dem sie sich gegen die merkwürdig körperspannungsfreie Franziska Sziedat (Potsdam) mit 6:3, 6:4 behauptete.
„Ich hätte es mir weniger wacklig gewünscht, aber ich war auch ein bisschen nervös“, kommentierte sie im Anschluss das Hin und Her im zweiten Satz, dessen prägendes Merkmal die fehlende Konstanz war, wie die Zwischenstände verdeutlichen: 1:0, 1:2, 3:2, 3:4, 5:4. Hatten sich bis dahin bei beiden Kontrahentinnen starke Schläge mit unnötigen Fehlern abgewechselt, machte Dal mit dem dritten gewonnenen Spiel hintereinander den Sack zu.
Was der 21-Jährigen mehr zusetzte als die Halbfinalgegnerin, waren die hohen Temperaturen und ein Tick fehlender Fitness. Ihre Teilnahme an der TSC-Pressekonferenz eine Woche zuvor hatte sie krankheitsbedingt absagen müssen, in der Vorbereitung aufs Turnier konnte sie nicht im gewohnten Maß trainieren. Den Moment, in dem ihr im Finale die Kraft schwand, nutzte Meyer auf der Heide, um sich auf 4:2 abzusetzen. „Ich bin zwar noch mal auf 4:5 rangekommen, aber am Ende hat sie einfach zu gut serviert“, erkannte Dal an.
Noch nie so weit gekommen
Im ersten Satz wäre mehr dringewesen. Bei 4:4 und Einstand nämlich unterlief der Mainzerin ein Fehler am Netz, „wie ich ihn im gesamten Turnier nicht gemacht hatte“. Wenig später wehrte sie drei Satzbälle mit Winnern ab, den vierten verwandelte ihre Gegnerin.
Ungeachtet der Niederlage zeigte sich Dal mit ihrem Abschneiden sehr zufrieden. „So weit bin ich bei den Mainz Open noch nie gekommen“, sagte sie. Und mit der erhöhten Punktzahl, die es dank der Aufwertung zum A-2-Turnier gibt, dürfte sie sich in der deutschen Rangliste vom 58. Platz um einige Positionen verbessern.
Luisa Meyer auf der Heide, die sich bei der achten Auflage der SiNN Mainz Open als siebte Siegerin in die Bücher einschrieb – zweimal erfolgreich, 2017 und 2019, war die Aachenerin Lea Gasparovic – musste schon am Samstagnachmittag harte Arbeit verrichten. Im Viertelfinale behielt sie gegen die einstige TSClerin Livia Kraus im Matchtiebreak mit 10:6 die Oberhand, allerdings war es kein Vergleich zu dem, was sie in der nächsten Runde erwartete, von der an die dritten Sätze ausgespielt werden mussten. „Wie früher“, erinnerte der Mainzer Cheftrainer Babak Momeni an die Zeiten vor 2006, bevor jemand auf die Idee kam, den dritten Satz durch einen verlängerten Tiebreak zu ersetzen.
„Wir hätten beide den Sieg verdient“
„Ich bin froh, dass ich es nach Hause bringen konnte, aber wir hätten beide den Sieg verdient“, sagte Meyer auf der Heide nach dem Marathonmatch gegen Eva-Marie Voracek. „Nicht ich habe verloren, sie hat gewonnen“, ergänzte die Unterlegene nach dem Spektakel, dessen ersten Satz die Nummer 59 in Deutschland und Nummer acht der Setzliste mit 6:3 gewonnen hatte.
Danach reduzierte Meyer auf der Heide die Anzahl ihrer Fehler, gewann den zweiten Durchgang, lag im dritten schon mit 4:1 vorne und hatte bei 4:3 einen Breakball – den Voracek mit einem Ass abwehrte. „Das war schon stark“, sagte die spätere Turniersiegerin, die sich freilich beim Stand von 4:5 und 15:40 revanchierte, indem sie die beiden Matchbälle unter anderem mit einer mutigen Netzattacke abwehrte und sich durch zweimaligen Vorteil für Voracek nicht aus der Ruhe bringen ließ.
„Ich hatte meine Chancen, das Spiel zu entscheiden“, sagte Voracek, „aber in den jeweiligen Momenten hat sie so starke Bälle gespielt, dass ich nichts machen konnte.“
Logischer Tiebreak
Es war nur logisch, dass die von extrem langen und etlichen sensationellen Ballwechseln geprägte Auseinandersetzung erst im Tiebreak entschieden wurde. „Ja“, sagte Luisa Meyer auf der Heide, „das beschreibt dieses Match ganz gut.“ Auf einmal aber ging es unerwartet schnell: Voracek fand nicht mehr zu ihrem Rhythmus und unterlag 2:7.
„Nein“, sagte sie danach, „ich bin nicht enttäuscht. Ich bin im Sommer aus einer Verletzung zurückgekommen“ – ein Knochenödem an der Ferse und Achillessehnenprobleme hatten eine Pause erzwungen – „seit Juni habe ich kaum trainiert, sondern nur Turniere gespielt.“ Mit mäßigen Resultaten. „Deshalb konnte ich überhaupt nicht damit rechnen, hier gegen starke Konkurrentinnen bis ins Halbfinale zu kommen.
Am Ebersheimer Weg ausgeschieden, stand ihr allerdings die nächste langwierige Aufgabe bevor: „Fünfeinhalb Stunden Autofahrt zur Oma nach Prag.“ (weiterer Bericht folgt)