Bundesliga | Gert Adolphi | 28.10.2021

Der Youngster hat Lunte gerochen

IM PORTRÄT | Jan Vielmuth zahlt in der Ringen-Bundesliga noch viel Lehrgeld, fühlt sich im Kader des SV Alemannia Nackenheim aber sehr wohl. Der 16-Jährige hilft, wo er helfen kann – und hofft, am Samstag in Bad Kreuznach erstmals über die Zeit zu kommen.
In der Bundesliga zahlt Jan Vielmuth (r.), hier gegen den Mainzer Beka Bujiashvili noch Lehrgeld.
In der Bundesliga zahlt Jan Vielmuth (r.), hier gegen den Mainzer Beka Bujiashvili noch Lehrgeld. | Bernd Eßling

Nackenheim. Seit Samstag weist Jan Vielmuths Bundesligabilanz einen Sieg auf. Dass der Ringer des SV Alemannia Nackenheim die Punkte kampflos einstrich, weil der RC Düren-Merken beim Kampf in Bodenheim das Greco-Federgewicht unbesetzt ließ, mehr noch, dass die Nackenheimer wegen eines Regelverstoßes der Gäste schon vor dem ersten Gong 40:0 gewonnen hatten, störte Vielmuth wenig.

„Es ist ein sehr schönes Gefühl, vier Punkte für die Erste Mannschaft zu holen“, sagte der 16-Jährige, „auch wenn ich keinen Kampf hatte.“ Er habe sich trotzdem gefreut. Cengiz Cakici wollte ebenfalls keine Abstriche machen. „Gewonnen ist gewonnen“, sagte der Trainer. „Daraus kann der junge Bub Motivation ziehen.“

Vielmuth teilt das Los zahlreicher junger Kollegen. Um möglichst viele internationale und deutsche Topathleten in einer Aufstellung unterzubringen, gleichzeitig aber die Obergrenze von 28 Ringerpunkten nicht zu überschreiten, werden sogenannte Eigengewächse benötigt. Diese Ringer, die mindestens drei Jahre in dem Verein ausgebildet wurden, für den sie antreten, schlagen mit minus zwei Punkten zu Buche.

Helfen ist ein Bedürfnis

Nur wenige Klubs, wie die Red Devils Heilbronn oder Konkordia Neuss verfügen über Eigengewächse, die auch auf Topniveau erfolgreich sind. Die anderen Vereine greifen auf ihre Nachwuchsringer zurück, wohlwissend, dass die in der Bundesliga noch Lehrgeld zahlen. Vielmuth ist sich bewusst, dass er zu dieser Kategorie gehört, doch er fühlt sich keineswegs nur als Notnagel.

„Zum Kader zu gehören, ist eine gute Erfahrung“, sagt er. „Ich bin für die Mannschaft da und helfe, wo ich helfen kann.“ Dazu gehört, dass er sich als Freistilspezialist auch im Greco aufstellen lässt.

Helfen ist dem Realschüler aber nicht nur im Sport ein Bedürfnis, wie kürzlich eine Analyse bei der Berufsberatung ergab. „Das ging sehr stark in Richtung einer sozialen Tätigkeit.“ Deshalb peilt er eine Ausbildung zum Rettungssanitäter an.

An der Kniescheibe verletzt

Der Sohn des Nackenheimer Vereinsvorsitzenden Stephan Vielmuth ringt, seit er denken kann. Sein Vater nahm ihn schon mit in die Halle, als er noch selbst auf die Matte ging. Der 16-Jährige hat zahlreiche Einzeltitel in Rheinland-Pfalz gewonnen, trat auch für Rheinhessen mehrmals beim Drei-Länder-Turnier mit der Pfalz und dem Rheinland an, das der kleinste der drei Verbände sogar einmal gewann.

Zur Teilnahme an Deutschen Meisterschaften hat es bislang noch nicht gereicht. Nationale Titelkämpfe gibt es erst ab der B-Jugend, sprich ab einem Alter von 15 Jahren. Voriges Jahr fielen sie coronabedingt aus, in diesem Jahr konnte sich Vielmuth nicht qualifiziert, weil er sich im Sommer bei einem Sturz vom Fahrrad an der Kniescheibe verletzt hatte und eine Pause einlegen musste.

Mittlerweile ist er fast wieder komplett hergestellt, muss allerdings noch in die Physiotherapie und, wenn Schmerzen auftreten, ab und zu mit dem ringerspezifischen Training aussetzen. Während seine Teamkollegen auf der Matte schwitzen, arbeite er dann im Kraftraum am Muskelaufbau.

Tipps von den Kollegen

Trotz seiner Jugend wird Vielmuth in der Mannschaft respektiert. Die meisten einheimischen Athleten wie Robin Ferdinand oder Kubilay Cakici kennt er ja schon seit Jahren. Man macht zusammen Witze in der Kabine, manchmal geben ihm seine erfahreneren Kollegen auch Tipps. Die letzten Instruktionen vor dem Kampf aber erteilt ihm Cengiz Cakici.

Kampflos geschlagen gibt sich der 16-Jährige auch nicht, wenn er auf einen internationalen Topmann trifft. „Ich konzentriere mich, versuche mein Bestes zu geben und blende bis auf das, was mir mein Trainer zuruft, alles andere aus.“

Noch hat der Zehntklässler bei seinen Niederlagen die erste Runde nicht überstanden, die längste Kampfdauer liegt etwas über anderthalb Minuten. Einmal bis in die Pause zu kommen, würde er schon als Erfolg bewerten.

Cakici imponiert die Ansage

Vielleicht klappt es damit ja am Samstag beim Derby in Bad Kreuznach gegen die Wrestling Tigers Rhein-Nahe. Sollte er im Freistil-Fliegengewicht antreten, träfe er wohl auf Ahmed Alfaraj, dessen erste sportliche Station in Deutschland nach der Flucht der Familie aus Syrien die Alemannia war.

Die beiden Athleten kennen einander vom gemeinsamen Training, in einem Wettkampf standen sie sich noch nicht gegenüber. „Ich weiß, was auf mich zukommt“, sagt Vielmuth, „gegen Ahmed habe ich definitiv eine Chance.“ Sein Gegner ist allerdings sechs Jahre älter, von daher naturgemäß auch kräftiger. Vielleicht kann Vielmuth dennoch zum ersten Mal über die Zeit kommen.

Cengiz Cakici imponiert die mutige Ansage seines Youngsters. „Ich finde es gut, dass Jan jetzt Lunte gerochen hat.“

 

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