Bundesliga | Gert Adolphi | 05.01.2022

„Vor mir liegt noch ein langer Weg“

IM PORTRÄT | Robin Ferdinand vom Ringen-Bundesligisten SV Alemannia Nackenheim wird wegen eines Kreuzbandrisses noch länger pausieren müssen. Danach will er um seine Olympiachance kämpfen. Momentan fungiert er beim SVA als Coach.
Erst im März kann Robin Ferdinand mit der Reha beginnen.
Erst im März kann Robin Ferdinand mit der Reha beginnen. | Bernd Eßling

Nackenheim. Beim Basketball, dem traditionellen Aufwärmprogramm der Ringer vor dem Training, passierte es. „Es war eine Aktion wie viele Tausend andere auch“, erinnert sich Robin Ferdinand an den Moment, in dem ihm das Kreuzband riss. „Vielleicht war der Winkel des Knies beim Aufkommen etwas größer, vielleicht bin ich stärker in die Hocke gegangen.“

Das Gelenk schwoll sofort an, der 28-Jährige wusste gleich Bescheid. Und die ärztliche Untersuchung bestätigte die erste Diagnose.

Zwei Tage nach der Verletzung stellte sich Ferdinand noch einmal in den Dienst seiner Mannschaft und ging für den SV Alemannia Nackenheim im Derby beim ASV Mainz 88 auf die Matte. Seine Hoffnung, über die Zeit zu kommen und die Niederlage im Freistil-Schwergewicht in Grenzen zu halten, erfüllte sich nicht. Obwohl Abdallh Karem das lädierte Knie schonte, stand Ferdinands technisch überhöhte Niederlage nach viereinhalb Minuten fest.

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Zweite Tochter geboren

Der November bescherte ihm allerdings auch ein erfreuliches Ereignis. Am 25., zwölf Tage nach dem Trainingsunfall, kam Alena Sophia, seine zweite Tochter zur Welt; die dreijährige Roana bekam eine Schwester. Wegen der Schwangerschaft seiner Frau hatte der werdende Vater seine Operation allerdings hinauszögern müssen, um mobil zu bleiben. Erst vier Tage vor Heiligabend erfolgte der Eingriff in Köln.

Eine große Hilfe bei der Versorgung des Babys ist Ferdinand seiner Frau derzeit nicht, da er sich nur auf Krücken fortbewegen kann und meistens sein Bein auf der Couch hochlegt. „Aber es ist schön, dass ich häufig zu Hause bin und viel von der Kleinen habe.“

Die Geburt seiner Tochter hätte er allerdings nicht gebraucht, um die Verletzung mental zu verarbeiten. „Deprimiert war ich nie“, sagt der Alemanne. „So etwas passiert im Sport. Schlechte Gedanken habe ich gar nicht aufkommen lassen.“

„Ich war dick und habe mich gehenlassen“

Die Zwangspause gehe schließlich vorbei, dann sei er 29 – noch kein Alter für einen Ringer. Auch seine Karriere in der Nationalmannschaft möchte Ferdinand fortsetzen, und er nutzt die Zeit, um sich auf eine neue Herausforderung vorzubereiten. Erst 2020 hatte er bei Freistil-Bundestrainer Jürgen Scheibe angefragt, ob er an den Lehrgängen teilnehmen könne, seit Januar 2021 gehörte er wieder dem Nationalkader an, im April wurde er im 92-Kilo-Limit Neunter der Europameisterschaften.

Die Gewichtsklasse war neu für ihn, bis dahin hatte er national und international nur im Halbschwer- (damals 96, heute 97 Kilo) und Schwergewicht (130 Kilo) gerungen. Zwischendurch konnte er nur im höchsten Limit antreten, da er nach einer Handverletzung und der daraus resultierenden Trainingseinschränkung 117 Kilo auf die Waage brachte.

„Ich war dick und habe mich gehenlassen“, räumt Ferdinand ein. Doch die harte körperliche Arbeit als Dachdecker und der neu entfachte Trainingseifer ließen die Pfunde purzeln: „Ich wurde ziemlich leicht.“

Vater Präsident, Schwester Kampfrichterin

Als er noch 95 Kilo wog, musste er keine großen Anstrengungen unternehmen, um für die internationalen Einsätze auf 92 Kilo abzukochen. Doch schon damals stand für ihn fest, dass dies nur ein Zwischenschritt sein sollte, da diese Gewichtsklasse nicht olympisch ist. Ziel des Nackenheimers ist das Halbschwergewicht, deshalb will er während seiner Verletzungszeit Muskelmasse aufbauen.

„In 97 Kilo ist die Konkurrenz größer, aber die Gewichtsklasse ist olympisch“, sagt Ferdinand. „Ich will die Nummer eins in Deutschland werden und vielleicht auch zu den Olympischen Spielen fahren.“

Der gebürtige Westerwälder entstammt einer ringsportbegeisterten Familie. Vater Thomas Ferdinand war selbst aktiv und ist Präsident des Schwerathletik-Verbands Rheinland, Schwester Laura ist Bundesliga-Kampfrichterin. „Als ich mit zwei, drei Jahren die ersten Schritte gelaufen bin, habe ich auch die ersten Schritte auf der Matte gemacht“, erzählt Robin Ferdinand.

Viel von Gheorghita gelernt

Beim ASV Boden, wo sein Vater Trainer war, nahm seine Karriere ihren Anfang. Früh stellten sich Erfolge ein: 2006 wurde er Deutscher C-Jugend-Meister, später folgten der Titel bei der B- und der dritte Platz bei der A-Jugend. Bis dahin trat Ferdinand im Greco an – das änderte sich, als er 2011 im Juniorenalter für zwei Jahre zum ASV Mainz 88 wechselte und dort erste Bundesligaeinsätze bekam.

„Mein damaliger Trainer Ahmet Cakici sah meine Bewegungsabläufe und sagte: Du bist Freistiler“, erinnert er sich. Ferdinand trainierte viel mit dem Rumänen Stefan Gheorghita, dem Olympiafünften von 2008, und lernte schnell. Noch im selben Jahr wurde er im Freistil-Halbschwergewicht Deutscher Juniorenmeister, 2012 wiederholte er den Erfolg und holte sich zudem den Titel bei den Männern.

Drei Jahre später war er noch einmal im Schwergewicht erfolgreich. Parallel trat er aber noch im Greco an und landete auf zweiten und dritten Plätzen. Dank der Erfolge wurde auch der Bundestrainer auf ihn aufmerksam. Im Übergang von den Junioren zu den Männern gehörte er für zwei Jahre erstmals dem Nationalkader an, trat bei Welt- und Europameisterschaften sowie 2012 beim Olympia-Qualifikationsturnier für London an.

Aufstieg mit dem SV Triberg

Aus Mainz wechselte Ferdinand für eine Saison nach Kleinostheim, um in der Zweiten Bundesliga mehr Wettkampfpraxis zu sammeln, ehe er sich für drei Jahre dem Erstligisten RWG Mömbris-Königshofen anschloss, wo er in zwei Gewichtsklassen und beiden Stilarten eingesetzt wurde – eine Rolle, die er später auch in Nackenheim übernahm. Dazwischen machte er beim Zweitligisten SV Triberg Station, weil der Abschluss seiner Ausbildung zum Dachdecker Priorität genoss.

Mit der Mannschaft aus dem Schwarzwald wurde Ferdinand zwar Meister, doch da die Alemannen gerade in die Bundesliga aufgestiegen waren, kehrte er quasi in die Heimat zurück. Als er in Boden keine adäquaten Trainingspartner mehr gefunden hatte, war er nach Mainz gezogen.

Reha erst ab März

Schon seit fünf Jahren ringt der 28-Jährige in Nackenheim und feierte mit der Mannschaft Erfolge. Mit dem Erreichen des Achtelfinales in der laufenden Saison stehen die Alemannen bereits zum dritten Mal in den Play-offs. „Es ging recht schnell“, sagt Ferdinand. „Auf Anhieb haben wir die Endrunde erreicht und kamen im dritten Jahr schon ins Halbfinale.“

Bis er selbst wieder mithelfen kann, die Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben, muss er sich noch gedulden. Wegen eines Knorpelschadens kann er erst im März mit der Reha beginnen, ein halbes bis dreiviertel Jahr dauert es, bis er auf die Matte zurückkehren kann. „Vor mir liegt noch ein langer Weg.“

Vorerst ist er in eine andere Rolle geschlüpft: Nach der Demission von Trainer Cengiz Cakici, bei dessen Familie er eine Zeitlang gewohnt hatte und dessen Ziehsohn er quasi ist, übernahm er das Coaching beim SVA. Die Rolle ist noch ungewohnt, aber Robin Ferdinand wird auch hier seinen Weg finden.

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