Bundesliga | phe/kul | 28.07.2023

„Robin ist ein Ansporn“

NEUES AUS SCHLADMING (7) | Torwart Lasse Rieß über seine Entwicklung seit der Aufnahme in den Profikader, die trotz Konkurrenzkampf gute Stimmung in der Gruppe, den neuen Kollegen Daniel Batz, das Privileg, als NLZ-Spieler zu Hause wohnen zu können, sich und Merveille Papela als staunende Jugendliche und die Vormachtstellung seines Kollegen Zentner im Kraftraum.
Man sieht es Lasse Rieß (zwischen Tristan Mohn und Robin Zentner) an: In der Mainzer Torhütergruppe herrscht trotz harter Arbeit und Konkurrenzkampf eine Wohlfühlatmosphäre.
Man sieht es Lasse Rieß (zwischen Tristan Mohn und Robin Zentner) an: In der Mainzer Torhütergruppe herrscht trotz harter Arbeit und Konkurrenzkampf eine Wohlfühlatmosphäre. | Peter H. Eisenhuth

Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05

berichten Peter H. Eisenhuth und David Kulessa.

 

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Am Donnerstag bekam Lasse Rieß in Schladming Besuch: Während der vormittäglichen Trainingseinheit in der Athletic-Area saß sein Vater auf der Tribüne, aus dem Urlaub in Garmisch-Partenkirchen angereist, im Gepäck einen selbstgebackenen Kuchen. Den durfte der Sohn nach getaner Arbeit anlässlich seines Geburtstags entgegennehmen. Ein ganz besonderes Geschenk wartete am Abend auf den jetzt 22-jährigen Keeper: das Interview mit SPORTAUSMAINZ.de.

 

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Herr Rieß, hätten Sie es sich vor drei Jahren vorgestellt, Ihren 22. Geburtstag so zu verbringen, im Trainingslager mit dem FSV Mainz 05?

So weit im Voraus habe ich nie gedacht. Aber ich bin es gewohnt, meinen Geburtstag im Trainingslager zu verbringen, das war schon in der U19 so und auch in den vergangenen drei Jahren. Und dass es nun bei den Profis ist: Ich habe einfach immer Wert darauf gelegt, mich weiterzuentwickeln. Mein übergeordnetes Ziel ist immer noch, irgendwann in der Bundesliga zwischen den Pfosten zu stehen. Dieses Ziel habe ich verfolgt, das hat mich hierhergebracht, und ich bin hier, Stand jetzt, sehr glücklich.

 

 

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Eine ganz konkrete Karriereplanung, zu welchem Zeitpunkt sie auf welchem Stand oder möglicherweise auch in welchem Verein Sie sein wollen, verfolgen Sie nicht?

Nein, gar nicht. Ich gebe mein Bestes und muss an meine Chance glauben – und wenn ich sie bekomme, will ich sie nutzen. Bei Finn Dahmen zum Beispiel hat es auch ein bisschen gedauert, bis er jetzt in Augsburg die Nummer eins ist.

Bleiben wir bei Finn Dahmen. Er hat früh entschieden, seinen Vertrag in Mainz nicht zu verlängern, falls er nicht die Nummer eins sein sollte. Ihr Vertrag läuft noch zwei Jahre – können Sie sich vorstellen, das anschließend genauso zu handhaben: Stammkeeper oder Wechsel?

Im Fußball kann es immer schnell in beide Richtungen gehen. Es kann sein, dass ich, wenn ich es schaffe, die Nummer zwei zu werden, komplett auf der Bank sitze, es kann aber auch sein, dass ich vier, fünf Einsätze bekomme. Finn hatte in der vorigen Saison ein bisschen Glück, dass er inklusive des DFB-Pokals gegen Bayern in zehn Spielen zwischen den Pfosten stand. Es wird sich zeigen. Es kann ja auch sein, was ich nicht heraufbeschwören will, dass ich mich verletze und wieder herankämpfen muss.

Was ist denn Ihr Ziel für die bevorstehende Saison? Nummer zwei, Nummer eins?

Mit dem Verein ist abgesprochen, das haben Martin Schmidt und Christian Heidel ja auch schon so gesagt, dass sie meiner Entwicklung nicht im Weg stehen wollen. Der Bessere setzt sich durch, und diese Entscheidung habe ich nicht zu treffen. Klar ist es mein Ziel, zweiter Torwart zu sein.

Haben Sie in Robin Zentner einen übermächtigen Kollegen vor sich? Oder ist er ein Ansporn?

Er ist auf jeden Fall ein Ansporn. Auch Robin hat sich vor ein paar Jahren durchsetzen müssen, du kriegst nichts geschenkt. Am Ende muss auch ich mich durchsetzen, das ist mein Ziel für die Zukunft – ob in Mainz oder in einem anderen Verein, wird sich zeigen.

Als Nummer zwei säßen Sie für gewöhnlich am Wochenende auf der Bank, elfmal war das ja auch schon der Fall. Halten Sie es für Ihre Entwicklung besser, bei den Profis zu trainieren und auf der Bank zu sitzen, oder würden Sie am Wochenende auch gerne Spielpraxis in der Regionalliga sammeln?

Spielpraxis ist schon sehr wichtig. Aber ich glaube, für mich ist es auch wichtig, im Herrenbereich auch in der Vorbereitung im Sommer und im Winter oder bei den Testspielen in der Länderspielpause mehr Minuten zu kriegen. In den vergangenen Jahren hatte ich in solchen Fällen Finn Dahmen vor mir, der die zweite Halbzeit gespielt hat und ich nur zehn Minuten am Ende. Wenn ich Nummer zwei werde, habe ich mir damit auch mehr Minuten erarbeitet, und dann ist es wichtig, diese Minuten zu nutzen. Und wenn ich in ein, zwei Jahren nicht mehr weiterkomme, kann ich immer noch mit den Verantwortlichen reden, wie es mit mir weitergeht. Für meine jetzige Entwicklung halte ich es für besser, auf der Bank zu sitzen und weniger zu spielen, aber dafür auf höchstem Niveau.

Wenn wir zwei Jahre zurückgehen, haben Sie in den Kader reingeschnuppert, wurden dritter Torwart, haben aber noch etwas instabil gewirkt, waren athletisch noch nicht so trainiert wie heute. Was hat sich seitdem getan? Wie hat sich das Training unter Stephan Kuhnert angelassen? Bo Svensson sagte übrigens heute: „Lasses schönstes Geburtstagsgeschenk ist, dass er zweimal mit Kuhni trainieren darf.“

Als ich aus der Jugend hochkam, war ich im Umgang mit den Coaches und der Mannschaft noch etwas schüchterner, aber das hat sich mit der Zeit gelegt. Du connectest dich ja auch mit den Mitspielern, und in Mainz haben wir das Glück, eine super Truppe zu haben, in der du mit jedem normal reden kannst. Und dann entwickelst du dich einfach persönlich weiter, und alles andere kommt durchs Training. Kuhni hat ja schon den einen oder anderen Torwart herausgebracht, das Training ist super, und ich konnte in den vergangenen beiden Jahren von zwei tollen Torhütern lernen, mir viele Dinge abgucken und mich dadurch weiterentwickeln. Robin ist ein sehr konstanter Torwart, wenn Finn reinkam, hat er ebenfalls sehr stark gespielt, er ist meiner Meinung lauf- und sprungtechnisch einer der saubersten Torhüter, die ich kenne. Und im Kraftraum ist es anstrengend, die Gewichte runterzuschrauben, wenn die beiden vor dir dran sind… (lacht)

Wie weit haben Sie sich angenähert?

Bei den Trizep-Curls zum Beispiel habe ich bei 22 Kilo angefangen. Jetzt, nach zwei Jahren, schaffe ich 35 Kilo.

Wie viele schafft Robin? Einen Zentner?

Das Coole ist: Wir haben nur 35 – aber für ihn ist das einen Tick zu leicht. Im Kraftraum kommt keiner an ihn ran. Aber wenn du Glück hast, hat Robin die Maschine vor dir benutzt, und sie ist schon kaputt… (lacht)

Wenn wir das Torwarttraining beobachten, haben wir den Eindruck, dass Stephan Kuhnert euch verdammt hart rannimmt, aber ihr trotzdem viel Spaß mit ihm habt.

Das Training ist hart, aber nicht zu hart. Die Belastung ist mit den Athletiktrainern abgestimmt, und wir brauchen sie ja auch, um über 90 Minuten konzentriert zu sein. Ich würde auch nicht behaupten, dass wir härter rangenommen werden als die Feldspieler, nur die Art und Weise unterscheidet sich. Wir müssen mehr Sprünge machen oder haben viele kleine, schnelle Aktionen und dann ein kurze Pause, wenn die anderen drankommen. Die Feldspieler laufen länger oder machen Sprints, die bei uns kaum vorkommen. Unterm Strich ist es ähnlich anstrengend.

Haben Sie echte Hassübungen?

Ja, die gibt es, gestern hatten wir so eine im Programm: Der eine Torhüter tippt ein Hütchen an, und der andere muss es auf der anderen Seite spiegeln. Dann rennst du die ganze Zeit hin und her und musst dich bücken. Zum Glück haben wir das nicht so lang gemacht, aber das ist eine Übung, die ich nicht gut leiden kann.

Was man immer wieder hört, was auch Finn Dahmen bei seinem Abschied noch mal bestätigt hat, ist, welche gute Stimmung innerhalb des Torwartteams herrscht. Dass man sich eher gegenseitig hilft als Konkurrenten zu sein. Nehmen Sie das auch so wahr?

Bei uns ist das Menschliche immer da, auch jetzt in der neuen Zusammensetzung mit Daniel Batz verstehen wir uns wirklich gut. Wir respektieren alle den internen Konkurrenzkampf, jeder will natürlich alles geben, und wenn einer einen Ball gut hält, erkennen die anderen das an und gönnen ihm das. Das ist schon besonders, würde ich sagen. Das lebt Robin, der ein Führungsspieler innerhalb der Mannschaft ist, vor. Deshalb fühlt sich jeder junge Torwart, der aus der U19 oder U23 hochkommt, in der Gruppe wohl. Da gibt es auch keinen schiefen Blick, keinen dummen Kommentar, keinen Spruch, wenn man mal einen Ball nicht hält. Das hat mir auch geholfen, als ich aus der Jugend kam und natürlich weniger Bälle gehalten habe als die anderen.

Wie haben Sie Daniel Batz‘ Verpflichtung wahrgenommen? Hat der Verein vorher mit Ihnen darüber geredet?

Ja, ich wusste, dass der Verein noch einen erfahreneren Torwart holen und sich auf dem Markt umgucken wollte. Dass es dann Batzi wurde, habe ich aus den Medien erfahren. Er ist genau der Torwarttyp, über den wir gesprochen hatten.

Kannten Sie ihn vorher?

Nein, ich habe aber gesehen, dass er in der Dritten Liga einen richtig guten Job gemacht hat, und wenn ich ihn jetzt im Training sehe, kann ich nur sagen: Mainz 05 hat mit seiner Verpflichtung alles richtiggemacht.

Sie sind einer der Spieler, die aus dem Nachwuchsleistungszentrum kommen, aber nie im Internat, sondern immer zu Hause gewohnt haben.

Genau. Ich bin in Münster geboren, meine Eltern sind dann nach Nieder-Olm gezogen, und ich bin nach der Grundschule direkt auf die IGS Bretzenheim gegangen, die Partnerschule von Mainz 05. Nach der sechsten Klasse wurde ich im NLZ angenommen. Und dann war der Ablauf so, dass ich nach der Schule zum Training bin, dort haben meine Eltern mich abgeholt, sie haben mich auch überall hingefahren.

War es wichtig für Sie, jeden Abend nach Hause, statt ins Kolpinghaus zu fahren?

Ich hatte viele Freunde, die im Kolpinghaus gewohnt haben, ich war auch öfter zum Essen mal da. Ich glaube, die Voraussetzungen sind grundsätzlich schon besser, wenn du im Elternhaus leben kannst. Ich bin froh und dankbar, dass ich nur 15 Minuten von zu Hause so einen super Klub hatte. Zu Hause gab es auch immer was zu essen, von dem meine Mutter sicher war, dass es mir schmeckt (lacht). Sie hat auch immer gesund gekocht. Und bei den Hausaufgaben fiel es mir leichter, mit Fragen zu meiner Mama und meinem Papa zu gehen als zu einem Betreuer. Ich will nicht sagen, dass ein Internat schlecht ist, viele andere Spieler sind dort ja sehr gut zurechtgekommen und Profis geworden sind, aber für mich war es besser, zu Hause zu sein.

Stichwort Ernährung: Achten Sie auf bestimmte Dinge?

Ja, ich versuche mich proteinhaltig zu ernähren und Kohlenhydrate so weit es geht wegzulassen. Ich esse auch mal ein Stück Brot zum Fleisch, aber grundsätzlich verzichte ich auf Weizenprodukte und auch weitgehend auf Laktoseprodukte, obwohl ich keine Intoleranz habe.

Ihr Vater hat Ihnen heute zum Geburtstag einen Kuchen gebracht…

…der war super lecker. Der war auch glutenfrei, und alles, was drin war, war bio, meinte er.

Sie sind seit zehn Jahren bei Mainz 05 und inzwischen Profi. Gibt es Dinge, die Sie in Ihrer Jugend gerne gemacht hätten, aber als Profi nicht machen durften?

Ich bin mit Merveille Papela auf einem Zimmer, seit dem fünften Schuljahr waren wir in einer Klasse, danach in einer Mannschaft. Wenn wir am Bruchweg im Kraftraum waren, konnten wir durch die „heiligen Tore“ in den Profitrakt gucken und zum Beispiel das schöne Schuhregal der Profis sehen. Oder wenn bei den Physios die Fenster offenstanden und sich vier Leute um die Spieler gekümmert haben. Wir haben gestaunt, welcher Aufwand betrieben wird, damit es den Profis gutgeht. Davon waren wir angefixt – und wir haben Jahr für Jahr daran gearbeitet, selbst irgendwann da zu landen. Ich war in der U16 auch super gerne Balljunge. Und was den Verzicht angeht: Ich musste auf gar nichts verzichten. Ich hatte auch die Möglichkeit, wenn wir freitags gespielt haben, samstags auf einen Geburtstag oder ein Straßenfest zu gehen. Ich habe Freunde aus der Kindergarten- und der Grundschulzeit, und ich habe neue Freunde auf der IGS und über den Fußball kennengelernt. Ich habe über den Fußball viel mehr gewonnen als irgendwas verloren.

Wie viele Spiele der TuS Marienborn haben Sie vorige Saison gesehen? (Anmerkung d. Red.: Lasse Rieß‘ jüngerer Bruder Matti spielt seit März beim Verbandsligisten)

Tatsächlich nur eins, das haben die Marienborner mit 3:0 gewonnen. Aber ich würde gerne öfter vorbeikommen.

Geben Sie Ihrem Bruder Tipps?

Wir sehen uns oft, wir machen viel zusammen und verstehen uns richtig gut. Er ist in vielen Sportarten sehr gut. Der Tipp, den ich ihm als Stürmer gebe, ist, gierig zu sein, Tore zu schießen, Vorlagen zu geben. Und dann kann es peu à peu nach oben gehen.

 

 

 

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