Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 12.01.2023

Heidel bleibt gelassen

SCHÖNEN GRUSS AUS ANDALUS (11) | Nicht auf der Suche, sondern schon fündig geworden? Der Sportvorstand des FSV Mainz 05 lässt durchblicken, dass er weiß, mit wem der Kader noch im Januar verstärkt wird. Im Sturm gelte es aber vor allem, die eigenen Talente zu entwickeln. Trainer Svensson ist mit dem Verlauf des Trainingslagers sehr zufrieden, sieht aber noch viel Arbeit.
Abwarten und Kaffee trinken? Christian Heidel gibt sich in Sachen Wintertransfers tiefenentspannt, ist aber sehr wohl damit beschäftigt, Bo Svensson die gewünschten Zugänge zu beschaffen.
Abwarten und Kaffee trinken? Christian Heidel gibt sich in Sachen Wintertransfers tiefenentspannt, ist aber sehr wohl damit beschäftigt, Bo Svensson die gewünschten Zugänge zu beschaffen. | Peter H. Eisenhuth

Aus Marbella berichtet Peter H. Eisenhuth.

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Marbella. Kritische Anmerkungen? Bo Svensson fiel nichts ein, worüber er hätte klagen können. Okay, bei einer Fahrt vom Hotel zum Marbella Football Center, wo der FSV Mainz 05 eine Woche lang trainiert hatte, stand der Mannschaftsbus im Stau und brauchte mit 40 Minuten mehr als doppelt so lang wie gewohnt. „Wäre uns das jeden Tag passiert, hätten wir ein Problem gehabt“, sagte der Trainer im letzten Pressegespräch in Andalusien. „Aber so wäre es meckern auf hohem Niveau.“

Svenssons Zufriedenheit beschränkte sich nicht auf infrastrukturelle und organisatorische Fragen, sondern bezog die sportlichen Aspekte ein. „Wir haben das Programm durchgezogen, das wir uns vorgenommen hatten, sowohl inhaltlich als auch von der Belastung her“, sagte er. Dem Trainerstab sei es gelungen, exakt die Grenze auszuloten, an der die Belastung sehr hoch ist und dennoch alle Spieler unverletzt bleiben.

Delano Burgzorg bildete zwar eine Ausnahme, allerdings trug der Niederländer sich seine Blessur am Sprunggelenk, zu deren genauer Diagnose es noch keine Informationen gibt, durch ein Foul im Testspiel gegen den FC Luzern zu. Allen angeschlagen mitgereisten Akteuren bescheinigte Svensson eine positive Entwicklung:

 

  • „Wir haben es geschafft, Karin Onisiwo wieder auf den Platz zu bringen.
  • Stefan Bell hat die nächsten Schritte gemacht.
  • Bei Anton Stach geht es voran, auch wenn er noch nicht mit der Mannschaft trainiert hat.
  • Und vor allem ist Maxim Leitsch viel näher an die Mannschaft herangekommen.
  • Das sind alles positive Dinge.“

 

„Bewegen uns auf des Messers Schneide“

Eine Einschränkung nahm der Trainer im Anschluss an die über 2x60 Minuten laufende und mit 5:1 gewonnenen Partie gegen die Tabellensechsten der Schweizer Super League vor: „Wenn ich die ersten 30 Minuten sehe, weiß ich auch, dass wir die nächsten elf Tage gut nutzen müssen“, sagte er angesichts der Mängel in Balleroberung, Passgenauigkeit und Tempo. „Wir sind noch nicht bereit, aber das wussten wir vorher.“ Um das bis zum 21. Januar zu ändern, benötige die Mannschaft „jeden Tag, jede Minute“  der verbleibenden Vorbereitungszeit. „Wir haben viel gearbeitet, haben aber auch noch viel Arbeit.“

Was die Mainzer bis zum Abflug am Mittwoch noch nicht hatten, waren neue Spieler. Die Aussagen der handelnden Personen in diesem Punkt sind nicht völlig deckungsgleich. Svensson, der mehrmals klargemacht hatte, dass er eher zwei als einen Zugang noch im Winter wünscht, einen Stürmer und einen Innenverteidiger, sagt: „Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zu warten.“ Vor der Saison habe er sich mit Sportvorstand Christian Heidel und Sportdirektor Martin Schmidt (→ „Ich rede Bo nicht in die Arbeit hinein“) bewusst für einen kleinen Kader entschieden, aber er darf auch nicht zu klein sein.“

Während der Hinrunde wechselten auf Leihbasis Paul Nebel nach Karlsruhe und Merveille Papela nach Sandhausen, inzwischen hat sich Niklas Tauer für eineinhalb Jahre dem FC Schalke 04 angeschlossen. „Wir bewegen uns auf des Messers Schneide.“

Mit Verpflichtungen nicht in Verzug

„Wir suchen nicht!“, sagte Manager Heidel während einer Presserunde am Dienstag. Das klang kategorisch, lässt sich aber nur so interpretieren, dass die 05er im Prinzip bereits fündig geworden sind („Persönliche Gespräche gab es schon im November“), aber noch die Modalitäten klären („Zum Beispiel könnten wir einen verpflichten und den anderen ausleihen, aber es muss auch passen“) und auf den bestmöglichen Zeitpunkt der Verpflichtung(en) warten müssen. Die Mainzer seien schließlich nicht der Klub, der das Transfenster öffne, seien aber auch nicht in Verzug.

Mit seiner im Herbst geäußerten Einschätzung, in dieser Saison stehe wegen der WM-bedingten frühen Winterpause die „längste und intensivste Transferphase bevor“, habe er sich geirrt. Tatsächlich seien nicht nur in der Bundesliga, sondern beispielsweise auch in Spanien, kaum Transfers über die Bühne gegangen. „Es passiert herzlich wenig, aber ich prophezeie, dass in den letzten fünf Tagen im Januar mehr Spieler wechseln werden als bis jetzt.“ Spätestens, wenn „die Engländer wild werden“, setze sich das Karussell in Bewegung.

Freilich sei die Saison auch noch jünger als zu diesem Zeitpunkt gewohnt, in der Bundesliga sind erst 15 statt der üblichen 17 Spieltage absolviert. „Die Rückrunde hat ja noch nicht angefangen. Deshalb darf man nicht glauben, wir seien hintendran“, betonte Heidel. „Normalerweise verpflichten wir Spieler im Winter erst nach der Hinrunde.“

Absehbare „Problemchen“ 

Dass der kleine Kader „Problemchen“ mit sich bringen könne, sei allen klar gewesen. Daraus ziehe der Verein nicht nur den wirtschaftlichen Vorteil, weniger Gehalt zu zahlen, sondern die Mannschaft sei auch homogener. Eine eventuelle offensive Verstärkung sei keine Reaktion auf Jonathan Burkardts Ausfall, hob Heidel hervor. „Jonny ist glücklicherweise nur verletzt, nicht gestorben. Und wir können nicht neue Leute verpflichten, wenn einer unserer Spieler sich für vier Wochen verletzt. Wenn wir einen Stürmer holen, dann als zusätzliche Option zu denen, die wir haben.“

Der Sportvorstand verhehlte nicht das Interesse am südkoreanischen WM-Teilnehmer Gue-sung Cho – die Ablöse, die dessen Klub Jeonbuk Hyundai verlange, sei allerdings für Mainzer Verhältnisse nicht zu stemmen. „Der Spieler gefällt uns, und wenn die Koreaner morgen sagen, sie hätten sich verschrieben, wären wir ja doof, wenn wir uns nicht um ihn bemühen würden.“ Er sei jedoch skeptisch, dass sich in dieser Richtung etwas tun werde. „Bei Hyundai werden sie keinen Umzug veranstalten, nur weil sie ein Geschäft mit Mainz 05 gemacht haben. Deshalb fehlt mir der Glaube, dass wir dort zum Zug kommen.“

Talenten die Einsätze nicht verbauen

Generell sei es schwierig, Stürmer zu bekommen, die andernorts Tore schießen. „Die kosten zweistellig, das können wir uns nicht leisten.“ Umso wichtiger sei es, eigene Talente wie die Jungprofis Brajan Gruda und Nelson Weiper zu haben – im Test gegen den FC Luzern machte wiederholt auch der schon vorige Saison zum Kader gehörende Ben Bobzien auf sich aufmerksam.

„Wir müssen die jungen Leute entwickeln, das wird ein Projekt“, sagte Heidel. „Und wir müssen darauf achten, dass sie ihre Chancen kriegen.“ Auch das gelte es bei möglichen Verpflichtungen zu bedenken: „Wenn wir sieben Stürmer haben, bekommen die Jungen keine Einsätze.“

Besonders angetan zeigte der Manager sich in Marbella vom erst 18-Jährigen Gruda, der schon jetzt über einen Körper verfügt, den sich andere Nachwuchskräfte beim Übergang in den Männerfußball erst noch erarbeiten müssen. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er Bundesliga spielen wird“, bekräftigte Heidel, „mehr will ich gar nicht sagen, um ihm keinen Rucksack aufzusetzen. Er bringt alle Anlagen mit, und im Kopf ist auch alles in Ordnung.“

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