In allen Punkten besser werden
Grassau. Wenn Moussa Niakhaté über die Dinge spricht, in denen er sich im vergangenen Jahr weiterentwickelt hat, nennt er auch seine Deutschkenntnisse. „Das ist ein Punkt, in dem ich viele Fortschritte gemacht habe“, sagt er. Allerdings sagt er es auf Französisch, und Dolmetscher Patrick Zeilmann übersetzt. Denn: „Ich verstehe die Fragen, die Sie gestellt haben“, sagt der Spieler, „aber mich auf Deutsch auszudrücken, ist noch schwierig.“
Dass der 23-Jährige tatsächlich zumindest in Teilen schon weiß, was sein Gegenüber gesagt hat, bevor der studierte Konferenzdolmetscher an seiner Seite zur Tat schreitet, lässt sich mal an Niakhatés Mimik erkennen, mal streut er ein „J‘ai compris“ ein, „ich habe verstanden“. Wahrscheinlich wäre es noch einfacher, spräche der Journalist etwas langsamer, und vielleicht würde Niakhaté auch versuchen, seine erlernten Kenntnisse aktiv anzuwenden, hätte er in dieser Beziehung mehr Selbstbewusstsein.
Denn so kompromisslos er seinen Job als Innenverteidiger ausübt, so zurückhaltend ist er außerhalb des Platzes. Ein wesentlicher Grund dafür, dass er in seiner ersten Saison beim FSV Mainz 05 nur eine sehr überschaubare Zahl an Interviews gegeben hat.
Nur drei Gelbe Karten in 33 Spielen
Im Trainingslager in Grassau kommt er nicht umhin, aber seine Gesichtszüge deuten ein Ich-weiß-schon-warum-ich-Pressegespräche-meide an, als die Rede auf sein Pflichtspieldebüt für den Bundesligisten kommt. Das war im DFB-Pokalspiel bei Erzgebirge Aue und dauerte keine drei Minuten. Dann sah der Neuzugang wegen einer Notbremse die Rote Karte. Im zweiten Meisterschaftsspiel beim 1.FC Nürnberg musste Sandro Schwarz den Diallo-Nachfolger zur Pause wegen akuter Gelb-Rot-Gefahr auswechseln; es drängte sich der Verdacht auf, Niakhaté werde in den kommenden Monaten nicht viele Partien bis zum Ende erleben.
„Wer das dachte, kannte meine Spielweise nicht“, erwidert er. Und: „Ich sage es zum 15. Mal: Diese Rote Karte war die erste Rote Karte in meiner Karriere, und ich wusste, dass ich keine zweite kassieren wollte. Ich bin nicht so ein Spielertyp, aber am Ende ist es eben an den Journalisten, meine Leistung zu bilanzieren. Mainz hat mich aus guten Gründen verpflichtet. Nicht, weil ich ein Treter wäre, sondern weil ich ein guter Fußballer bin.“
Das klingt ein bisschen, nun ja, pikiert. Freilich geht es nicht darum, den 1,90-Meter-Mann zum Treter abzustempeln. Fakt ist schließlich, dass Niakhaté in 33 Bundesligaspielen auf dem Platz stand, fast immer über die volle Distanz. So viele Einsätze hatte außer ihm nur Aarón, und lediglich Jean-Philippe Mateta wirkte in allen 34 Partien mit. Und, darauf weist der Innenverteidiger ausdrücklich hin: „Am Ende der Saison hatte ich lediglich drei Gelbe Karten gesehen.“
Unverzichtbarer Faktor
Die Zweikampfführung gehört zu den Stärken des vom französischen Erstligaabsteiger FC Metz gekommenen Spielers, der trotz seiner Größe auch über einen schnellen Antritt verfügt, dank dessen er sowohl Bälle ablaufen kann, die in den Rücken der Mainzer Abwehr gespielt werden, als auch aggressiv vorrücken und im Mittelfeld stechen kann. Qualitäten, die ihn neben gutem Kopfball- und sauberem Passspiel zu einem unverzichtbaren Faktor in der Mainzer Hintermannschaft gemacht haben.
Insofern dürfte die jüngste U-21-Europameisterschaft eine unschöne Erfahrung für den 05-Stammspieler gewesen sein. Weder in den drei Vorrundenspielen noch in Viertel- und Halbfinale setzte der französische Nationaltrainer Sylvain Ripoll ihn ein. Ob das schwierige Wochen für ihn waren? Niakhatés Antwort fällt sehr professionell aus: „Der Trainer entscheidet. So ist das eben. An mir ist es, die Entscheidung zu akzeptieren und zuzuschauen.“ Das Abschneiden der Mannschaft stellt er über sein persönliches Schicksal, weshalb es „schlimmer war, im Halbfinale auszuscheiden, nicht Europameister zu werden. Den Titel hatten wir uns zum Ziel gesetzt, dieses Ziel haben wir leider nicht erreicht“. Das 1:4 gegen Spanien habe wehgetan.
Wahrscheinlich auch ein guter Kapitän
Etwas mehr als zwei Wochen Pause blieben ihm bis zum Einstieg in den Mainzer Trainingsbetrieb. Die Frage, ob das ausreichend war, stelle sich nicht. „Irgendwann muss es ja wieder richtig losgehen. Mir geht es so weit gut, und fürs Fußballspielen ist man immer bereit. Die Saison kommt in großen Schritten näher, und wir sind darauf aus, uns gut darauf vorzubereiten.“
Das Niveau, auf dem die Mannschaft arbeite, sei sehr hoch. „Ich habe den Eindruck, dass wir sehr gut drauf sind, und je länger es geht, desto mehr sind wir in den Dingen, in der Intensität drin“, sagt er. Im Kader stünden viele junge Spieler mit viel Lust, Fußball zu spielen, die darum kämpften, sich in Position zu bringen. Das trifft auch auf Niakhaté zu, wobei in seinem Fall davon auszugehen ist, dass er in der kommenden Runde erneut zu den Stammkräften zählen wird. Wer auch immer in der Innenverteidigung zum Einsatz kommt, wird in der Regel an der Seite des Franzosen stehen. Wahrscheinlich gäbe er von seiner Spielweise, seiner Einstellung, seiner Persönlichkeit her auch einen guten Kapitän ab – Deutsch zu sprechen wäre dafür jedoch von Vorteil.
Ausruhen wird der Franzose sich auf dem bislang Erreichten nicht, davon kann man überzeugt sein. An Dingen, in denen er sich verbessern wolle und müsse, mangele es jedenfalls nicht. „Ich kann mich in allen Punkten verbessern“, betont er. „Wenn ich jetzt schon sagen würde, ich sei vollkommen, könnte ich keine Fortschritte mehr machen – das fände ich als junger Spieler beunruhigend.“
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