„Ich bin immer bereit“
Mainz. Eine Minute und fünfzehn Sekunden dauerte das Bundesligadebüt von Anousch Jafari Gorzini, dann hatte Ayoub Musaev ihn mit einer Beinschraube so lange über die Matte gedreht, bis mit 16:0 der technisch überlegene Sieg des Neussers feststand. „Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die erste Runde zu überstehen“, sagt der Unterlegene. „Damit wurde es leider nichts.“
Fehlende Erfahrung und noch fehlende Kraft nennt der 16-jährige Ringer des ASV Mainz 88 als Gründe für seine rasche Niederlage. Ähnlich sieht es Davyd Bichinashvili. „Wenn man nur einen Bruchteil einer Sekunde verschläft, geht es ganz schnell“, sagt der Mainzer Cheftrainer. „Wenn du einmal in einer solchen Beinschraube drin bist, ist es schwer, wieder herauszukommen.“
Mit einem Erfolg des Debütanten hatte allerdings auch niemand gerechnet. Bichinashvili hatte das Eigengewächs aufgestellt, um auf anderen Positionen mit erfahrenen Erfolgsgaranten den Heimsieg über den KSK Konkordia Neuss abzusichern. Dank der minus zwei Ringerpunkte Jafari Gorzinis blieben die 88er im 28-Punkte-Limit, ihr Sieg fiel mit 19:7 auch deutlich aus.
Noch kein Siegringer
Der Nachwuchsathlet 16-Jährige nimmt seine Rolle als Zählkandidat ohne zu murren an. „Das ist für mich kein Problem“, versichert er. „Wenn es dem Verein hilft, mache ich das gerne. Auch wenn mir bewusst ist, dass ich noch kein Siegringer bin, bin ich immer bereit.“
Eine Woche vor dem Heimkampf hatte der Trainer ihm signalisiert, dass er ihn im Freistil-Leichtgewicht aufstellen werde. Darauf hatte Anousch Jafari Gorzini mehr als ein Jahr gewartet. Denn schon vorige Saison gehörte er dem Mainzer Aufgebot an, zu einem Einsatz kam es allerdings nicht – was auch daran lag, dass die 88er in der frühzeitig abgebrochenen Saison nur eine Begegnung bestritten.
„Es war trotzdem etwas Besonderes, mit 15 Jahren im Bundesligakader zu stehen“, sagt er, räumt aber ein: „Für einen Kampf war ich damals noch nicht bereit. Deshalb war es nicht schlimm, dass ich noch keinen Einsatz bekam.“ Jetzt für das Duell mit Konkordia Neuss nominiert zu werden, habe ihn nicht nervös gemacht; erst kurz bevor er auf die Matte ging, stieg die Anspannung etwas.
Ringer-Gen vom Vater geerbt
Gewissenhaft hatte sich der junge Mann auf seinen Gegner vorbereitet, hatte dessen Bilanzen studiert und sich einzelne Kämpfe auf Video angeschaut. „Ich wusste, dass er sehr stark ist. Er hat in der Bundesliga schon viele Kämpfe gewonnen, auch gegen Topleute.“ Konkret: Musaev war in dieser Saison sechsmal im Einsatz, sechsmal siegreich und bezwang unter anderem den Wittener Andrei Perpelita, den EM-Dritten von 2014 und 2017. Einen erfolgreicheren Ringer haben die Neusser nicht in ihren Reihen.
Die Atmosphäre in der Mombacher Sporthalle „Am Großen Sand“ kennt Anousch Jafari Gorzini schon seit Jahren. Sein im Vorstand der 88er engagierter Vater nahm ihn früh zu den Bundesligakämpfen mit, wo beide am Mattenrand mitfieberten.
Mehdi Jafari Gorzini hat sich als aktiver Sportler zwar auf den Fußball beschränkt und war in den 80er- und 90er Jahren ein gefürchteter Torjäger des FC Vorwärts Orient Mainz, doch die Liebe zum Ringen ist in seiner DNA verankert. Der 1979 nach Deutschland gekommene gebürtige Iraner stammt aus dem im Norden des Landes gelegenen Shirgah in der Provinz Mazandaran, einer Hochburg des Ringsports, die zahlreiche große Kämpfer hervorgebracht hat, darunter Reza Yazdani, Weltmeister 2011 und 2013.
„Einfach ein guter Sport“
Etwa als Sechsjähriger nahm Anousch erstmals am Kindertraining des ASV teil, wurde in jungen Jahren auch Rheinland-Pfalz-Meister. „Es ist ein harter Sport und wir trainieren hart“, erklärt der 16-Jährige seine Begeisterung für das Ringen. „Es ist einfach ein guter Sport.“ Seit rund zweieinhalb Jahren gehört er zu Aktivengruppe unter Bichinashvili. „Mit 13, 14 Jahren kommen die Jugendlichen zu uns, wenn wir sehen, dass sie Talent haben“, sagt der Coach. Der Bundesligadebütant entwickle sich sehr gut und werde Monat für Monat in allen Bereichen besser.
Der Sportler selbst setzt einen eigenen Akzent. „Kraft ist nicht das große Problem bei mir, es fehlt eher noch die Technik.“ Natürlich habe man als Jugendlicher auch noch physische Nachteile gegenüber Erwachsenen, daher müsse er noch härter arbeiten. Fünfmal pro Woche tritt er zu den Einheiten im Weisenauer Athletikzentrum an, zudem geht er samstags gelegentlich laufen.
„Wir arbeiten an seiner Technik“, versichert Bichinashvili. „Anousch trainiert fleißig und will etwas erreichen.“ Im nächsten Jahr, seinem zweiten in der A-Jugend, könne Jafari Gorzini in seiner Altersklasse auf Bundesebene vorne mitmischen – und mit 18, 19 wäre er dann auch ein vollwertiger Ringer für die Bundesliga.