Oberliga | Peter H. Eisenhuth | 17.06.2024

Der alte Mann hat noch Kraft

Adrian Sikora bewahrt zum Saisonauftakt die Ruhe, als sein Gegner groß aufspielt. Der TSV Schott Mainz schlägt Aufsteiger Rot-Weiss Kaiserslautern mit 6:3.
Adrian Sikora rang den 17 Jahre jüngeren Sebastian Ondas mit 7:6, 7:6 nieder.
Adrian Sikora rang den 17 Jahre jüngeren Sebastian Ondas mit 7:6, 7:6 nieder. | Archiv/Eßling
Lukas Hamacher überraschte trotz Niederlage seinen Trainer positiv.
Lukas Hamacher überraschte trotz Niederlage seinen Trainer positiv. | Bernd Eßling
Adrian Kraus gab ein gelungenes Comeback.
Adrian Kraus gab ein gelungenes Comeback. | Bernd Eßling
Steffen Hillenmeier musste sich nicht verausgaben.
Steffen Hillenmeier musste sich nicht verausgaben. | Bernd Eßling

Mainz. Schon gut, dass Adrian Sikora es sich noch mal anders überlegt hat. Eigentlich wollte der Slowake, der in Zürich eine Tennisschule betreibt, keine weitere Saison beim TSV Schott Mainz dranhängen, für den er erstmals von 2010 bis 2012 tätig war und es seit 2018 wieder ist. Mit dem letzten Ballwechsel der Medenrunde im vorigen Jahr wollte er seine Karriere beenden, aber, Überraschung: Als Cheftrainer Jörg Daum Mitte Dezember im Gespräch mit SPORTAUSMAINZ.de den neuen Kader bekanntgab, nannte er auch Sikoras Namen.

„Voriges Jahr habe ich alle Matches gespielt, das war mir zu viel“, sagte Sikora am Sonntagnachmittag, „deshalb wollte ich aufhören. Aber jetzt komme ich nur, wenn das Team mich braucht, nicht mehr an allen, sondern nur noch an einem oder zwei weiteren Wochenenden. Dafür reicht meine Kraft noch.“

Sie reichte dem 35-Jährigen („Ich bin hier der älteste Mann“) auch noch, um zum Auftakt der Oberligasaison den 17 Jahre jüngeren Sebastian Ondas niederzuringen. Sikora gewann das Match an dritter Position in zwei Sätzen jeweils im Tiebreak. „Das war definitiv harte Arbeit“, kommentierte er den Erfolg, mit dem er, wie auch im Doppel an Adrian Kraus‘ Seite zum 6:3 Auftakterfolg gegen den TC Rot-Weiss Kaiserslautern beitrug.

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Temporeicher Schlagabtausch

Begonnen hatte es für den Routinier nicht gut. Sikora lag 0:3 und 15:40 zurück, wirkte gegen das Tennis, das Ondas spielte, chancenlos. „Aber ich wusste, dass ich geduldig sein muss, um auf mein bestes Level zu kommen. Und mir war klar, dass mein Gegner nicht die ganze Zeit auf dem Niveau spielen kann – falls doch, steht er in der Welt unter den Top 100“, sagte der Slowake, dessen höchste Weltranglistenplatzierung vor etwas mehr als zehn Jahren der 275. Platz war.

So weit ist der junge Pfälzer freilich noch nicht. Sikora bog das vierte Spiel noch zum 1:3 um, im weiteren Verlauf agierte Ondas „sehr stark, aber nicht mehr unglaublich“, wie Sikora sagte. Er selbst zog aus dem ersten Erfolgserlebnis zusätzliches Selbstvertrauen und war spätestens beim 4:5 voll im Match. „Von da an war es ein ausgeglichenes Duell oder eines mit 60:40-Vorteil für mich.“

Kleinkriegen ließ sich sein Gegenüber freilich nicht. In einem temporeichen Schlagabtausch verteilte Sikora die Bälle gut, Ondas brachte viel zurück, blieb selbst aktiv, machte sehenswerte Punkte und verdiente sich mit starken Aufschlagsspielen auch im zweiten Satz den Tiebreak. In dem geriet Sikora allerdings nie ins Hintertreffen, führte 2:0, 3:2, 4:3 und 6:4, bevor Ondas eine beidhändige Rückhand zum 7:5 ins Netz schlug. Auch wenn man es ihm nicht anmerkte: Konditionell sei er nicht topfit, sagte Sikora. „Es geht so.“

Ballwand und Konditionswunder

In einem herausragenden Fitnesszustand präsentierte sich Sven König – und das war ein Schlüssel zu seinem 6:7, 6:1, 10:6-Erfolg gegen Leon Sarishvili. In einen Match, das einigermaßen desolat für den Mainzer begann, dessen Fokus in den vergangenen Monaten nicht auf dem Tennissport, sondern auf seinem Medizinexamen lag und der seit diesem Montag als Assistenzarzt in der Neurochirurgie der Frankfurter Uniklinik arbeitet.

Nach nur zwei Turnieren in der Saisonvorbereitung er anfangs „unfassbar nervös und ohne Selbstvertrauen“ gewesen, sagte König hinterher. „Und mein Gegner hat alles getroffen. Zweimal hin und her, und ich war am Bälle einsammeln…“

So ging das bis zum 0:5, doch im fünften Spiel gewann König den Eindruck, dass sich das Blatt wendet. „Ich habe es zwar noch verloren, aber gemerkt, dass etwas geht. Und dann habe ich meine Aufholjagd gestartet.“ Sechs Spiele in Serie gingen an den Schott-Kapitän, beim Stand von 6:5 erarbeitete er sich sogar drei Satzbälle, die Sarishvili unter anderem mit einem feinen Stopp und einem Schuss auf die Grundlinie abwehrte. „Einen von denen muss ich machen“, sagte König, „wenn ich das Match verloren hätte, würde ich mich jetzt sehr über die vergebenen Chancen aufregen.“

„Ausdauer kommt nicht von ungefähr“

So weit kam es nicht. Zwar musste der Mainzer den Ausgleich hinnehmen und trug zum mit 5:7 verlorenen Tiebreak mit zwei völlig missratenen Returns bei. Ganz offensichtlich aber war sein Kontrahent zu diesem Zeitpunkt mit den Kräften am Ende. Erstaunlich für einen 17-Jährigen Oberligaspieler. „Mich hat das auch überrascht“, kommentierte König, der tendenziell eher mehr Meter zurückgelegt hatte, die vielen Szenen, in denen Sarishvili schwer nach Luft rang und die Pausen zwischen den Ballwechseln möglichst lange ausdehnte.

Neu war derlei für König jedoch nicht. Solche Matches hatte er in den vergangenen Jahren häufiger gewonnen – zum einen, weil an ihm eine Ballwand verlorengegangen ist, zum anderen, weil es ihm nichts auszumachen scheint, von einer Ecke in die andere zu rennen. „Ich muss sehr oft so viel laufen und kämpfen“, sagte er, „deswegen gehe ich ab und zu auch mal joggen. Meine Ausdauer kommt nicht von ungefähr.“

Der zweite Satz ging mit 6:1 klar an König, im Matchtiebreak leistete sein Gegner allerdings wieder mehr Gegenwehr, ohne den Schottler gefährden zu können. Unter Sarishvilis geschwundener Energie litt die Präzision, mehrere Bälle drosch er über die Grundlinie hinaus, während König stabil blieb und davonzog. Auf 7:2, auf 8:4 – das war der Moment, in dem der Lauterer seinen Schläger wegfeuerte, der hoch im seitlichen Fangnetz hängenblieb – auf 10:6. Match gewonnen. „Ich bin super happy“, sagt König.

Zwei Niederlagen im Matchtiebreak

Mit Königs Sieg und dem eine Weile später folgenden von Sikora hatten die Gastgeber das Wunschergebnis ihres Trainers zustande gebracht. 4:2 führten sie nach den Einzeln, weil Steffen Hillenmeier sich ohne zu verausgaben gegen Max Milic in zwei Sätzen durchgesetzt und Adrian Kraus gegen Jesper Pfingsten ebenfalls ein gelungenes Comeback an der Erzberger Straße gegeben hatte.

Lukas Hamacher überraschte seinen Trainer trotz des 6:3, 6:7, 6:10 gegen Jerome Iacomi positiv. „Für ihn werden an Position vier wahrscheinlich alle Matches schwierig“, sagte Jörg Daum, „aber seine LK lässt nun mal nicht zu, dass er hinter Sven König spielt. Gegen Iacomi hat er super begonnen, ich dachte schon, dass es eine Sensation geben könnte. Dazu hat es leider nicht gereicht, trotzdem hat Lukas sehr gut gefightet und das Spiel eng gehalten.“

Das Spitzeneinzel verlor Cyrill Vandermeersch gegen Maxime Lapraille. Was nach dem 0:6 im ersten Satz nach einem Debakel roch, entschied sich erst im Matchtiebreak mit 7:10 – unter anderem wegen zweier Doppelfehler des Franzosen. Kleiner Trost: Im Doppel punktete er mit Steffen Hillenmeier, Sikora/Kraus steuerten den sechsten Zähler bei.

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