Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 08.01.2024

„Froh, dass ich das Rädchen drehen konnte“

NEUES AUS MARBELLA (10) | 05-Stürmer Karim Onisiwo über ziemlich genau sieben Mainzer Jahre, seinen Aufschwung unter Bo Svensson, den von Jan Siewert erbrachten Input, die österreichische Nationalmannschaft, die Trainer, die ihn taktisch am meisten geprägt haben, seine Pläne über das Vertragsende hinaus und seine Verwirrung stiftende Frisur.
Nach einer unbefriedigenden Hinrunde wieder fit: Karim Onisiwo.
Nach einer unbefriedigenden Hinrunde wieder fit: Karim Onisiwo. | Peter H. Eisenhuth

Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05

berichtet Peter H. Eisenhuth.

 

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Herr Onisiwo, verbinden Sie mit Marbella besondere Erinnerungen in Ihrem Fußballerleben?

Besondere Erinnerungen? (überlegt etwas länger) Boah, ich weiß, dass ich schon dreimal in diesem Hotel war, aber…

…Sie sind hier bei Mainz 05 eingestiegen.

Ach so, ja, im Januar 2016 war das. Ich bin damals zunächst in die Schweiz geflogen, weil die Mannschaft dort mit Martin Schmidt eine Bergtour gemacht hat. Und von dort aus ging es dann ins Trainingslager nach Marbella.

Hätten Sie sich damals vorstellen können, nach sieben Jahren immer noch Mainzer zu sein?

Das Fußballerleben ist oft schnelllebig, aber ich bin froh, dass es sich so entwickelt hat und ich so lange schon hier sein darf und ein wichtiger Spieler bin.

Das sind sieben Jahre mit mehr Höhen als Tiefen?

Es waren viele Sachen dabei, auch Verletzungen und Rückschläge, die mich immer wieder gebremst haben, mein Potenzial zeigen zu können. Aber die letzten zweieinhalb, drei Jahre waren gute Jahre für mich, in denen ich zum Stammspieler geworden bin.

So richtig los ging’s für Sie unter Bo?

Genau, ab Bo ging’s richtig los, von da an konnte ich zeigen, was ich für die Mannschaft wert sein kann, wenn ich performe. Ich bin glücklich, dass ich das Rädchen noch mal habe drehen können. Viele Spieler, bei denen es nicht gut läuft, können das nicht.

Sie hatten in den vergangenen Jahren immer 31 oder 32 Einsätze, vorige Saison auch noch zehn Tore geschossen und sechs vorbereitet. Die aktuelle Hinrunde hingegen lief nicht so zufriedenstellend.

Das stimmt, ich bin ein bisschen schwierig reingekommen, war wegen meiner Knöchelverletzung oft nicht richtig fit, bin noch ein-, zweimal krankgeworden und konnte nicht die Scorerpunkte erzielen wie in der vorigen Saison. Es war kein positives Halbjahr für mich persönlich.

Für die Mannschaft auch nicht, das ging quasi Hand in Hand. Taugen die zahlreichen verletzungsbedingten Ausfälle im Kader als alleiniger Grund für das schlechte Abschneiden in den ersten Monaten?

Klar, es sind viele Stammkräfte ausgefallen. Jonny Burkardt war schon lange verletzt, Andreas Hanche-Olsen fehlte von Saisonbeginn an, und dann kamen weitere fixe Bestandteile der Mannschaft hinzu. Wir mussten rotieren und versuchen, die Löcher zu füllen. Das ist uns auch nicht schlecht gelungen, aber wenn du die ersten zwei, drei Spiele nicht positiv bestreitest, gerätst du in einen Strudel. Schon von den letzten fünf Spielen der vorigen Saison hatten wir nur eines unentschieden gespielt und vier verloren, das hat sich irgendwie übertragen, und wir sind da leider nicht mehr rausgekommen.

War das eine Kopfgeschichte?

Das waren übergreifend 14 Spiele, die wir nicht gewonnen hatten, dann kann man natürlich von einer Kopfgeschichte sprechen. Den Hebel umzulegen ist nicht einfach, aber ich finde, in den Spielen unter Jan Siewert hat sich etwas getan. Die Spielanlage ist besser geworden, wir erspielen uns gute Torchancen – jetzt geht es darum, diese auch zu verwerten.

Spielerisch habt ihr den Hebel ja unter Jan Siewert direkt umgelegt. Wie ist so was zu erklären?

Wenn ein neuer Trainer kommt, du spielst gegen Leipzig, hast zuvor nicht viele Punkte geholt und gewinnst dann, sagt jeder: Das war der Trainereffekt. Da ist was dran, aber ich weiß nicht, ob man es so einfach sehen kann. Wir haben Bo in den letzten zweieinhalb Jahren viel zu verdanken. In seinem ersten Halbjahr hat er uns gerettet, wir hatten nach der Hinrunde sieben und am Ende 39 Punkte. Die anderen Saisons sind auch gut gelaufen. Aber manchmal kommst du trotzdem an einen Punkt, dass etwas nicht mehr funktioniert und du einen neuen Input brauchst, weil dir das einfach hilft. Das hat er ja auch von sich aus gesagt – anscheinend hatte er recht. Uns muss aber klar sein: Von den Punkten her ist es erst etwas besser geworden, die Ausbeute muss in der Rückrunde größer werden.

Wie war das für Sie, als Bo Svensson freitagsmorgens in der Kabine stand und sich überraschend verabschiedet hat?

Das war sehr hart, weil, wie gesagt, ich unter Bo zu dem Spieler gereift bin, der ich heute bin, und er eine sehr wichtige Personalie in meiner Karriere war. Für die zweieinhalb Jahre bin ich ihm sehr dankbar.

Wichtig in einer solchen Situation, in der sich Mainz 05 befindet, ist auch ein intaktes Mannschaftsgefüge auf und neben dem Platz. Das ist gegeben?

Ja, das war vor dem Trainerwechsel schon so, und daran hat sich nichts geändert. Nur weil du Spiele verlierst, heißt das nicht, dass irgendetwas innerhalb der Mannschaft nicht stimmt. Wir müssen jetzt einfach schauen, dass wir in Spielen wie gegen Köln oder Hoffenheim, in denen wir ganz klar besser waren, ein, zwei Bälle über die Linie drücken. Wenn im Sturm der Knopf aufgeht, ist vieles möglich.

Da gerade Brajan Gruda an uns vorbeigegangen ist: Er steht am anderen Ende der Generationenskala. Ist es ein Selbstläufer, so junge Spieler in eine Mannschaft zu integrieren, oder müssen die routinierteren Spieler aktiv daran arbeiten?

Ein Selbstläufer ist das natürlich nicht. Ich glaube, Brajan hat ein Riesenpotenzial, das er auch schon in dem einen oder anderen Spiel gezeigt hat. Da hat man gesehen, was aus ihm werden kann. Er fügt sich gut ein in die Mannschaft, und natürlich hilft es ihm, wenn ihm der eine oder andere Routinier ein bisschen unter die Arme greift. Aber wer Brajan kennt, weiß, dass er eine starke Persönlichkeit hat und ohne Angst in ein Spiel geht. Ich hoffe, dass er sich so weiterentwickelt, weil er unserem Spiel guttut und eine neue Facette reinbringt als Eins-gegen-eins-Spieler, der ein, zwei Gegner stehenlassen und den nächsten Mann suchen oder selbst abschließen kann.

Ich hätte jetzt drei Halbsätze, die Sie bitte kurz ergänzen:

Wenn der letzte Spieltag der Saison 2023/24 abgepfiffen ist, dann…

…bleiben wir in der Liga.

Falls Ralf Rangnick mich im Mai anruft…

Puh (lacht). Schwierig, weil ich vor Kurzem aus der Nationalmannschaft zurückgetreten bin und es Stand heute auch so bleibt.

„Stand heute“ ist immer eine wichtige Einschränkung.

Ja, ja, aber der Rücktritt ist jetzt mal fixiert.

Wenn mein Vertrag im Sommer 2026 ausläuft…

…kann ich hoffentlich hier noch mal für ein Jahr verlängern. Wenn ich gesund bleibe und mich nicht schwer verletze, wird das möglich sein. Dann bin ich 34, und in dem Alter spielen schon noch ein paar…

Makoto Hasebe wird demnächst 40.

Na, also.

Aber Ihre Spielweise ist schon sehr aufreibend, die Zweikampführung ist ja manchmal eine Drei- oder Vierkampfführung…

(lacht) Das stimmt schon, aber es heißt ja nicht, dass ich 2026/27 an 34 Spieltagen von Anfang an auf dem Platz stehen muss.

Konnten Sie das schon in der Jugend, sich auf engem Raum gegen mehrere Gegenspieler durchzusetzen, oder mussten Sie sich das erst aneignen?

Dadurch, dass ich früh in den Profifußball kam, habe ich das Körperliche, diese Durchsetzungsfähigkeit als erstes mitbekommen. Aber so spezifisch lernen kannst du das nicht; wie du dich bewegst, wie du deinen Körper einsetzt, ist auch eine Sache der Veranlagung und des Instinkts.

Gibt es Trainer, von denen Sie sagen, dass Sie bei ihnen taktisch am meisten gelernt haben?

Schwer, da einen rauszupicken. Aber ich kann sagen, dass Jan Siewert über ein großes Knowhow verfügt, er bietet uns sehr viele Facetten, sehr viele Möglichkeiten, ein Spiel zu gestalten, offensiv wie defensiv. Und auf jeden Fall in der Nationalmannschaft Ralf Rangnick mit seinem Trainerteam.

War es ein Unsicherheitsfaktor, in den Wochen vor Weihnachten nicht zu wissen, ob es mit Jan Siewert weitergeht, oder spielte das keine Rolle?

Für mich hat es keine große Rolle gespielt. Wir mussten von Woche zu Woche schauen, dass wir Punkte sammeln, weil wir nicht viele hatten. Das zusammen zu schaffen, darauf lag der Fokus.

Sie haben seit einigen Wochen eine neue Frisur. Wollten Sie mal so aussehen wie Ludovic Ajorque?

(lacht) Es war einfach mal was anderes. Aber wenn es die Gegner verwirrt, umso besser.

 

Das Gespräch führte Peter H. Eisenhuth.

 

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