Kommunikations- oder Informationsdefizit?
Mainz. Schieflage? Jan Lehmann verzieht das Gesicht. „Ich weiß nicht, wie man das Wort ,Schieflage‘ im Zusammenhang mit Mainz 05 verwenden kann“, sagt der Kaufmännische Vorstand des Bundesligisten. Die in Folge der Coronakrise entstandenen finanziellen Einbußen seien zwar wahnsinnig schmerzhaft, „aber wir sind definitiv nicht in unserer Existenz bedroht“. Der Verein werde die laufende Saison auch für den Fall überleben, sollte Sportvorstand Rouven Schröder keinen Spieler mehr verkaufen – ein Szenario, das sich mit dem am Donnerstag verkündeten Transfer Ridle Bakus zum VfL Wolfsburg ohnehin erledigt hat.
Der seit Ende Juni feststehende Einnahmenrückgang der Deutschen Fußball-Liga aus dem Verkauf nationaler und internationaler Medienrechte von 1,6 auf 1,4 Milliarden Euro bedeute für die Mainzer, dass sie aus diesem Topf statt bislang 55 Millionen nur noch rund 48 Millionen Euro erhalten. Hinzu kämen Mindereinnahmen aus den Bereichen Hospitality und Ticketverkauf. „Unterm Strich gehen wir davon aus, dass wir in dieser Saison rund 15 Millionen Euro weniger einnehmen werden als zuvor.“
Die Hinrunde habe der Verein ohne Zuschauer geplant, sagt Lehmann – und die beim Heimspiel gegen den VfB Stuttgart zugelassenen 3400 Besucher trügen nicht zu einer Verbesserung auf der Einnahmenseite bei. Sie deckten nicht die Kosten für den unter anderem wegen der Hygienevorschriften zu betreibenden Aufwand. „Diesen Punkt würden wir vielleicht bei 6000 bis 7000 Zuschauern erreichen.“
„Kein Liquiditätsproblem“
Neben den Covid-19-Auswirkungen stellte die Entlassung von Sandro Schwarz in der vorigen Saison eine unvorhergesehene finanzielle Belastung dar; wie sein inzwischen ebenfalls geschasster Nachfolger verfügt der alte Trainer über einen bis Mitte 2022 laufenden Vertrag. Trotz allem habe der Verein die vergangenen Monate gut überstanden, er könne auf hohe Kreditlinien zurückgreifen, die er sonst nicht in Anspruch nehme. „Und im Unterschied zu manchen anderen Klubs brauchen wir keine KfW-Kredite. Wir werden bis Saisonende kein Liquiditätsproblem haben.“
Das alles zeige, dass Mainz 05 professionell arbeite. „Wenn man bei uns von einer Schieflage spricht, müssten wir davon sprechen, dass sich ganz Deutschland in einer Schieflage befindet.“
Aus dem Lot geraten ist der Bundesligist freilich in einer anderen Beziehung. Der aus diversen Gründen schwelende Unmut innerhalb der Mannschaft, den Vereinschef Stefan Hofmann ausgemacht hat und der vorige Woche in einem Spielerstreik kulminierte, hat einerseits das Eingeständnis der Verantwortlichen einer unzureichenden Kommunikation beim Thema Gehaltverzicht nach sich gezogen. Andererseits aber auch Überraschung darüber, dass ein Teil der Profis anscheinend nicht mitbekommen hat, wie stark Corona die Welt und auch den Fußball verändert hat.
Ausführlichere Darstellung folgt
Wie alle anderen Vereinsmitarbeiter auch hätten die Fußballer ihren Beitrag in Form eines Gehaltsverzichts leisten müssen, sagt Hofmann. Im April, Mai und Juni flossen schätzungsweise 15 Prozent weniger auf die Konten der Spieler („Einige Spieler haben freiwillig mehr gegeben“), vereinbart war aber auch eine Rückzahlung für den Fall, dass sich die wirtschaftliche Situation des Vereins verbessere. Das hatte Sportvorstand Rouven Schröder auch seinerzeit öffentlich mitgeteilt.
Warum diese Rückzahlung zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen könne, „hätten wir den Spielern ausführlicher darstellen müssen“, räumt Hofmann ein. „Das werden wir nachholen.“
Statt von einem Kommunikationsdefizit der Verantwortlichen könnte man aber auch von einem Informationsdefizit bei manch einem fußballspielenden Angestellten reden. Um den in der Gehaltsrückzahlungsfrage entstandenen Konflikt zu vermeiden, hätte es vielleicht schon genügt, alle Kicker zu verpflichten, in regelmäßigen Abständen Nachrichtensendungen anzuschauen oder ab und zu mal einen Blick beispielsweise in die FAZ zu werfen. „Wenn man ein bisschen verfolgt, was in der Welt um uns herum passiert, dann war doch klar, dass sich unsere wirtschaftliche Lage nicht verbessert hat“, sagt Jan Lehmann. Das habe er jedenfalls von seinen Mitarbeitern gehört. „Bei Spielern ist die Erwartungshaltung vielleicht eine andere.“
Siehe auch: 05er wollen keinen Rechtsstreit.