Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 09.01.2024

Gier in allen Situationen

NEUES AUS MARBELLA (11 / NACHSCHLAG) | Nach einem gelungenen Trainingslager in Andalusien bereitet sich der FSV Mainz 05 jetzt am Bruchweg auf das Spiel gegen den VfL Wolfsburg vor. Am Samstag soll der guten Stimmung und Zuversicht der zweite Saisonsieg folgen. Dass der Kader unverändert bleibt, ist nicht gesagt.
Abwarten und Kaffee trinken: Während der Trainingseinheiten in Marbella waren 05-Sportvorstand Christian Heidel (M.) und Sportdirektor Martin Schmidt (r.) ebenso aufmerksame Beobachter wie „Kicker“-Redakteur Michael Ebert.
Abwarten und Kaffee trinken: Während der Trainingseinheiten in Marbella waren 05-Sportvorstand Christian Heidel (M.) und Sportdirektor Martin Schmidt (r.) ebenso aufmerksame Beobachter wie „Kicker“-Redakteur Michael Ebert. | Peter H. Eisenhuth

Gier, die: auf Genuss und Befriedigung, Besitz und Erfüllung von Wünschen gerichtetes, heftiges, maßloses Verlangen; ungezügelte Begierde (Duden); auch: unverzichtbares Element im Nichtabstiegskampf mit dem FSV Mainz 05 (Siewert).

 

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Marbella/Mainz. Ließe sich vom Verlauf eines Trainingslagers auf die nächsten Monate in der Fußball-Bundesliga schließen, müssten sie sich beim FSV Mainz 05 keine Sorgen um den Klassenverbleib machen. Die fünf Tage in Andalusien verliefen in vielerlei Hinsicht nach den Vorstellungen des vor Weihnachten mit einem Zweieinhalbjahresvertrag ausgestatteten Jan Siewert.

Der Trainer sah seine Spielweise weitgehend umgesetzt, er konnte fast alle seine in den letzten Wochen und Monaten des alten Jahres ausgefallenen Akteure voll belasten, und die Reisegruppe machte sich ohne neue Verletzte auf den Heimweg.

Obendrein bezwangen die auf dem Relegationsplatz stehenden Rheinhessen den amtierenden niederländischen Meister Feyenoord Rotterdam in einem auf 2x60 Minuten angesetzten Spiel mit 2:1. Nicht nur das Resultat stimmte Siewert, der seit Jahresbeginn von Ex-Profi Niko Bungert und dem bisherigen U-17-Coach Sören Hartung als Kotrainer unterstützt wird, zufrieden. „Ich habe viele Dinge gesehen, die ich sehen wollte und an denen wir gearbeitet haben“, sagte er.

Burkardt weiß noch, wo die Kiste steht

Allen voran die Gier auf Zweikämpfe, auf Ballgewinne und die Gier, Tore zu schießen. Besonders erfreulich für die Mainzer: Jonathan Burkardt, der Ende November nach mehr als einjähriger Verletzungspause wieder in den Spielbetrieb zurückgekehrt war, erzielte gegen Feyenoord das 1:0. Auch wenn es sich nur um ein Testspiel, wenngleich gegen einen starken Gegner handelte, war die Freude bei Mannschaftskollegen und Trainern groß: Der Toptorjäger der vorvergangenen Saison weiß noch, wo die Kiste steht.

Drei Themen hatte Siewert in Marbella in den Mittelpunkt gestellt, die Umsetzung gefiel ihm in zwei Fällen, im dritten sieht er noch Verbesserungsbedarf. Dabei handelt es sich um das Diagonalspiel, wenn keine Räume vorhanden sind, um in die Tiefe zu passen. „Dafür brauchen wir noch ein bisschen Zeit“, räumte der Trainer zum Abschluss ein. „Wir müssen noch schneller erkennen, wenn sich solche Möglichkeiten bieten.“

Plan A des Spiels nach vorne hingegen, die Tiefenläufe, haben seine Leute deutlich besser verinnerlicht, und der funktionierte auch gegen den Europa-League-Play-off-Teilnehmer einige Male prächtig, nicht zuletzt beim von Karim Onisiwo auf dem linken Flügel vorbereiteten Führungstreffer.

Fast alle wieder an Bord

Begeistert kommentierte der Bo-Svensson-Nachfolger, wie die Mannschaft gegen den Ball arbeitete. „Wir brauchen die Gier, immer auf dem Sprung zu sein, die Bälle vom Tor wegzuhalten“, sagte er. Das gelang ihnen nicht nur in den Übungsformen, sondern auch gegen Feyenoord, eine Mannschaft, „in der die drei teuersten Spieler einen Wert haben wie unser gesamter Kader“, merkte Sportvorstand Christian Heidel an.

Die Leidenschaft, mit der die 05er ihre Zweikämpfe führten, auch nach insgesamt zwölf Wechseln und mit etlichen U-23- und U-19-Kickern auf dem Platz, war beeindruckend. „Das permanente Nach-vorne-Verteidigen war top“, sagte Siewert. „Das war das Verteidigungsverhalten, das man im Abstiegskampf benötigt.“

Die Frage, ob der Klub zudem neue Spieler benötigt, beantworteten Trainer und Manager grundsätzlich mit Nein. Sie verwiesen darauf, dass fast alle Langzeitverletzten wieder an Bord sind, lediglich der kurz nach Saisonbeginn am Sprunggelenk operierte Innenverteidiger Andreas Hanche-Olsen ist noch kein Kandidat für Bundesligaeinsätze.

Ob noch was aufploppt?

Allerdings sagte Heidel auch: „Ich kann mir schon vorstellen, dass wir mit dem vorhandenen Personal in die Rückrunde gehen“ – was nicht danach klingt, als sei ihm nicht an einem oder zwei Neuzugängen gelegen. Mit den wieder fitten Rückkehrern sei der Kader in der Breite gut aufgestellt und wieder der Konkurrenzkampf möglich, der in der Hinrunde komplett gefehlt habe. „Aber man weiß ja nie, ob morgen etwas aufploppt, das sportlich und wirtschaftlich reizvoll ist...“

Einem größeren Kader mag der Sportvorstand dennoch nicht das Wort reden. Der Verein verfolge die Politik des kleinen Kaders seit drei Jahren, weil sie finanziell alternativlos sei. „Wenn wir drei Spieler mehr wollen, geht das auf Kosten der Qualität.“

„Die Entscheidung für das Trainingslager war nicht so einfach, aber richtig“, sagt Heidel. Bei „überragenden Verhältnissen in einem anderen Ambiente“ zu trainieren, sei besser gewesen als zu Hause zu bleiben, auch um als „Einstimmung für die bestimmt schwierige Rückrunde“ die Mannschaft noch näher zusammenrücken zu lassen. Das Team passe charakterlich zu zusammen, trotz der bedrohlichen Tabellensituation habe er ein sehr gutes Gefühl, was die Harmonie innerhalb des Kaders betreffe. „Und sportlich ist sicher mehr drin als die zehn Punkte, die wir derzeit haben.“

Jetzt müssen Ergebnisse her

So zuversichtlich die Stimmung im Mainzer Lager auch ist: „Am Ende zählen nur die Ergebnisse“, sagt Torwart Robin Zentner. „Egal wie gut du gespielt hast oder wie überlegen du warst: Wenn die Ergebnisse ausbleiben, ist das gute Gefühl auch wieder weg.“ Oder, wie Heidel mit Blick auf die Sommervorbereitung in Schladming erwähnt: „Wenn du nicht gewinnst, nutzt dir auch ein gutes Trainingslager nichts mehr.“

Die Gier auf den zweiten Saisonsieg ist groß. Am Samstag wollen die 05er sie gegen den VfL Wolfsburg stillen.

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