Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 06.01.2024

Positionstreu und defensiv top

NEUES AUS MARBELLA (8) | Mit einem 2:1-Sieg gegen Feyenoord Rotterdam haben die Profis des FSV Mainz 05 die inhaltliche Arbeit in ihrem andalusischen Trainingslager abgeschlossen – und das zur Zufriedenheit ihres Trainers, der ein sehr positives Fazit der Tage in Marbella zog.
Silvan Widmer erzielte im Test gegen Feyenoord Rotterdam das 2:0.
Silvan Widmer erzielte im Test gegen Feyenoord Rotterdam das 2:0. | Archiv/Willwacher

Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05

berichtet Peter H. Eisenhuth.

 

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Marbella. Die Szene in der 113. Minute hätte den Nachmittag krönen können. Ludovic Ajorque hatte die Krönung in Form eines Treffers auf dem Fuß, und der wäre schon deshalb verdient gewesen, weil der Franzose sich selbst mit einer mit einer starken Defensivaktion rund 22 Meter vor dem gegnerischen Tor einbrachte, einer bemerkenswerten Grätsche gegen einen um Spielaufbau bemühten Verteidiger, mit der er den Ball zu Danny da Costa spitzelte.

Der Außenbahnspieler schickte seinen Stürmer, kaum dass der wieder stand, mit einem präzisen Flachpass in den Sechzehner – was fehlte, war wahlweise ein krachender Abschluss oder ein gefühlvoller Heber. Beide Varianten hatte Ajorque in der vorigen Bundesligasaison praktiziert, diesmal entsprang seinem Fuß nur ein harmloser Flachschuss aufs lange Eck, den Torwart Kostas Lamprou mühelos aufhielt.

„Über ein Tor von Ludo hätte ich mich sehr gefreut“, sagte Jan Siewert später, „aber da hat ihm wohl die Kraft gefehlt.“ Am Erfolg des FSV Mainz 05 gegen Feyenoord Rotterdam änderte das allerdings nichts: Der Bundesligist setzte sich im Marbella Football Center mit 2:1 gegen den amtierenden niederländischen Meister durch.

Diagonalspiel braucht Zeit

Die Szene stand beispielhaft für zwei Themen, die der Trainer hinterher ansprach: Die Arbeit gegen den Ball, das permanente Nach-vorne-Verteidigen, „das war top, da haben wir während des Trainingslagers Schritte gemacht“. Gleichfalls aber dafür, „dass wir manche Situationen besser hätten ausspielen können“. Siewert nahm es seinen Leuten nicht krumm, dass ihnen das nicht gelungen war, schließlich hatte er schon tags zuvor für solche Fälle seine Akzeptanz versichert: „Hinter uns liegen anstrengende Tage.“

Für „ordentlich“ erachtete der Coach die Umsetzung des nach der Defensive zweiten seiner drei Prinzipien: das Spiel in die Tiefe. In der auf 2x60 Minuten angesetzten Partie taten sich die Mainzer allerdings in den ersten 25 Minuten schwer, entsprechende Angriffe aufzuziehen. Konter kamen auch wegen technischer Fehler kaum zustande, und wenn die Niederländer sich in ein sehr kompaktes 5-4-1 am Strafraum zurückzogen, fehlten den 05ern Bewegung und Ideen.

„Beim diagonalen Wegspielen brauchen wir noch ein bisschen Zeit“, räumte Siewert ein. „Wir müssen noch schneller erkennen, wenn sich solche Möglichkeiten bieten.“ Bei allen Verbesserungsmöglichkeiten, die der einzige Test zwischen der Wiederaufnahme des Trainings am Neujahrstag und dem Meisterschaftsspiel gegen den VfL Wolfsburg am nächsten Samstag aufzeigte, durfte man freilich nicht außer Acht lassen, dass es sich beim Kontrahenten um einen sehr starken Gegner handelte.

Onisiwo flankt, Burkardt köpft ein

Der Tabellenzweite der Eredivisie, der in der Europa League die Play-offs erreicht hat, demonstrierte seine Klasse unter anderem, indem er selbst kleine Lücken in der Mainzer Hintermannschaft zu scharfen Pässen in den Strafraum nutzte. Allerdings gelang es den 05ern fast immer, die Gefahr zu bereinigen, bevor es zu Abschlüssen kam.

Eine Großchance allerdings erspielte sich Feyenoord: Weil Sepp van den Berg, der Niederländer im Mainzer Trikot, unter einer Rechtsflanke hindurchsprang, kam Santiago Gimenez frei zum Kopfball – Robin Zentner rettete mit einer starken Reaktion (21.).

Die Rheinhessen ihrerseits verzeichneten bis dahin eine Torannäherung – Merveille Papela köpfte den Ball nach einem Freistoß von Brajan Gruda am langen Pfosten vorbei (18.) –, gingen aber fünf Minuten nach der Rotterdamer Gelegenheit in Führung. Auslöser war eine Einzelaktion von Karim Onisiwo, der sich auf dem linken Flügel gegen drei Spieler durchsetzte, in die Mitte flankte und Jonathan Burkardt fand, der einköpfte.

Zwei Rudelbildungen

Danach kam mehr Zug in die Mainzer Angriffe, unter anderem ein paar knappe Abseitsentscheidungen verhinderten weitere Torchancen. Burkardt scheiterte nach gelungenem Pressing am ehemaligen Schalker Torwart Timon Wellenreuther (40.), doch ein perfekter Angriff brachte das 2:0: Zentner eröffnete mit einem weiten Schlag, Brajan Gruda, der eine Weile gebraucht hatte, um ins Spiel zu finden, dribbelte parallel zur Strafraumlinie und erwischte den richtigen Moment fürs Abspiel auf Phillipp Mwene. Der flankte von links über den zweiten Pfosten hinaus, Onisiwo legte ab für Silvan Widmer, und der Kapitän schloss ins linke Eck ab (47.).

Bis zur Halbzeitpause passierte vor den Toren nicht mehr viel, im Mittelfeld hingegen kam es gegen Ende des Durchgangs zu zwei Rudelbildungen binnen 100 Sekunden. Bei der zweiten hätte der Unparteiische den Rotterdamer Quinten Timber wegen einer Tätlichkeit gegen Mwene, den er mit einem Griff in den Nacken zu Boden riss – vom Platz stellen müssen, beließ es aber bei insgesamt vier Gelben Karten.

Mustergültiger Spielzug

Was Jan Siewert, der mit dem Seitenwechsel die ersten fünf von zwölf Personalwechsel vornahm, auch in den zweiten 60 Minuten besonders gefiel, waren die Positionstreue seiner Akteure und „die Laufbereitschaft füreinander – der eine geht raus, der andere sichert ab“. Tim Müller, eine der Leihgaben aus der U23, hatte das 3:0 auf dem Fuß, als Ajorque ihn mit der Hacke im Strafraum einsetzte, verzog jedoch.

Und mit einem der schönsten Angriffe der Partie demonstrierten die 05er, dass sie durchaus zu diagonalem Spiel in der Lage sind. A-Junior Daniel Gleiber leitete den mustergültigen Spielzug ein, indem er sich hinten links mit einem Dribbling Luft verschaffte, ins Zentrum zu Marco Richter passte, der auf da Costa weiterleitete. Nur dessen Flanke fehlten ein paar Zentimeter, damit Marcus Müller eine Chance gehabt hätte, den Ball zu verarbeiten.

Die letzte halbe Stunde ging klar an Feyenoord, die 05er kamen kaum noch aus der Defensive heraus, mussten aber nur den Anschlusstreffer durch einen Distanzstrahl von Thomas van den Belt hinnehmen (93.), den Lasse Rieß seiner Nichtreaktion zufolge anscheinend falsch eingeschätzt hatte.

Guilavogui braucht noch eine Woche

„Trotz der Umstellungen hatten wir eine Klarheit in den Aktionen, alle Spieler haben ihre Aufgaben verstanden“, lobte Jan Siewert. Und außer dem noch individuell mit Rehatrainer Axel Busenkell arbeitenden Andreas Hanche-Olsen und Joshua Guilavogui kamen alle zum Einsatz, die sich in Marbella aufhielten (Stefan Bell war wegen eines bakteriellen Infekts zu Hause geblieben, Dominik Kohr am Donnerstag aus privaten Gründen abgereist).

„Josh fühlte sich gut, fast besser als erwartet“, berichtete der Trainer, „aber wir waren uns einig, dass er lieber noch eine zweite komplette Trainingswoche absolvieren soll.“ Die findet dann am Bruchweg statt. „Ich fand die Bedingungen hier top“, sagte Siewert nach seinem ersten Aufenthalt in Marbella. „Aber ich glaube, es ist gut, auch wieder am Bruchweg zu sein, um uns in diesem Rahmen auf Wolfsburg vorzubereiten.“

 

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