„Das Projekt ist noch nicht zu Ende“
Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05
berichten Peter H. Eisenhuth und David Kulessa.
Schladming. Die Frage bekam Bo Svensson schon beim Trainingsauftakt nach der Sommerpause gestellt, eine konkrete Antwort steht bis heute aus: Wird der Däne seinen am Ende der Saison auslaufenden Vertrag beim FSV Mainz 05 verlängern? Und falls ja, wann? Der Trainer signalisierte, es bestehe kein Grund zur Eile, mit Christian Heidel werde er sich rechtzeitig darüber unterhalten.
Der Sportvorstand scheint ebenfalls nicht aufs Tempo zu drücken, lässt aber keinen Zweifel daran, „dass wir die Zusammenarbeit, die seit zweieinhalb Jahren läuft, fortsetzen wollen“. Damals hatte er, wenige Tage nach seiner und Martin Schmidts Rückkehr an den Bruchweg, Svensson nachgeholt. Um den ehemaligen Mainzer Bundesligaprofi und Nachwuchstrainer vom FC Liefering loszueisen, überwiesen die Rheinhessen dem RB Salzburg die 1,5 Millionen Euro zurück, die der Brauseklub eineinhalb Jahre zuvor an Ablöse aufs 05-Konto eingezahlt hatten.
Was danach geschah, ist nicht nur Geschichte, sondern eine historische Leistung: Unter Svensson schwangen sich die so gut wie abgestiegenen und allerorten abgeschriebenen Mainzer zu einer Aufholjagd auf, wie es sie in Europa noch nicht gegeben hatte. Mit nur sieben Punkte in die Rückrunde gegangen, als Tabellenvorletzter gleichauf mit Schlusslicht Schalke 04 und zehn Zähler hinter den Nichtabstiegsplätzen zurück, kletterten sie am 26. Spieltag erstmals über den Strich und fielen auch nicht mehr darunter zurück.
Europäische Ambitionen
Am Saisonende landeten die 05er auf dem zwölften Rang, nach sagenhaften 32 Punkten in der zweiten Halbserie. Der Worst Case, den die Vereinsverantwortlichen bei Svenssons Verpflichtung einkalkulieren mussten, war nicht eingetreten, doch auch im Abstiegsfall hätten sie am Trainer festgehalten. Der mit einem Dreieinhalbjahresvertrag ausgestattete Däne, dessen Trainererfahrung im Männerfußball sich auf die Zeit in der österreichischen Zweiten Liga beschränkte, hätte mit einer neuformierten Mannschaft auf den Wiederaufstieg hinarbeiten sollen.
Dass es dazu nicht kam: umso besser. Seither geht es ihm darum, der Mannschaft seine Fußballphilosophie zu vermitteln, das Team in der Bundesliga zu halten und, auch wenn das weder er noch die Führung offensiv kommunizieren, auch wieder in den europäischen Fußball zu führen. Vorige Saison hätte es beinahe funktioniert, nach zehn nicht verlorenen Spielen hintereinander schienen die Mainzer reif für einen internationalen Wettbewerb. Mit einer vierteiligen Niederlagenserie erledigten sich derlei Ambitionen – bevor sie zum Abschluss mit dem 2:2 in Dortmund nicht nur den Bayern zum Titelgewinn verhalfen, sondern noch mal darlegten, was für sie selbst möglich gewesen wäre.
Zwei „A-Lösungen“ verpflichtet
„Das Projekt ist noch nicht zu Ende“, sagt Christian Heidel. „Wir sind auf einem superguten Weg, aber es geht noch mehr.“ Und Svensson müsse das Gefühl bekommen, diesen Weg weitergehen zu können. Zum Beispiel, indem der Klub die Spieler verpflichte, die der Coach für die Weiterentwicklung der Mannschaft wünsche. In Sepp van den Berg und Tom Krauß haben Heidel und Martin Schmidt bereits zwei „A-Lösungen“ an Land gezogen, der Kader sei jetzt bereits stärker als in der vorigen Spielzeit.
„Wenn wir mit dieser Mannschaft plus einem zusätzlichen Linksverteidiger in die Saison gehen, habe ich einen sehr glücklichen Trainer“, sagt Heidel. Sollte das den Trainer zur Vertragsverlängerung beflügeln, hätte er einen glücklichen Manager. Der weiß, dass „Bo ein Trainer ist, der durchaus mal in England arbeiten kann“; nach Jürgen Klopp und Thomas Tuchel wäre Svensson dann der dritte ehemalige Mainzer Coach in der Premier League. „Die Frage ist: wann?“ Geht es nach Heidel, nicht so bald.
Kein Interesse an Ablösesumme
Dass Svensson nicht kurzfristig abspringen wird, steht für den Sportvorstand außer Frage. „Ich vertraue Bo total, und ich glaube, umgekehrt ist es genauso“, sagt er.
Und was, wenn die Zusammenarbeit trotz aller Bemühungen und gegenseitigen Wertschätzung im Sommer nächsten Jahres zu Ende geht? „Wir wollen unseren Weg fortsetzen, am allerliebsten mit Bo, aber die Mannschaft ist so zusammengestellt, dass auch ein möglicher Nachfolger damit zurechtkäme“ – schließlich wäre das kein Trainer, dessen Philosophie der Svenssons diametral gegenübersteht.
Svensson einen Vertrag mit Ausstiegsklausel anzubieten, um ihm einen Verbleib schmackhaft zu machen und selbst notfalls eine Ablöse zu kassieren, ist für Heidel keine Option. „Uns geht es nicht ums Geld. Wir nehmen es gerne, aber beim Trainer wollen wir es nicht.“ (phe)