Bundesliga | Peter H. Eisenhuth / Christian Karn | 18.12.2024

Libero hinter der Viererkette

Beim Rücktritt seinen Vorvorgänger als Nachfolger empfohlen. Ein Nachruf auf den ehemaligen 05-Trainer Dietmar Constantini.
Dietmar Constantini mit Kotrainer Michael Blättel.
Dietmar Constantini mit Kotrainer Michael Blättel. | Bernd Eßling

Mainz. Manche Situationen, manche Dialoge brennen sich ins Gedächtnis ein wie Fett in die Pfanne. Die Begebenheit mit Dietmar Constantini trug sich an einem unwirtlichen Freitagabend im Cottbuser „Stadion der Freundschaft“ zu. Im Oktober 1997 war das, zu einer Zeit, als schreibende Journalisten vor dem Anpfiff eines Zweitligaspiels in den Innenraum durften, um mit Trainern oder Verantwortlichen zu reden; sonderlich viele Medienleute interessierten sich ohnehin nicht für das Gekicke im Unterhaus.

Auf dem Cottbuser Rasen also fragte der damalige Reporter der Mainzer Rhein-Zeitung den österreichischen Trainer des FSV Mainz 05, ob denn der zuletzt angeschlagene und auf der Bank sitzende Peter Neustädter tatsächlich einsatzfähig sei. „Dös is a Russ, die san’s hoart“, antwortete Constantini. Der Journalist: „Der ist Kasache.“ Constantini: „Die san’s noch härter.“

Die Partie endete 2:2 – und trug damit zu dem Problem bei, an dem „Didi“ letztlich scheiterte. Als Nachfolger des früh in der Saison entlassenen Reinhard Saftig verlor er zwar nur fünf seiner neunzehn Spiele, gewann aber auch nur vier. Und zehn Unentschieden reichten nicht, um sich über dem Strich aufzuhalten. Nach dem 25. Spieltag, einem 1:3 gegen die SG Wattenscheid 09, dem achten sieglosen Spiel hintereinander, trat Constantini an Palmsonntag 1998 zurück.

Ernst Happel als Mentor

In seiner aktiven Zeit war der Innsbrucker in den 70er- und 80er-Jahren Innenverteidiger bei diversen österreichischen Klubs und zwischendrin in Griechenland, mit Wacker Innsbruck gewann er 1977 die Meisterschaft. Als Trainer arbeitete Constantini zunächst vor allem für den österreichischen Verband, der große Ernst Happel war sein Mentor. Nach gut vier Jahren als Chefcoach mehrerer österreichischer Bundesligisten wechselte Constantini im Herbst 1997 an den Bruchweg.

Beliebt war er in Mainz, „aber die Ergebnisse haben einfach nicht gestimmt“, sagte Jahre später Jürgen Kramny. „Er hat umgestellt und gesagt: ,Viererkette in Mainz geht nicht. Wenn sie gespielt wird, dann mit Libero dahinter.‘ Die taktische Ausrichtung war für diese Mannschaft nicht optimal.“ Hinzu kam, dass die Mainzer für Abdul Ouakili, der im Winter als Toptorjäger der Liga in die Bundesliga wechselte, keinen Ersatz fanden. Auch hochüberlegen geführte Spiele gewannen sie nicht mehr.

Mit seinem freiwilligen Amtsverzicht gab der Tiroler den 05ern noch einen Tipp: „Euch kann in dieser verdammt schwierigen Situation nur einer helfen: Wolfgang Frank“ – in der Tat kehrte sein Vorvorgänger in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Mainz zurück und stabilisierte die Mannschaft wieder. Seiner Kollegenschar empfahl Constantini übrigens, niemals ein Team zu übernehmen, bei der zuvor Frank Maßstäbe gesetzt habe…

„Didi hatte Mut“

Er selbst ging zurück zum ÖFB, war jahrelang Kotrainer der Nationalmannschaft und mehrmals Kurzzeitcoach in der dortigen Ersten Liga. Lange Engagements wollte er nicht mehr eingehen, sie wären mit seinen jährlichen Kinder-Fußballcamps nicht zu vereinbaren gewesen. Erst im März 2009 ließ sich Constantini zum Nationaltrainer bestellen, den Job hatte er früh in seiner Karriere schon zweimal als Interimstrainer erledigt.

Unumstritten war er in dieser Funktion nie, einige alte, verdiente Spieler fühlten sich vom neuen Trainer hinausgeekelt. Im Rückblick gilt Constantini aber auch als ein Wegbereiter des Erfolgs des ÖFB-Teams. „Didi hatte Mut“, sagte später der Mainzer Profi Julian Baumgartlinger. „Er hat viele junge Spieler, auch mich, in die Nationalmannschaft geholt. Die nächste Entwicklung kam mit ihm aber nicht.“ Die gelang erst seinem Nachfolger Marcel Koller, unter dem die Österreicher 2016 zweitbeste Mannschaft der EM-Qualifikation waren – das Turnier aber völlig verpatzten.

2019 machte Dietmar Constantini öffentlich, an Demenz erkrankt zu sein, danach zog er sich weitgehend ins Privatleben zurück. In der Nacht auf Mittwoch ist er im Alter von 69 Jahren gestorben.

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